Kurzgeschichten
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Wie verhext

Inzwischen ist es Herbst geworden. Jedenfalls meteorologisch betrachtet. Vom kalendarischen Gesichtspunkt gesehen, steht uns der Herbstbeginn am 22. September noch bevor.

Während Kathi ein absoluter Sommerfan ist, mag ihre Freundin Marie den Herbst mit seinem Wechsel zwischen Sonne, Wolken und Regen. Sie findet ihn erfrischend und abwechslungsreich.

Heute lässt sich die Sonne blicken, jedenfalls am Vormittag und nur das zählt für Kathi. Sie öffnet das Dach ihres Cabrios, setzt die Sonnenbrille auf und hebt die kleine Reisetasche ins Innere des Autos.

„Komm doch endlich!“, ruft sie ihrer Freundin Marie zu. „Tina hat angerufen und wollte wissen, wann wir in Berlin eintreffen.“

„Ich bin doch schon da!“, antwortet Marie und schließt die Haustür ab.

Nachdenklich lässt sie sich in den Sitz fallen, während Kathi schon den Motor anlässt. Sie kann es gar nicht erwarten Tina wiederzusehen. Die Drei sind die besten Freundinnen und haben bis vor ungefähr sechs Wochen noch zusammen in der Kleinstadt gelebt. Tina hat dann allerdings ein sehr gutes Jobangebot bekommen und so ist sie nach Berlin gezogen, wo sie und ihr Freund eine kleine Dachgeschosswohnung angemietet haben. Dieses Wochenende wollen Kathi und Marie nun endlich einen Besuch abstatten. 

„Was ist eigentlich los mit dir? Du bist so schweigsam?“, erkundigt sich Kathi. „Hast du schlecht geschlafen und bist noch müde?“

„Nein, ich habe nur so das Gefühl, dass wir irgendetwas vergessen haben.“

„Das Gefühl hast du doch immer“, gibt die Freundin zurück. „Sag es gleich, jetzt kann ich noch schnell umkehren. Auf die zehn Minuten kommt es auch nicht mehr an.“

„Ich würde es dir ja sagen, wenn ich es selber wüsste.“

„Mmh, das ist allerdings schlecht. Naja, in Berlin gibt es alles zu kaufen. Das sollte dich beruhigen. Und nun lass uns die Cabriofahrt genießen.“

Kathi düst die Straße entlang und schaltet das Radio, aus dem Musik zu hören ist, lauter. Allerdings folgen schon nach dem zweiten Song die Nachrichten mit anschließendem Wetterbericht.

„Jetzt weiß ich es!“

„Was?“, will Kathi wissen.

„Ich hab meinen Regenschirm vergessen!“

„Den brauchen wir erstens nicht und zweitens liegt einer im Kofferraum.“ 

Damit ist für Kathi das Thema beendet und außerdem strahlt die Sonne vom Himmel, so dass selbst die eher skeptische und sonst immer für alle Eventualitäten gerüstete Marie sich beruhigt und entspannt im Beifahrersitz zurücklehnt.

Die beiden haben sich ein Hotelzimmer gebucht, weil sie der Freundin und deren Lebensgefährten keine Umstände bereiten wollen. Kaum sind sie in ihrer Unterkunft angekommen, hat Kathi schon neue Pläne. 

„Wir könnten doch einen kleinen Spaziergang machen. In einer Dreiviertelstunde sind wir bei Tina. Das Laufen wird uns nach der langen Fahrt guttun,“ schlägt sie vor. „Außerdem lockt mich die Sonne.“

„Das ist eine gute Idee! Und vielleicht kommen wir noch an einem Blumenladen vorbei, wo wir  für Tina einen hübschen Strauß aussuchen können.“

Mit ihren Handtaschen bewaffnet, laufen sie los und freuen sich auf das bevorstehende Wiedersehen. Doch leider währt diese Freude nicht lange. Bereits nach zwanzig Minuten bemerken sie die ersten Tropfen.

„Das war bestimmt nur eine Wolke“, meint Kathi hoffnungsvoll.

„Das glaube ich weniger“, wirft Marie ein. „Schau nur, dort drüben ist es ganz schwarz und genau in diese Richtung laufen wir. Wir sollten uns sputen. Du hast aber doch sicher den Schirm aus dem Auto geholt und in deiner Handtasche verstaut“, richtet sie sich hoffnungsvoll an die Freundin.

„Ich?! Nö, daran hab ich nicht gedacht.“

„Das heißt im Klartext: Wir haben keinen Schirm dabei, während der im Auto liegt und auf seinen Einsatz wartet!?“

„So könnte man es ausdrücken…“, gibt Kathi schulterzuckend mit einem Blick gen Himmel zu.

Die Tropfen werden immer dicker. Noch fallen sie vereinzelt, aber plötzlich beginnt es zu schütten. Der reinste Wolkenbruch überrascht die Beiden. Sie können sich gerade noch unter eine Markise vor einem Cafe retten. Kathi und Marie haben allerdings Glück im Unglück. Schon nach einem Latte Macchiatto ist alles vorbei und die Freundinnen können ihren Marsch fortsetzen. Die Wiedersehensfreude, der unterhaltsame Nachmittag und Abend lassen sie das Unwetter vergessen. 

Als sie kurz nach Mitternacht wieder im Hotel eintreffen und im Aufzug stehen, drückt Marie auf die Taste mit dem Vermerk ’Tiefgarage’.“

„Das ist falsch, wir müssen in die zweite Etage“, meint Kathi gähnend.

„Ich will nur was aus dem Auto holen“, antwortet Marie mit Nachdruck.

Achselzuckend reicht ihr die Freundin den Autoschlüssel, beobachtet wie diese den Kofferraum öffnet und sprachlos davor steht.

„Hast du nicht gesagt, dass du hier einen Regenschirm hast?“

„Liegt da keiner?“, fragt Kathi leicht ungläubig und tritt näher heran. Den Blick auf das Innere des Kofferraums gerichtet, bekommt sie plötzlich einen Lachanfall, in den auch Marie einstimmt.

„Da behaupte mal jemand ich sei nicht für ein Unwetter gerüstet“, bringt Kathi unter Lachen hervor. „Immerhin liegen hier… ein…, zwei…, drei…, vier…, fünf Regenschirme!!!!“

 

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2 Kommentare

    • Astrid Berg sagt

      Ich danke Dir, liebe Rosi. Entschuldige mein langes Schweigen, aber ich komme erst jetzt wieder dazu meine Blogrunde zu drehen. Ich war offline.
      LG
      Astrid

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