Für Kinder, Kurzgeschichten
Kommentare 4

Herbstgeflüster

Es ist ein schöner Herbsttag. Die Sonne lacht vom blauen Himmel und lässt die bunten Blätter im Sonnenlicht golden leuchten. Es weht ein Wind, der genau richtig ist zum Drachensteigenlassen. Ein Herbsttag wie aus dem Bilderbuch. 

Flori marschiert hinüber zur großen Wiese und lässt seinen bunten Drachen, den er übrigens selbstgebastelt hat, hoch in die Lüfte steigen. Dort tanzt dieser hin und her und der Junge hat seine helle Freude daran.

Doch schon bald ziehen Wolken am Himmel auf. Das wäre ja nicht so schlimm, wenn es Schönwetterwolken wären, aber leider versprechen diese nur Regen. So packt Flori seinen Drachen wieder ein, doch bevor er sich endgültig auf den Heimweg macht,  setzt er sich für ein Weilchen auf die Bank am Wegesrand.

„Bestimmt müssen wir bald wieder Blätter sammeln und zum Unterricht mitbringen“, denkt er. „Jedes Jahr dasselbe. Im Kindergarten hat es angefangen und jetzt in der dritten Klasse ist es immer noch so. Eigentlich mag ich das nicht.“

Floris Gedanken werden unterbrochen. Er vernimmt ein zartes Stimmchen:

„Ich halte mich fest! Das kannst du mir glauben.“

„Hallo, ist da jemand?“, fragt der Junge und blickt sich suchend um, kann aber niemand sehen.

„Na klar! Ich bin hier!“

„Wo denn? Ich kann dich nicht entdecken.“

„Hier bin ich, da wo ich hingehöre. Und da bleibe ich auch. Ich gebe mir alle erdenkliche Mühe.“

Noch immer weiß Flori nicht, wer da mit ihm spricht. Für einen Moment ist nichts zu hören, nur das Rauschen der Blätter im Herbstwind. Eine Windböe wirbelt einen kleinen Blätterhaufen durcheinander und als es wieder windstill ist, hört Flori auch die zarte Stimme wieder.

„Er kann mir nichts anhaben, wenn ich mich nur gut genug festhalte.“

„Das schaffst du nicht!“, mischt sich eine andere Stimme ein. „Das haben schon viele vor dir versucht. Das ist der Mühe nicht wert, denn es ist sowieso vergeblich.“

„Oh nein, das ist es nicht!“, ruft das zarte Stimmchen trotzig. „Ich will etwas Besonderes aus meinem Leben machen und nicht wie alle anderen sein.“

„Das ist doch Quatsch! Verstehe das doch endlich!“

„Wovon redet ihr eigentlich und wo seid ihr?“

„Hier oben!“, erklingt es im Chor.

Flori blinzelt nach oben. Erst jetzt bemerkt er, dass er unter einem Baum sitzt und dort wohl kurz eingenickt sein muss. Über ihm ist die Baumkrone mit ihren bunten Blättern, die vom Wind kräftig durchgeschüttelt werden. 

An einem Zweig, direkt über Flores Kopf hängen einsam zwei bunte Blätter.

„Habe ich mir das alles nur eingebildet? Blätter können nicht reden. Ich muss geträumt haben“, überlegt der Junge genau in dem Moment, als ein erneuter Windstoß kommt und ihm zwei wunderschöne Blätter in den Schoß wirbelt. 

Als sein Blick wieder nach oben wandert, stellt er fest, dass der Zweig nun komplett kahl ist. 

Flori kratzt sich verwundert am Kopf. 

Würde in diesem Augenblick ein Spaziergänger vorbeikommen, so könnte er vielleicht die geflüsterten Worte des Jungen vernehmen:

„Auch wenn es tatsächlich mit dem Festhalten nicht geklappt hat, seid ihr Zwei für mich etwas ganz Besonderes. Ich habe auch schon eine Idee, was nun mit euch passieren soll. Was haltet ihr davon, wenn ich euch nach dem Pressen gemeinsam mit einem gemalten Bild in einem schönen Bilderrahmen meiner Oma zum Geburtstag schenke?! Sie wird sich sicherlich freuen und ihr bekommt einen Ehrenplatz in ihrem Wohnzimmer.“

Flori hat es auf einmal ziemlich eilig nach Hause zu kommen und das nicht nur, weil es plötzlich zu tröpfeln beginnt.

 

 

Vielleicht möchtet Ihr auch das noch lesen:

Mein schönstes Herbstkleid

Vom Winde verweht

Herbstliche Kinderwelt

 

 

4 Kommentare

  1. liebe Astrid
    welch eine schöne Geschichte, und eine entzückende Idee die bunten Blätter erzählen zulassen und der Flori hat die Gabe genutzt zuzuhören und damit eine tolle Idee bekommen…
    Blätter pressen – trocknen und die Farben konservieren indem sie unter – Glas – hängen und immer an de sonnigen Tage des herbstes erinnern…
    ein schönes Geschenk z.B zum Fest für die Oma die sich bestimmt über die künstlerische Ader des kleinen Flori freut…
    tolle Idee…
    ich höre auch gerne den Bäumen zu…und wenn sich diese Farbenpracht vor uns ausbreitet ist der Herbst wunderschön…ich puste mal schnell den Regen weg, dann bleiben die Blätter noch ein wenig länger an den Bäumen…

    • Astrid Berg sagt

      Ich staune, wie lange sich die Blätter dieses Jahr an den Bäumen halten. Die meisten Bäume bei uns sind noch ziemlich voller Laub.
      Ich hoffe, es geht dir gut und schicke ganz liebe Grüße zu dir.
      Astrid

  2. Liebe Astrid,

    wie immer eine wunderschöne Geschichte.
    Ich konnte mich dort sehr gut hinein versetzen.
    Zu gerne säße ich jetzt auch in der Sonne unter dem Baum.
    Aber leider war es hier in der letzten Zeit nur grau und oft nass. So mag ich den Herbst nicht *brrrr*.

    LG Frauke

    • Astrid Berg sagt

      Der goldene Herbst kann so schön sein, aber leider gibt es diesen Bilderbuchherbst nur für ein paar Tage. Jetzt hat wohl die kalte und feuchte Zeit angefangen. Was ich so schlimm finde, ist die Tatsache, dass die Tage so kurz sind und es manchmal gar nicht richtig hell wird. Ich erwarte schon jetzt sehnsüchtig den Frühling 😉.
      LG
      Astrid

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert