Ich weiß ja, dass man Dinge und leider auch Menschen vergessen kann, aber ich habe mir nie bewusst gemacht, dass auch mir so etwas passieren könnte. Mich jedenfalls hat man vergessen. Und das kam so:
Ich war der beste Freund von Florian. Er holte mich jeden Tag ab und dann ging es auf den Sportplatz. Dort traf er sich mit Alex, seinem Kumpel. Wir Drei waren ein Team und spielten Fußball. Was auch sonst? Gut, mit einem Ball kann man auch Handball spielen, aber ich heiße ja ausdrücklich „Fußball“, weil ich gekickt werden will. Ich brauche den Jubel, wenn ich ins Tor gehe. Das klingt für mich so, wie für andere Musik.
Wir waren glücklich miteinander,- bis zu jenem Tag.
„So, alter Kumpel“, sagte Florian neulich zu mir. „Heute gehen wir das letzte Mal gemeinsam zum Sportplatz hier im Dorf. Dann geht es in die Stadt.“
Wie ich aus den Gesprächen zwischen Florian und Alex heraushören konnte, wollte mein Freund mit seiner Familie umziehen. Während Alex das mit großem Bedauern aufgenommen hat, war es mir eigentlich egal. Ich dachte, dass Florian sicher in der neuen Heimat auch mit mir und einem anderen Freund zum Kicken gehen würde.
Doch dann gab ihm Alex ein Abschiedsgeschenk.
„Hier, für dich. Immerhin ist dein alter Fußball schon ziemlich abgenutzt. Vergiss mich nicht und lass dich ab und zu mal wieder hier blicken.“
„Oh, super!“, jubelte Florian. „Ich werde immer an dich denken, wenn ich mit dem Neuen trainiere.“
Ja, was soll ich sagen? Sie legten mich an den Rand des Spielfeldes und kickten mit dem Neuen. Aber es kam noch schlimmer. Am Abend als sie sich verabschiedeten, vergass mich Florian mit nach Hause zu nehmen.
„Das war es dann also“, dachte ich so bei mir.“Ich habe ausgedient.“
Ich war traurig, einfach so abgelegt zu werden.
In der Nacht kam Wind auf, um nicht zu sagen, es stürmte. So rollte ich auf dem Fußballplatz hin und her. Das war ja eigentlich ganz nett, aber ich war allein. Außerdem begann es zu regnen. Gegen Morgen ließen Wind und Regen nach und als die Sonne aufging, kam ich in einer Pfütze zum Liegen.
„Was wird mir wohl dieser Tag bescheren?“, fragte ich mich und jammerte still und leise vor mich hin.
Die Sonne trocknete die Pfütze, in der ich lag. Auch ich war inzwischen wieder trocken, als ich Stimmen hörte. Ein paar fremde Jungs kamen vorbei.
„Hey, da liegt ein Fußball!“, rief einer von ihnen aus.
„Der sieht ja schon ganz schön ramponiert aus. Wurde wahrscheinlich viel benutzt“, meinte der andere und hob mich auf. „Aber Luft hat er noch und scheint auch so noch in Ordnung zu sein. Lass ihn uns mal ausprobieren!“
Ja, und nun wurde ich wieder hin und her gekickt. Das machte nicht nur mir, sondern auch den Jungs Spaß.
Aber das ist nicht alles, was an diesem Tag geschah. Plötzlich erschienen nacheinander noch zwei Jungs. Zuerst kam Florian.
„Ha“, freute ich mich. „Er hat bemerkt, dass er mich vergessen hat und will mich nun holen.“
Und dann kam auch noch Alex.
„Hey, kommt her und spielt mit!“, riefen ihnen die Jungs auf dem Spielfeld zu. Jetzt klopften sich Alex und Florian freundschaftlich gegenseitig auf die Schultern, sozusagen als Abschiedsgruß. Dann wandte sich Florian zum Gehen, doch ich konnte seine letzten Worte noch verstehen:
„Machs gut! Ich komme immer wieder mal zu Besuch. Halte unseren alten Fußball in Ehren. Und nun lauf schon und kicke mit den Jungs dort!“
„Mach ich!“, nickte Alex. „Bis bald!“
Kurz darauf spürte ich seinen Fuß, der mich auf direktem Weg ins Tor beförderte. Es war ein tolles Spiel und half Alex und mir die Traurigkeit über Florians Wegzug zu verarbeiten. Am Abend hob mich Alex auf und trug mich mit nach Hause.
„Bis morgen!“, riefen ihm die Jungs zu. „Gleicher Ort, gleiche Zeit! Und vergiss den alten guten Fußball nicht!“
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Na so ein gutes Ende hat der Fußball aber auch verdient. Man fiebert ja fast mit, wie es denn nun ausgehen wird.
Alte Spielsachen hat man oft lieber als neue. Es hängen Erinnerungen dran.
Liebe Grüße von Kerstin.
Das Schicksal des auf dem Foto abgebildeten Fußballs ist allerdings nicht so gut ausgegangen. Er wurde tatsächlich von einem Mieter in der Wohnung vergessen bzw. absichtlich zurückgelassen und später entsorgt, weil ihn niemand mehr wollte.
LG
Astrid
Eine sehr schöne Geschichte, liebe Astrid,
ich muss gestehen, dass ich immer wieder auch Menschen vergesse, mit denen ich ein Stück des Weges gegangen bin, was ich bedaure, andere wiederum vergessen mich. Es ist schwer eine wie auch immer geartete Beziehung aufrecht zu halten, wenn es nur sehr einseitig ist. Dann lieber vergessen.
Viele liebe Grüße
Wolfgang
Aber irgendwie vergisst man diese Menschen dann doch nicht, denn die gehören wohl in der einen oder anderen Weise zu unserem Leben . Wenn auch nur in gewissen Lebensabschnitten oder Situationen. Manche Menschen haben lange keinen Kontakt mehr, weil keiner wagt nach so langer Zeit den ersten Schritt zu machen.
Ich wünsche Dir einen schönen Abend und heiße Dich auf meinem Blog willkommen.
LG
Astrid
Sehr schön geschrieben, liebe Astrid,
danke für die Geschichte vom alten Fußball, den man mit allerlei anderem vergleichen könnte!
Herzliche Grüße
Regina
Danke , liebe Regina .
Ja, heute denken viele, dass neu gleich besser bedeutet.
Ich hoffe, es geht Dir und Deiner Familie gut. Wie ich bei Dir gelesen habe, erlebst du ja einige Ereignisse aus nächster Nähe.
Ganz liebe Grüße
Astrid
Liebe Astrid,
eine Geschichte, die sich beinahe wie eine Fabel liest. Man stellt unwillkürlich Vergleiche an, wen oder was man vergessen hat.
Angenehmen Mittwoch und liebe Grüße
moni
Liebe Moni,
Menschen, die uns ein Stück unseres Lebens begleitet haben, sollte man nie vergessen. An die angenehmen Menschen denkt man gerne und zu ihnen sollte man auch den Kontakt nicht abbrechen lassen, – und sei er auch nur sporadisch. Sie tun uns nämlich gut.
Ich hoffe, es geht Dir gut und wünsche Dir eine schöne Restwoche.
LG
Astrid