Für Kinder, Kurzgeschichten
Kommentare 6

Beim Spaziergang

Ich bin Klein-Astrid und liege in meinem Kinderwagen, wo es so richtig gemütlich und kuschelig ist. Meine Mama rückt die Decke zurecht, denn das kann ich noch nicht. Dafür bin ich noch zu klein und auch zu schwach. 

„So“, sagt meine Mama während sie mich zudeckt. „Jetzt hast du es schön warm unter deiner Decke.“ 
Ich verstehe zwar noch nicht, was sie mir so alles erzählt, aber ich kenne ihre Stimme. Sie ist beruhigend und ich weiß, dass es meine Mama gut mit mir meint.
Jetzt geht meine Mama mit mir spazieren. Das gefällt mir, denn es schaukelt so schön hin und her. Dann dauert es auch gar nicht lange und ich bin eingeschlafen. Tief und fest und ganz ruhig schlafe ich, denn in meinem Kinderwagen und mit Mama in meiner Nähe fühle ich mich sicher.  Überhaupt schlafe ich viel, gern, oft, mal kurz und mal lang.  Immer mal wieder übermannt mich der Schlaf. Wenn ich aufwache, bin ich hungrig, meine Windel ist voll oder ich habe Bauchweh. Aber inzwischen beobachte ich auch meine Umwelt, die Menschen, die in meinen Kinderwagen oder mein Bettchen hineinschauen und auch das Vögelchen, das mir Mama zum Spielen hingehängt hat. Das alles strengt mich so an, dass ich immer wieder schlafen muss. Ich bin zwar inzwischen schon ein bisschen größer und meine Wachphasen werden auch länger als noch vor ein paar Monaten, aber ich muss viel verarbeiten. Ich kann auch schon lächeln und manchmal ziehe ich Grimassen.
Aber nun ich bin ganz vom Thema abgeschweift, eigentlich will ich Euch was ganz anderes erzählen:
Meine Mama geht wie gesagt mit mir spazieren. Als ich aufwache nimmt sie mich aus dem Kinderwagen und hält mich ein bisschen auf dem Arm. Das ist schön.
„Hast du gut geschlafen?“, fragt sie mich. Sie spricht mit mir und die Sonne kitzelt mich ein wenig an der Nase. Das gefällt mir.
Doch plötzlich merke ich, dass Mama und ich nicht alleine sind. Da ist noch jemand. Ich bin mir nicht sicher, ob ich denjenigen auch kenne. Die Stimme kommt mir bekannt vor. Irgendwie hört es sich an als sei es die Stimme meines Papas. Aber mein Papa sieht doch anders aus. Und jetzt legt mich Mama diesem Mann mit Papas Stimme  in den Arm. 
Hier stimmt doch etwas nicht. Das ist mir jetzt aber nicht ganz geheuer. Deshalb verziehe ich das Gesicht. Hoffentlich merkt Mama, dass ich hier weg will.
„Oh, oh!“, sagt sie. „Ich glaube, Klein-Astrid fängt gleich an zu weinen!“
Sie nimmt mich wieder und wiegt mich hin und her, während sie beruhigend auf mich einspricht. 
Ja, Mama hat mich verstanden und deshalb muss ich jetzt auch nicht mehr weinen. Dankbar lächele ich sie an.
„Was hat sie nur?“, fragt Papas Stimme.
„Ich habe da so einen Verdacht“, meint Mama. „Wahrscheinlich erkennt sie dich nicht!“
„Wieso? Ich habe mich doch innerhalb der letzten halben Stunde nicht verändert. Zu Hause war das auch noch nicht. Überhaupt war das noch nie so“, sagt Papas Stimme und ich merke Traurigkeit darin. Fast klingt die Stimme auch noch ein wenig beleidigt.
„Doch“, erklärt Mama, „du hast dich schon verändert!“
„Das stimmt doch gar nicht!“, protestiert Papas Stimme.
„Doch, doch!“, sagt Mama und nimmt dem Unbekannten etwas weg, das sie einfach neben sich auf die Bank legt. Danach reicht sie mich wieder an den Unbekannten mit Papas Stimme. Ja und da erkenne ich ihn: Es ist mein Papa!!!
„Schau nur!“, sagt Mama freudestrahlend. „Sie hat dich vorhin nur nicht erkannt, weil du einen Hut auf dem Kopf hattest.“
„So, so, du magst also meinen neuen Hut nicht. Dann setze ich ihn einfach nicht mehr auf!“, beschließt Papa, lächelt mich an und gibt mir einen Kuss.
Ich lächele zurück und gluckse vor Freude. Bei Papa und Mama ist es doch am Schönsten.

 

Vielleicht möchtet Ihr auch das noch lesen:

Astrid, Opa und das Eis

Klein Astrid und der Osterhase

„Hat Astrid denn kein Schmuckkästchen?“

 

6 Kommentare

  1. Eine niedliche Episode. Und genau so geht es gerade meiner kleinen Enkelin. Hat man die Sonnenbrille auf, so schaut sie ängstlich. Gesichter müssen erkannt und abgespeichert werden, das muss alles erst gelernt werden.
    Liebe Grüße von Kerstin.

    • Astrid Berg sagt

      Stimmt, liebe Kerstin, aber süß ist es schon, wenn sie nach dem Absetzen der Brille, des Hutes… plötzlich zu strahlen beginnen 😀.
      Ich wünsche Dir und Deiner Familie ein schönen Osterfest, auch wenn es dieses Jahr Zuhause stattfinden muss.
      Bleibt alle gesund!
      LG
      Astrid

  2. eine schöne Geschichte
    und die schönen alten Bilder dazu ..
    ja .. das ist verständlich wenn ein Baby „fremdelt“ wenn der Papa plötzlich irgendwie anders aussieht 😉

    pass gut auf dich auf

    Rosi

    • Astrid Berg sagt

      Dazu kam noch die Tatsache, dass mein Vater in einer anderen Stadt arbeitete und damals das tägliche Pendeln noch nicht so angesagt war. Somit sah ich ihn nur an den Wochenenden. Und dann plötzlich auch noch mit Hut…
      LG
      Astrid

  3. Liebe Astrid,
    was für eine liebevoll erzählte Geschichte. Man muss sofort schmunzeln, denn wir wissen ja, dass zum Beispiel eine Brille die lieben Kleinen ganz schön durcheinander bringen können. Feine Fotos hast Du aus der Kindheit.
    Liebe Grüße und hab es fein,
    herzlichst moni

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Moni,
      diese Geschichte hat tatsächlich ihren Ursprung in meinem Leben. Meine Mutter hat mir oft erzählt, dass ich meinen Vater sehr skeptisch angeschaut habe, als er mich auf dem Arm hatte und einen Hut trug. Ich soll mich zurückgebeugt haben und ihn erst erkannt haben, als er diesen absetzte.
      Komm gut durch diese unschöne Zeit und sei herzlich gegrüßt.
      Astrid

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert