Für Kinder, Kurzgeschichten
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Karl und Pingy

Karl ist Tierpfleger. Er arbeitet in einem großen Zoo und kümmert sich um die Pinguine. Inzwischen ist er kurz vor der Rente, aber er kann sich ehrlich gesagt ein Leben ohne seine geliebten Pinguine nicht mehr vorstellen. Über vierzig Jahre kümmert er sich mittlerweile schon um diese niedlichen Tierchen. Mehrere Generationen dieser Tiere hat er inzwischen schon miterlebt, denn die Lebenserwartung der Kaiserpinguine beträgt gerade mal zwei Jahrzehnte, während die Zwergpinguine nur sechs Jahre zu erwarten haben.

Karl ist immer traurig, wenn einer dieser Pinguine über die Regenbogenbrücke geht, aber er ist überglücklich, wenn sich Nachwuchs eingestellt hat. Diese Tiere sind sein Ein und Alles. Geheiratet hat er nie.
„Sie sind meine Familie“, so pflegt er immer zu sagen.
Mit den Jahren hat er sogar die „Sprache“ der Pinguine verstehen gelernt. Oft sitzt er einfach nur bei ihnen und erzählt ihnen Geschichten. Die lieben Tierchen scharen sich dann um ihn, wie die Zuhörerschaft um einen Vortragenden. Er erzählt ihnen von seinem kleinen Häuschen am Waldrand, seinem Garten und den Tieren, die dort leben oder aus dem Wald zu ihm auf die Wiese kommen.
Die Pinguine lieben Karl, denn er ist gut zu ihnen. Sie laufen ihm nach und freuen sich, wenn er ihnen Futter bringt. Er darf sie sogar streicheln und manchmal schwimmt er mit ihnen um die Wette. Das ist dann natürlich eine große Attraktion in dem Zoo und die Zuschauer applaudieren kräftig. Der Zoodirektor lässt Karl gewähren, denn dieses Schauspiel ist inzwischen schon im ganzen Land bekannt.
„Karl und seine Pinguine bringen dem Zoo gute Besucherzahlen ein“, hat der Zoodirektor erst neulich in einem Zeitungsinterview gesagt.
Einer der jungen Pinguine hat es Karl besonders angetan. Es ist Pingy, ein kleiner vorwitziger Kerl. Er folgt Karl auf Schritt und Tritt und hat schon mehrmals versucht mit ihm am Feierabend durch die Tür zu schlüpfen. Doch Karl hat immer gut aufgepasst und so ist es Pingy noch nie gelungen mit Karl den Zoo am Abend zu verlassen.
Eines Tages im Winter erzählt Karl von seinem verschneiten Garten und dem zugefrorenen Teich, auf dem die Kinder aus dem Ort mit den Schlittschuhen ihre Runden drehen. Da erwacht in Pingy abermals die Sehnsucht die Welt außerhalb des Zoos kennenzulernen. Er schließt die Augen und beginnt einen Plan zu schmieden, wie ihm dies endlich gelingen könnte.
„Der Rucksack!“, so denkt er, „Das ist die Lösung!“
Er sieht Karls Rucksack in einer Ecke stehen und zu seiner Überraschung ist dieser ganz weit offen. Schnell schlüpft Pingy hinein und versteckt sich unter einem Schal und einer Mütze, die sich darin befinden. Es dauert eine halbe Ewigkeit bis der Rucksack endlich angehoben wird.
„Hoffentlich schaut Karl nicht hinein und entdeckt mich“, denkt der kleine Pinguin.
Seltsamerweise hat er sogar Glück, denn Karl schnappt sich nur den Rucksack und wirft ihn sich auf den Rücken.
„Das war aber nicht sanft“, hätte Pingy beinahe gerufen, doch er verkneift es sich schnell. Der kleine Pinguin wundert sich zwar, dass Karl weder Schal noch Mütze zu benötigen scheint, aber seine Aufregung lässt nicht zu, dass er daran noch weitere Gedanken verschwendet.
Karl verlässt mit raschen Schritten den Zoo und schwingt sich auf sein Moped. Er muss schnell nach Hause, um sich umzuziehen, denn am Abend will er zu seinem Kumpel Nils, der Pfleger im Eisbärengehege ist. Sie wollen gemeinsam mit Achim, der im Kassenhäuschen des Zoos arbeitet, eine Runde Skat spielen. Das tun sie jeden Mittwoch, seit nun fast dreißig Jahren.
Als Karl auf seinem Moped durch die Straßen düst, muss er gehörig aufpassen, denn es ist glatt. Die Nachrichten haben sogar Blitzeis gemeldet.
Karl wundert sich allerdings, dass ihm heute so viele Menschen freundlich zuwinken. Er ahnt nämlich nicht, dass aus seinem Rucksack ein kleiner Pinguin mit einer Mütze auf dem Kopf und einem Schal um den Hals heraus schaut.
Zu Hause angekommen, wirft er seinen Rucksack auf die Gartenbank, springt schnell ins Haus und unter die Dusche. So kann Pingy unbemerkt aus dem Rucksack schlüpfen und in den Garten marschieren. Er hat auch sogleich den Teich gefunden, der verlassen im Mondlicht vor ihm liegt. Und noch etwas liegt da. Ein Paar klitzekleine Schlittschuhe.
„Wie kommen die denn hierher?“, fragt Pingy und blinzelt hinauf zum Mond. „Ob mir die Schlittschuhe die kleine Mondfee geschickt hat?“
Der Mond scheint plötzlich noch ein bisschen heller zu leuchten, so als wolle er Pingys Frage mit einem strahlenden Lächeln beantworten.
Pingy schnallt sich schnell die Schlittschuhe an und dreht Runde um Runde auf dem kleinen Teich. Es ist herrlich und er jauchzt vor Vergnügen.
„Ist das Leben schön! Ich komme mir vor wie in einem Traum!“, ruft er immer wieder begeistert aus.
So fährt er bis ihn die Müdigkeit überfällt und plötzlich wie durch einen Zauber die Schlittschuhe unter seinen Füßen verschwunden sind. Mit letzter Kraft schafft er es noch in Karls Rucksack zu kriechen. Glücklich kuschelt er sich in den weichen Schal.
„Guten Morgen, liebe Pinguine!“, ruft Karl seinen geliebten Tieren zu, zieht seine Mütze über beide Ohren und wickelt seinen Schal noch einmal mehr um den Hals. „Es gibt Frühstück!“
Karl sieht den kleinen Pingy, der sich verschlafen die Augen reibt.
„Na Kleiner, hast du schön geträumt?“
„Oh ja, das habe ich“, antwortet Pingy.
In Gedanken fügt er jedoch noch die Frage hinzu:
„Oder war es vielleicht gar kein Traum? Aber schön war es auf alle Fälle.“

 

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12 Kommentare

  1. Das ist ja süß!!! Liebe Astrid, eine Geschichte, die ich gut meinen Kindern mal vorlesen kann. Wir lieben die Pinguine im Zoo auch sehr. Man kann ihnen dort erstaunlich nahe kommen, wenn man möchte. Es gibt einen kleinen Garten, durch den man als Besucher gehen darf (natürlich unter Wahrung der entsprechenden Rücksichtnahme) und dort laufen sie einem dann über den Weg oder schauen einen von einem sicheren Platz aus, freundlich an. LG Tanja

    • Astrid Berg sagt

      Bei uns gibt es in der Nähe sogar ein Schwimmbad, wo man mit Pinguinen schwimmen kann. Allerdings getrennt durch eine Glasscheibe.
      Ich finde Pinguine ziemlich süß und drollig, wenn sie so gerade und im Frack vor einem stehen. Irgendwie sind sie faszinierend und erfreuen immer wieder die Herzen der Kinder, aber auch die der Erwachsenen.
      Ich schicke Dir liebe Grüße und hüpfe dann auch wieder mal zu Dir, um zu sehen, was es auf Deinem Blog so Neues gibt.
      Astrid

  2. Liebe Astrid, wie schön, kann mir diesen kleinen Gesellen so richtig schön vorstellen. Auf Schlittschuhen und wie erim Rucksack auf dem Motoread mut Karl durch die Stadt düsst. Herrlich. Liebe Grüße Eva

    • Astrid Berg sagt

      Ja, ich sehe ihn auch vor meinem geistigen Auge. Nur der Kopf mit der Mütze schaut aus dem Rucksack heraus und der Schal weht im Fahrtwind.
      Ich schicke Dir liebe Wochenendgrüße
      Astrid

  3. Oh, so eine schöne Geschichte! Durfte der kleine Pingy Schlittschuhe laufen – und wenn es auch nur im Traum gewesen sein sollte. Man weiß es ja nicht so ganz genau ;-)! LG Martina

    • Astrid Berg sagt

      Das bleibt der Fantasie des Lesers überlassen, liebe Martina.
      Ich hoffe Ihr seid vom vielen Schnee verschont geblieben und müsst Euch nicht freischaufeln. Bei uns sind die Straßen frei, denn der Schnee, der manchmal in kleinen Flöckchen vom Himmel fällt, bleibt zum Glück nicht liegen.
      Ich wünsche Dir einen schönen Samstagabend und einen geruhsamen Sonntag
      Astrid

  4. Solch Geschichten lesen wir doch gern. Wer will nicht mal seine Träume erfüllen, auch wenn sie nicht zu realisieren sind? Die Geschichte erinnert mich an den alten Mann (weiß nicht mehr welches Land), der einen Pinguin rettete und dieser nun jedes Jahr zurück kehrt, um den alten Mann zu besuchen. Das stand in den Medien und kam letztes Jahr auch im Fernsehen.
    Viele Grüße von Kerstin.

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Kerstin,
      vielleicht kannst Du Dich noch erinnern, dass ich mir zu dieser Begebenheit mit dem Pinguin, der jedes Jahr wieder zu dem alten Mann zurückkehrt,auch einmal eine Geschichte ausgedacht habe: Wo die Liebe hinfällt
      Ich musste bei meiner jetzigen Geschichte aber auch an den Eisbären Knut und seinen Pfleger denken. Manchmal gibt es eben doch noch solche Menschen, die einen direkten Draht zu Tieren haben. Wenn man davon hört oder liest, so bringt es immer auch Freude mit, dass es so etwas in der heutigen Realität noch gibt und nicht nur in Träumen.
      LG und hab einen schönen Samstagabend. Seid Ihr eingeschneit? Bei uns bleibt der Schnee zum Glück nicht liegen.
      Astrid

  5. Das ist wirklich eine schöne und mit so viel Fantasie und Liebe geschriebene Geschichte.
    Sicher wird sich Karl auch in seinem Rentnerdasein um diese lieben Tiere kümmern. 🙂

    Liebe Grüße
    Traudi

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Traudi,
      danke für Deine treuen Besuche und das Lesen meiner Geschichten. Mal sehen, ob es irgendwann mal eine Geschichte von Karl als Rentner gibt. Das weiß ich noch nicht und das lasse ich einfach mal so im Raum stehen.
      LG
      Astrid

  6. welch eine entzückende Märchentraumgeschichte liebe Astrid, die ist ja wunderschön…die du uns da aufgezeigt hast, da hast du aber tüchtig mit deiner Phanatsie gespielt..lacht, ja, so könnt es sein und nicht nur im Traum!!!!
    Die schnöde Wirklichkeit zeigt es ja hingegen oft anders.da träumt man solch Wünsche schon sehr, sehr gerne…und ich würde es nur zu gerne weiter mit dir träumen, dass genügend Zeit zum erzählen und kuscheln und fördern Menschen wie deinem Karl aus dem Zo bleibt um den Tieren dort Gutes zu tun und sie nicht nur mit Futter und sauber machen zu versorgen.
    träume bitte für uns solche schöne Geschichten weiter…
    herzlichst Angel die sich auch gerne in die märchenhafte Winterwelt vor dem Fenster träumt…

    • Astrid Berg sagt

      Hallo liebe Angel,
      leider kann ich Dir erst heute auf Deinen Kommentar antworten, denn manchmal kann man sich das Leben so schön erträumen, wie man will. Das Leben holt einen immer wieder ein. Es gibt immer etwas zu tun und manchmal fehlt einfach die Zeit. Aber ich verspreche Dir, dass ich auch weiterhin solche Geschichten schreiben werde.
      Ich schicke Dir herzliche Grüße
      Astrid

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