Kurzgeschichten
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Na so was!(2)

Susi hüpft die Stufen zum Erdgeschoss hinunter. Die Fünfjährige will zu ihrem Opa Werner, der gemeinsam mit Großmutter Wilhelmine bei ihnen im Haus wohnt. Sie bewohnen die untere Etage und Susi mit ihren Eltern leben in den beiden oberen Geschossen. 

„Opa langweilt sich doch so alleine, weil Oma Wilhelmine in der Kur ist. Ich leiste ihm ein bisschen Gesellschaft“, hat das Mädchen der Mutter beim Frühstück erklärt und den Opa begrüßt sie jetzt mit einem fröhlichen „Guten Morgen!“

„Hallo, meine Prinzessin, kannst du mir schnell mal beim Suchen helfen? Ich kann meinen Hut nicht finden. Du weißt ja, Oma räumt immer alles weg und ich finde dann nichts mehr.“

„Der liegt doch wie immer dort oben“, meint Susi und deutet auf die Hutablage der Garderobe. „Wozu brauchst du den denn?“

„Ich will Willi, meinen Bruder vom Bahnhof abholen, er hat auch Langeweile, weil seine Frau mit Oma an der Ostsee ist und deshalb will er solange bei mir bleiben.“

Das Mädchen klatscht vor Freude in die Hände. Willi ist nämlich Opas Zwillingsbruder und die beiden sehen sich zum Verwechseln ähnlich.

„Das wird ein Riesenspaß, wenn die Beiden gemeinsam hier wohnen“, denkt die Enkelin. Noch ahnt sie nicht, dass dieser Spaß schon in wenigen Minuten beginnt.

„Schnell, schnell, wir müssen los, – der Zug kommt in einer Viertelstunde an. – Ich zieh nur schnell noch meine Schuhe an“, erklärt ihr der ältere Herr und schlüpft in die bereitstehenden Slipper.

„Opa…“, meldet sich Susi zu Wort.

„Los, los! Wir dürfen keine Zeit verlieren!“

„Aber schau mal….“, versucht die Enkeltochter erneut dem Großvater etwas zu sagen.

„Jetzt nicht, später schauen wir uns das an“, antwortet dieser.

„Aber es ist wichtig…“

„Manchmal gibt es eben noch wichtigere Dinge“, Opa Werner ergreift die Hand des Mädchens und schon geht es in Richtung Bahnhof, wo sie völlig außer Atem am Gleis ankommen, als der Zug einfährt. Viele Menschen strömen aus allen Richtungen herbei. Susi bemerkt, dass die meisten den Großvater und sie mit einem Lächeln bedenken. 

„Die sind aber nett, sie lächeln uns alle zu“, sagt sie gerade in dem Moment als ein paar größere Jungs kichernd auf ihren Opa deuten. Jetzt fällt ihr wieder ein, was sie schon zu Hause dem Großvater sagen wollte.

„Du Opa…“, versucht sie einen erneuten Vorstoß. „Vorhin wollte ich…“

„Ach, schau nur …“, ruft Opa ganz aufgeregt aus. „Dort vorne steigt Willi aus!“

Jetzt sieht auch das Mädchen das Ebenbild seines Großvaters und vergisst, was sie sagen wollte. Willi, der ebenfalls einen Hut trägt, kommt winkend auf die Beiden zu. Susi stürmt ihm entgegen und wirft sich lachend in seine ausgebreiteten Arme. 

„Zur Begrüßung spendiere ich dir ein leckeres Eis“, schlägt Willi vor. 

Na, da lässt sich das Mädchen nicht lange bitten und zeigt gleich wo sich der nächste Eisstand befindet. Dort sucht sie sich ein leckeres Erdbeereis mit vielen bunten Perlchen aus. Beim Bezahlen fällt Willi ein Geldstück aus der Hand und Susi bückt sich sofort, um es aufzuheben. Da sieht sie es.
Kichernd reicht sie das Zwei-Cent-Stück der Frau hinter der Eistheke.

„Ach kleines Fräulein, du hast aber gute Laune! Naja, wenn man ein Eis bekommt…!“, sagt sie zwinkernd und reicht ihr den Eisbecher.

„Ihr seid doch Zwillinge“, meint das Mädchen, steckt sich ein Löffelchen mit der kühlen Köstlichkeit in den Mund und blickt kess zwischen Opa und Willi hin und her.

„Aber das weißt du doch“, sagt der Großvater und streicht ihr liebevoll über die blonden Locken.

„Mutti sagt, dass sich Zwillinge nicht nur äußerlich ähnlich sind. Sie haben auch die selben Angewohnheiten, selbst dann, wenn sie sich lange nicht gesehen haben.“

„Wie kommst du jetzt darauf?“, erkundigt sich Willi.

„Na, weil ihr anscheinend auch eine ganz bestimmte Angewohnheit habt.“

„Ja, ja“, gibt der Großvater zu. „Wir tragen gerne Hüte, das stimmt wohl.“

„Und noch mehr“, grinst die Kleine. „Die eine Angewohnheit sitzt oben, aber da unten gibt es noch eine andere …“

Sie deutet in Richtung Asphalt. Die Zwillingsbrüder folgen ihrem Zeigefinger und kurz darauf erschallt das fröhliche Lachen der Drei, das alle Vorübereilenden für einen kurzen Moment aufhorchen lässt.

„Na sowas!“, rufen die Zwillinge wie aus einem Munde.

„Ihr habt einen dunkelblauen und einen schwarzen Schuh an!“, trällert Susi und hüpft um die Beiden herum.
„Du hast den blauen Schuh am rechten Fuß“, richtet sie sich an Willi „und Opa am linken! Habt ihr euch abgesprochen oder macht ihr das immer so?“

 

Vielleicht möchtet Ihr auch das noch lesen:

Na sowas! (1)

In den Schuhen des Anderen

Oma Lena und ihre Schatztruhe

Astrid, Opa und das Eis

 

6 Kommentare

    • Astrid Berg sagt

      Ach, solche kleinen Missgeschicke schaden niemanden, aber aktivieren die Lachmuskeln 😀.
      Ich wünsche Dir einen guten Start in die neue Woche.
      Astrid

  1. Liebe Astrid,
    ähnliches ist mir mit meinen Socken passiert. Ich hatte zwei verschiedene, aber ähnliche Socken an. Als ich darauf von meiner Kollegin angesprochen wurde, sagte ich: „Oh, da habe ich wohl noch so ein Paar Socken zuhause.“ 🙂
    Liebe Grüße und eine entspannte Woche
    Traudi

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Traudi,
      meine Mutter erzählte mir einst, dass mein Opa mal eine schwarze und eine braune Socke anhatte. Also ist die Geschichte wieder einmal mitten aus dem Leben. Das Drumherum und der Zwilling entspringt allerdings meiner Fantasie 😀.
      Liebe Montagsgrüße
      Astrid

    • Astrid Berg sagt

      Ganz besonders bei den schwarzen Socken meines Mannes muss ich gut aufpassen, dass die Richtigen zusammenfinden. Denn Schwarz ist nicht gleich Schwarz.
      Ich wünsche Dir einen schönen Abend.
      Astrid

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