Kurzgeschichten
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Ich erzähl’ dir was dazu …

Wir sind unterwegs, um diverse Pflanzen und Accessoires für unseren Garten zu besorgen. 

„Schau mal“, sage ich zu meinem Mann, der gerade einen Rasenroboter begutachtet, „was ich gefunden habe.“

„Ein Zitronenbäumchen, – ja nimm es mit. Es wird aber eine Weile dauern, bis es groß ist und Früchte trägt.“

„Egal, irgendwann hängt eine Zitrone daran!“, freue ich mich schon jetzt.

Peter allerdings hat sich den technischen Daten des Rasenroboters zugewendet und meint nur beiläufig:

„Dazu kann ich dir was erzählen…, aber nicht jetzt. Erinnere mich daran!“

„Mache ich!“ Und damit ist die Sache verschoben und auch vergessen.

Erst am Nachmittag fällt mir wieder ein, dass mein Göttergatte mir noch etwas erzählen wollte, aber der Moment ist für eine Nachfrage ungeeignet, weil er gerade telefoniert.

„Ich werde gleich nach seinem Telefonat nachfragen!“, nehme ich mir vor. Allerdings klingelt es in diesem Moment an der Haustür und unsere Mieterin hat ein Problem mit ihrem Rollladengurt. Er ist nämlich gerissen. Zufälligerweise haben wir noch einen neuen Gurt da, den Peter, hilfsbereit wie er nun mal ist, auch sofort nach seinem Gespräch einbaut.

Tja, was soll ich sagen, was ihr euch nicht schon selber denken könnt?: Ich habe meine Frage nach der geheimnisvollen Erzählung vergessen.

Erst als wir kurz vor Mitternacht im Bett liegen, kommt die Erinnerung wieder zurück.

„Du wolltest mir doch noch etwas erzählen …“

„Was? Ich? Keine Ahnung! Frag mich morgen nochmal. Ich will jetzt schlafen, bin ziemlich müde…“

Und schon ist er im Reich der Träume, vermutlich beim Baumfällen, denn das Geräusch der „Säge“ dringt ganz deutlich an mein Ohr.

„Ist das gemein. Jetzt bin ich neugierig, was er mir unbedingt erzählen wollte und er vertröstet mich auf morgen. Wie soll ich jetzt einschlafen?“, frage ich mich und überlege hin und her, was er mir wohl sagen wollte. Aber das Grübeln nutzt nichts, weil ich einfach keinen Anhaltspunkt habe. 

„Vielleicht hat es was mit dem Bäumchen zu tun!? Aber was?“ Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Das Letzte, an das ich denke ist:

„Zitrone,…sauer,…sauer macht lustig,…….das hat meine Mutter früher immer gesagt.“ 

Dann gibt mein Gehirn auf, es ist zu müde, um weiter zu überlegen. Ich auch. Und so falle ich in einen tiefen traumlosen Schlaf.

Am nächsten Morgen beim Frühstück halte ich es nicht mehr aus. Meine Neugier zernagt mich.

„Jetzt rück‘ endlich mit der Sprache heraus“, fordere ich meinen Mann unumwunden auf.

„Was? Womit? – Ach, ja, du willst wissen, was ich dir schon gestern erzählen wollte. Warte mal, ich überlege …“

„Spann mich nicht auf die Folter!“

„Das würde ich doch nie tun!“, empört er sich mit grinsendem Gesicht. 

„Also gut: Das Zitronenbäumchen hat mich an etwas erinnert.“

„Das habe ich mir auch schon gedacht!“ 

So langsam bin ich der Verzweiflung nahe.

Mein Mann erbarmt sich meiner und spricht nun fließend und nicht mehr in Rätseln:

„In jungen Jahren waren meine Eltern mal im Urlaub. Keine Ahnung wo, aber irgendwo im Süden. Ich vermute im Mittelmeerraum. Sie lernten andere junge Leute kennen, mit denen sie sich gut verstanden. So trafen sie sich jeden Abend auf ein Gläschen Wein in einem gemütlichen Gartenlokal. Sie saßen immer um den selben Tisch, der unter einem Baum stand…“

„Lass mich raten, es war ein Zitronenbaum“, falle ich ihm ins Wort.

„Ja genau! Und an diesem Baum hing eine einzige Zitrone. Jeden Abend sahen sie nach, aber sie hing immer noch. Jeder einzelne von ihnen alberte herum, dass er diese Zitrone pflücken wollte. Aber keiner von ihnen tat es tatsächlich.“

„Und wenn sie nicht heruntergefallen ist, dann hängt sie noch heute…“, wollte ich dieser seltsamen Geschichte ein Ende setzen.

„Nicht ganz“, erzählt mein Peter weiter:

„Meine Eltern waren ein paar Tage wieder zu Hause, da lag eine Postkarte von den Urlaubsbekanntschaften im Briefkasten. “

„Was stand darauf?“

„Sie war an meinen Vater adressiert und begann mit den Worten:

‚Hallo lieber Zitronendieb!‘ “

„Echt?! Dein Vater hat die Zitrone ‚geklaut’?“

Mein Mann zuckt mit den Schultern.

„Fakt ist, dass am Abend der Abreise von meinen Eltern die Zitrone definitiv nicht mehr am Baum hing. Mein Vater hat nur immer gegrinst, wenn man ihn gefragt hat, ob er tatsächlich der Zitronendieb war. Das wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.“

„Ich glaube“, sage ich, „an diese Geschichte und deinen Vater als Zitronendieb, werde ich bestimmt denken, wenn die erste Zitrone an unserem Bäumchen hängt.

 

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4 Kommentare

  1. Liebe Astrid,
    ich wünsche dir, dass wirklich bald eine schöne Zitrone an deinem Bäumchen wächst!
    Nett, die Geschichte dazu, sowas wird man nie vergessen!
    Herzliche Grüße
    Regina

    • Astrid Berg sagt

      Es ist schon seltsam, dass ich erst nach 44 Jahren ( so lange gehen mein Mann und ich schon gemeinsame Wege) davon erfahren habe 😄. Es hat einfach der Schlüsselreiz gefehlt, um dieses Ereignis aus dem Gedächtnis zu locken.
      LG
      Astrid

  2. Karl-Heinz sagt

    Schön diese Geschichte mit dem Zitronenbaum. Wir wohnen zwar in einem warmen Klima und hatten heute nachmittags 40°C, aber wir haben keinen Zitronenbaum in unserem großen Garten.

    • Astrid Berg sagt

      Bisher sitzt er nur im Topf und steht auf unserer Terrasse. Ich muss mich noch kundig machen, wie es bei Minustemperaturen aussieht.
      LG
      Astrid

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