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Der Schalk

Heinz und Ute sind mit dem Auto unterwegs. Sie haben den Wocheneinkauf erledigt. Alle Einkäufe sind bereits im Kofferraum verstaut und Heinz startet den Motor, als ihm noch etwas einfällt.

„Ach!“, meint er und schlägt sich dabei gegen die Stirn. „Jetzt habe ich doch vergessen die Batterien für den Öffner unseres Garagentors zu besorgen. Oder hast du daran gedacht?“
„Nein, das stand nicht auf meinem Einkaufszettel“, erwidert Ute. „Ich habe auch keine Lust noch einmal reinzugehen. Ehrlich gesagt bin ich froh endlich ohne die Maske wieder frei atmen zu können.“
„Nachher ärgern wir uns, weil sich das Garagentor nicht mit dem Drücker automatisch öffnen lässt“, überlegt Heinz. „Ich geh noch mal schnell rein. In fünf Minuten bin ich zurück, warte einfach im Auto so lange.“
„Halt!“, ruft Ute ihm nach. „Du musst deinen Mund-Nasen-Schutz anziehen.“
Heinz dreht sich um und nimmt die Maske, die Ute ihm durch das Autofenster reicht.
Im Supermarkt geht er zielstrebig zu dem Regal, in dem die unterschiedlichsten Batterien angeboten werden. Schnell wird er fündig und marschiert in Richtung Kasse. Da sieht er sie. Sie steht bei den Drogerieartikeln und nimmt gerade ein Duschgel aus dem Regal. Sie hat ihn nicht gesehen, da sie Heinz mit dem Rücken zugewandt ist.
„Das ist doch Birgit, unsere Nachbarin“, denkt er und marschiert auf sie zu. „Jetzt mache ich mir einen Spaß!“, regt sich der Schalk in ihm. „Ich werde sie mal ein bisschen erschrecken. Noch hat sie mich ja nicht gesehen. Mal sehen, wie sie reagiert. Eigentlich ist Birgit immer für ein Späßchen zu haben.“
Heinz schleicht sich von hinten an die Frau heran.
„Buhhh!“, ruft er aus.
Die Frau dreht sich zu ihm um und schaut ihn mit großen Augen an. Mehr kann Heinz auch gar nicht erkennen, denn auch die Frau trägt eine Maske. So stehen sich die beiden Maskierten gegenüber und blicken sich schweigend in die Augen. 
Hinter der Stirn von Heinz arbeitet es auf Hochtouren. Gedanken und Fragen durchzucken seinen Kopf. 
„Ist das Brigit? Ja, das ist sie. Oder etwa nicht?“
Plötzlich ist sich Heinz nicht mehr so sicher. Irgendwie sieht sie aus wie die Nachbarin. Die Größe stimmt, die Frisur ist die gleiche, die Haarfarbe ist ebenfalls braun mit Strähnen und der Kleidungsstil könnte auch passen. Oder sieht sie ihr nur ähnlich? Heinz ist total verunsichert. Die Frau spricht kein Wort. So stehen sie sich eine gefühlte Ewigkeit wort- und auch irgendwie ratlos gegenüber. Doch plötzlich sieht Heinz verdächtige Fältchen um die Augen der Frau.
„Sie lächelt!“, denkt er und ist irgendwie erleichtert. Er lächelt zurück, soweit dies mit der Mund- und Nasenbedeckung möglich ist. Danach dreht sich sein Gegenüber wortlos um und wendet sich erneut den Produkten im Regal zu. Auch Heinz geht ohne ein Wort seines Weges.
„Seltsam! Birgit ist doch sonst nicht so stumm“, überlegt er beim Verlassen des Supermarktes. „Sie lacht so gerne und auch laut.“
„Ich glaube, dein Rätsel hat sich soeben von selbst gelöst“, meint seine Frau Ute, als sie daheim ankommen. Im gegenüberliegenden Garten steht Birgit, die Nachbarin und hackt die Erde rund um die sich langsam aus der Erde reckenden Krokusse. Ohne Maske winkt sie fröhlich lachend zu Ute und Heinz herüber.

 

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10 Kommentare

  1. Platz Lore sagt

    Naja, das hätte auch anders ausgehen können, aber wenigstesn hatte die Unbekannte genauso viel Humor wie Birgit. LGLore

    • Astrid Berg sagt

      Manchmal glaube ich, dass die Menschen heutzutage weniger lachen, deshalb hast Du Recht. Sie hätte auch ganz anders reagieren können. Dabei ist Lachen und Lächeln sooo gesund.
      Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und bleib gesund.
      LG
      Astrid

  2. Lustig. So ist es leider derzeit überall. Ist er/sie es oder nicht? Muss man grüßen oder nicht? Ich weiß gar nicht wie ich reagiert hätte in dieser Situation. Lachen oder grimmig schauen?
    Liebe Grüße von Kerstin.

    • Astrid Berg sagt

      Schön, dass man trotz Pandemie und Maske noch lachen kann. Das ist soooo wichtig.
      Ich habe festgestellt, dass fremde Menschen sich beim Spaziergang grüßen, wenn sie mit Abstand aneinander vorbeigehen. Das war vor der Pandemie weniger der Fall.
      Ich hoffe, das bleibt auch, wenn irgendwann wieder ein normales Leben einkehrt.
      LG
      Astrid

  3. Als ich kürzlich in der Apotheke etwas besorgen musste, fragte mich die Apothekerin, die mich eigentlich gut kennt, wer ich bin. Ich hatte die Maske um und auch noch eine Sonnenbrille auf. Und dazu noch eine Mütze. An diese ungewollte Vermummung dachte ich gar nicht. Wir lachten darüber. 🙂
    So kanns gehen.
    Liebe Grüße
    Traudi

    • Astrid Berg sagt

      Ohja, das war wahrlich eine Vermummung 😉. Ich stelle mir die Situation gerade vor und muss schmunzeln, allerdings bin ich im Winter auch so ähnlich unterwegs gewesen. Aber ohne Brille.
      Ich denke dann immer: Alle anderen sehen mit der Maske auch nicht besser aus. Hauptsache sie schützt uns und wir bleiben alle gesund.
      LG
      Astrid

  4. Grins, liebe Astrid!
    Bei mir hätte es dem guten Heinz passieren können, dass er ein blaues Auge abkriegt oder einen Magenhaken, denn ich bin ziemlich reaktionsschnell, wenn jemand mich von hinten erschreckt. Da haben einstens ein paar aus meinem Freundeskreis recht dumm aus der Wäsche geschaut 😉
    Alles Liebe, Traude
    https://rostrose.blogspot.com/2021/02/zwei-ausfluge-und-ein-blumchenkleid.html
    PS: Weil du zu meinem letzten Post geschrieben hast „Vielleicht sind ja Ohrstöpsel gar keine so schlechte Idee“ – sind sie definitiv nicht. Seit ich diesen extra auf meine Ohrmuscheln angepassten Gehörschutz habe, schlafe ich zumeist wie ein Siebenschläfer 😉

    • Astrid Berg sagt

      Ohje, die Armen 😉. Also sollte man Dich niemals erschrecken und sich schon gar nicht von hinten anschleichen. Ich überlege gerade, wie ich reagiert hätte. Wahrscheinlich ähnlich wie die Frau in meiner Geschichte. Vielleicht hätte ich noch gefragt, ob wir uns kennen. Ansonsten hätte ich zugesehen, dass ich wegkomme 😀.
      Liebe Grüße und eine schöne Restwoche.
      Astrid

  5. Oh je,
    das ist ja noch gut ausgegangen, die Dame im Markt hätte auch anders reagieren können. (Die Masken machen alles ein wenig schwieriger, aber immerhin hat er ihr Lächeln sehen können).
    Liebe Grüße
    Regina

    • Astrid Berg sagt

      Ich glaube, die Unbekannte und vermeintliche Nachbarin hat die Situation richtig gedeutet. Wer weiß, vielleicht war sie sich ebenfalls nicht sicher, ob sie den Mann kennt.😉
      Ich wünsche Dir einen sonnigen Nachmittag.
      LG
      Astrid

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