Kurzgeschichten
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Der Aufsatz

Eva muss Hausaufgaben machen. Sie soll einen Aufsatz schreiben, aber das Thema gefällt ihr gar nicht. Die Lehrerin hat den Schülern einfach nur das Wort „Zahlen“ an die Tafel geschrieben und gesagt, dass sie ihre Fantasie spielen lassen sollen. 

Jetzt sitzt Eva schon eine ganze Weile vor ihrer leeren Seite. Nichts, aber auch gar nichts will ihr einfallen, da kann sie sich ihr Gehirn noch so sehr zermartern. Doch plötzlich horcht sie auf, denn jemand betritt ihr Zimmer.

„Ach Opa, du bist es“, sagt sie fast schon ein wenig erleichtert. „Gut, dass du kommst. Bestimmt kannst du mir helfen.“

„Um was geht es denn?“, erkundigt sich Opa Waldemar. „Hast du Probleme bei den Hausaufgaben?“

„Das kann man wohl sagen. Wir sollen einen Aufsatz schreiben, irgendetwas mit Zahlen.“

„Bei den Mathehausaufgaben könnte ich dir helfen, aber im Aufsatzschreiben war ich in der Schule nicht gerade eine Leuchte.“

Enttäuscht sieht Eva ihren Großvater an, doch bei seinem nächsten Satz beginnt sie zu strahlen.

„Ich würde vorschlagen, wir machen einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft. Dann wird der Kopf frei und du kannst hinterher besser denken.“

Eva und Opa Waldemar gehen in den nahegelegenen Stadtpark. Auf der Parkbank unter der großen Linde sitzt ein Mann, den Opa kennt und mit dem er ins Gespräch kommt. Eva steht dabei und hört zunächst ein wenig gelangweilt zu. Allerdings je besser sie hinhört, umso interessanter wird die Sache auch für sie.

„Ich musste jetzt unbedingt mal Zuhause raus und einfach nur alle Viere von mir strecken. Bei uns ist mir im Moment zu viel Trubel. Du weißt doch, dass meine Tochter und ihr Mann für ein paar Wochen bei uns zu Besuch sind.“

„Das ist schön!“, meint Opa Waldemar.

„Ja, vom Prinzip schon, aber es dreht sich immer nur um ein Thema. Die Schwangerschaft unserer Tochter ist Gesprächsthema Nummer eins.“

„Schön!“, sagt Evas Großvater wieder, aber zu mehr Worten bleibt ihm keine Zeit, denn sein Gesprächspartner redet nahezu ohne Luft zu holen weiter.

„Die Beiden erwarten Zwillinge. Der Arzt meinte sogar, dass alle guten Dinge drei wären und er könne noch nicht mit Gewissheit sagen, ob sich vielleicht doch noch ein drittes Baby hinter den zwei anderen versteckt hält. Das könne erst der nächste Ultraschall eindeutig klären.“

„Toll! Drillinge!“, entfährt es Eva.

„Das sagen meine Frau und der Rest der Familie auch“, erklärt Opas Bekannter. „Sie sind alle total aus dem Häuschen und mir kommt es so vor, als hätte keiner von ihnen noch seine fünf Sinne beieinander. Sie führen sich auf, als hätten sie einen Sechser im Lotto und scheinen alle auf Wolke sieben zu schweben.“

„Da solltest du dich jetzt mal schnell auf dein Fahrrad schwingen, das übrigens einen Achter im Vorderrad hat und schon mal eine Babypuppe kaufen, um dich im Windelwechseln zu üben.“

„Ach du grüne Neune!“, entfährt es Opas Bekanntem. „Dazu kriegen mich keine zehn Pferde!“
Seltsamerweise radelt er nun allerdings recht flott in Richtung Kaufhaus.

Opa Waldemar kommt heute jedoch aus dem Staunen nicht heraus, denn Eva erklärt ihm:
„Ich muss jetzt auch ganz schnell nach Hause! Mir schwirrt nämlich der Kopf voller Zahlen!“

 

 

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3 Kommentare

  1. So einfach ist es manchmal! Eine Idee, ein Wort, eine Geste reichen, um auf Gedanken zu kommen.
    Ich strecke gleich alle viere von mir, mache Feierabend 🙂
    Liebe Grüße von Kerstin.

  2. Liebe Astrid,
    herrlich, dieser Aufsatz, der so mitten ins Leben greift. Es ist ja wirklich erstaunlich, dass uns eigentlich ununterbrochen Zahlen umschwirren.
    Hab einen feinen Valentinstag,
    herzlichst moni

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