Berta und Mathilda sind schon seit Jahrzehnten befreundet. Kennengelernt haben sie sich einst auf einer Geburtstagsfeier. Die beiden Frauen waren sich sofort sympathisch.
Damals wie heute geht ihnen der Gesprächsstoff nie aus.
Inzwischen sind Mathilda und Berta schon verwitwet. Da Bertas Haus zu groß für nur eine Person ist, zog Mathilda vor zwei Jahren kurzerhand zu ihr. So ist keiner allein, aber trotzdem hat jede von ihnen ihr eigenes Reich.
„Wollen wir uns wieder einmal ärgern?“, fragt Berta und hat ein Strahlen in den Augen.
„Von WIR ist hier wohl keine Rede!“, gibt Mathilda zurück. „Du ärgerst mich!“
„Ach komm, sei doch nicht so!“, beschwichtigt die eine Freundin die andere.
„Na gut, ich bin ja kein Spielverderber.“
Darauf hat Berta nur gewartet. Wie auf Kommando schnellt ihre rechte Hand hinter dem Rücken hervor. In dieser hält sie das altbewährte und allseits geliebte oder auch gehasste „Mensch-ärgere-Dich-nicht“-Spiel.
„Du grün und ich gelb?“, fragt sie.
Mathilda nickt und holt ihre Brille aus dem Etui, damit sie genau sehen kann, ob die Freundin schummelt.
„Ich fang an“, ruft Berta begeistert aus. „Ich habe das letzte Spiel gewonnen.“
„Leider nicht nur das letzte Spiel“, gibt Mathilda zu. „Ich habe das Gefühl, dass mit deinem Würfel etwas nicht stimmt. Ich habe noch nie jemand kennengelernt, der so viele Sechser würfelt wie du.“
„Du kannst ihn gerne haben. Ich nehme dann deinen Würfel.“
Hoffnungsvoll nimmt Mathilda den Würfel entgegen und begutachtet ihn durch ihre Brille ganz genau. Leider muss sie feststellen, dass es nichts Auffälliges an ihm gibt.
„Ich fang schon mal an zu würfeln“, sagt Berta und schon rollt der Würfel dreimal hintereinander über den Tisch.
„Ha!“, sagt Mathilda hoffnungsvoll, denn bisher war kein Sechster dabei. Bei ihr aber leider auch nicht. Doch schon bei der zweiten Würfelrunde hat Berta die ersehnten sechs Augen auf ihrem Würfel ganz oben liegen. Sie geht mit ihrem Spielmännchen an den Startpunkt und als sei dies nicht genug, kommt der zweite Sechster gleich hinterher. Dieser berechtigt sie wiederum zum nochmaligen Würfeln, was Berta allerdings nur eine Eins beschert.
„Och!“, gibt sie enttäuscht von sich.
„Du brauchst dich doch nicht zu beschweren, ich bin noch gar nicht am Start“, entgegnet die Freundin, die den Würfel ganz sachte aus der Hand gleiten lässt. Allerdings vergeblich. Doch noch hat sie zwei Versuche.
„Eigentlich kann ich noch keine Sechs gebrauchen“, denkt sie. „Das gelbe Spielmännchen steht kurz vor meinem Startpunkt. Es würde mich nur jagen. Lieber soll der Sechser erst kommen, wenn gelb vor mir ist. Dann wäre ich nämlich der Jäger.“
Leider gehorcht der Würfel nicht ihren Gedanken und Wünschen, denn der dritte Wurf berechtigt sie, sich an den Start zu begeben und danach einen Schritt voranzugehen.
„Oh nein! Jetzt bist du schon ganz dicht hinter mir und ich kann mich darauf gefasst machen, gleich wieder rauszufliegen.“
„Ach, Quatsch. Das würde ich dir doch nie antun“, meint Berta augenzwinkernd und würfelt eine Fünf.
Sie hat Wort gehalten und steht nun direkt vor Mathilda, die anscheinend von jetzt an Glück hat, denn im Nu ist sie mit allen Spielmännchen draußen.
„Heute gewinnst du!“, meint Berta und man hört ihre Frustration heraus.
„Das hab ich auch dringend nötig“, gibt ihr die Freundin zu verstehen und reibt sich im Geiste schon die Hände. Leider ist das Glück kein ständiger Begleiter und so wird sie schon in einer der nächsten Runden von ihrer Gegnerin herausgeworfen. Und als wäre das nicht genug, folgt der Herauswurf des nächsten Männchens kurz bevor sie es in Sicherheit bringen kann.
„Jetzt reicht es aber!“, beschwert sich Mathilda. „Von wegen, heute gewinne ich. Ich frage mich, wie du das machst?!“
„Gekonnt ist gekonnt!“, gibt ihr Berta lachend zu verstehen.
Langsam vergeht Mathilda die Lust, während die Freundin fröhlich vor sich hin würfelt und ihre Spielfiguren über das Brett sausen lässt.
„Eins, zwei, drei!“, zählt sie. „Und schon bist du weg!“
„Halt!“, ruft Mathilda aus.
„Was? Bist du etwa ein schlechter Verlierer?“
„Nein, das nicht. Aber dein Würfel zeigt nur zwei Augen, keine drei!“
„Ach!“, zuckt Berta mit den Schultern. „Da hab ich mich wohl verguckt!“
„Setz mal deine Brille auf!“, kontert Mathilda. „Auf dich muss man aufpassen. Kann es sein, dass du schummelst?“
„Ich nein! Das käme mir nie in den Sinn!“
„Das hoffe ich!“, gibt Mathilda ihrer Freundin zu verstehen, würfelt und zieht an deren Männchen vorbei.
Heute gibt es sozusagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Partie ist gerade so richtig spannend, als es plötzlich an der Haustür klingelt. Bertas Tochter Margit mit dem dreijährigen David ist für einen überraschenden Besuch vorbeigekommen.
„Lass alles stehen, wir spielen nachher weiter! Merk dir, dass du dran bist“, meint sie, als sie mit David auf dem Arm ins Wohnzimmer kommt. Dieser hat seinen Teddy dabei, den er in seiner Hand hält und ihn Mathilda, die noch immer vor dem unvollendeten Spiel sitzt, geben will. Er reicht ihr mit ausgestrecktem Arm den Teddy hinüber.
„Vorsicht!“, ruft Margit, als dem Jungen der Teddybär entgleitet.
„Hoppla!“, ruft David erschrocken, als der Teddy auf dem Tisch landet.
„Oh nein!“, rufen die beiden Freundinnen, als das Stofftier bei seiner Landung das Spiel zerstört.
„Wer hätte denn gewonnen?“, erkundigt sich Margit.
„Ich war so nah dran!“, antwortet Berta.
„Glaubst auch nur du! Ich hätte gewonnen!“, widerspricht Mathilda.
„Na sowas!“, sagt David. „Armer, armer Teddy!“
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liebe Astrid, deine so hübsch erzählte Geschichte erinnnert mich prompt dran dass all meine S p i el e – Monopuly, Mensch ärgere dich nicht, halma und diverse andere noch völlig ungenützt im Regal lieggen seitdem ich hier 2013 eingezogen bin.
Kannst du mir mal deine Freundin oder dich zum spielen herschicken….ich vermisse es so mich im Spiel ärgern zu können..lacht angel….
Während ich sehr gerne spiele, mag mein Mann gar keine Gesellschaftsspiele. Dafür spielt meine Mutter gerne, zumindest Mensch-ärgere-Dich- nicht. Sie freut sich dabei, während ich mich ärgere 😉.
Lachende Grüße von mir zu Dir.
Astrid
Good story post.
Thank you very much!