Als ich neulich meiner Mutter erzählte, dass wir mit Freunden auf einem Oktoberfest gewesen waren, zeigte sie mir ein wunderschönes kleines Dirndl. Es war mein Dirndl, das ich als Kleinkind getragen hatte. Auf einmal begann ich mein Gedächtnis nach Kindheitserinnerungen zu durchforsten. Und das ist dabei herausgekommen:
Kein Kind mag das Haarewaschen besonders gern, aber heutzutage ist es nur halb so schlimm wie früher. Schon allein die Tatsache, das Wasser über den Kopf laufen zu lassen, ist nicht jedermanns Sache. Außerdem kann es zu dem unerwünschten Nebeneffekt kommen, dass Shampoo in die Augen gerät. Als ich noch ein kleines Kind war, hatte ich sehr lange Haare und somit war auch noch das Auskämmen nach dem Waschen eine Qual. Spülungen, die die Haare leichter kämmbar machten, gab es damals noch nicht. Es ziepte und zog an den Haaren. Ich schrie aus Leibeskräften: „Hilfe, Hilfe!“ Meine liebevolle Mutter war zwar sehr vorsichtig und versuchte mich auch zu beruhigen, aber leider vergeblich. Das hatte zur Folge, dass unsere damalige Vermieterin an der Wohnungstür klopfte:
„Was machen Sie denn mit Ihrem Kind?“ fragte sie meine Mutter.
„Ach“, meinte diese, „kommen Sie ruhig herein! Ich wasche meiner Tochter nur die Haare und das kann sie nicht leiden!“ Die Vermieterin sah mich mit meinen nassen und verzausten Haaren und lächelte:
„Ja, ja das zieht ganz schön! Aber da bin ich beruhigt, dass alles in Ordnung ist!“
Ich kann mich noch genau erinnern als mein Grundschullehrer uns Zweitklässler fragte:
“Na, was habt ihr in den Sommerferien denn so gemacht? Erzählt doch mal!“ Sofort schnellte mein Finger in die Höhe, denn auch ich wollte von meinen Ferienerlebnissen erzählen. Irgendwann war es dann auch soweit, mein Lehrer forderte mich auf: „So, Astrid dann erzähle mal!“
„Wir sind nach Rottach – Egern gefahren, das ist 600 Kilometer entfernt und liegt in der Nähe von München.“
Vor inzwischen mehr als 40 Jahren war dies nahezu eine Weltreise und es würde mich nicht wundern, wenn ich eines der wenigen Kinder war, die damals schon so weit weg gereist waren.
Interessiert fragte mein Lehrer auch weiter: „Was habt ihr denn dort gemacht?“
„Wir haben dort die Tante meines Vaters und seine Oma besucht. Das ist nämlich meine Omaur“, berichtete ich stolz.
„Astrid, das heißt ‚Uroma‘“, berichtigte mich der Lehrer.
„Nein“, erklärte ich ihm inbrünstig, „das ist meine Omaur!“
Das war sie und das bleib sie für mich zeitlebens. Auch wenn ich heute an meine Urgroßmutter zurückdenke, die mit ihren fast neunzig Jahren noch mit mir Federball gespielt hat, dann denke ich liebevoll an meine „Omaur“.
„Nein, ich esse meine Suppe nicht!“
Diesen Satz des Suppenkaspers kennt wohl jeder aus dem Struwwelpeter. Ich war auch so ein kleiner Suppenkasper, denn ich kann mich genauestens erinnern, wenn meine Mutter ihre Lieblingssuppe auftischte. „Die schmeckt echt lecker!“, versuchte sie mir die Gemüsesuppe im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft zu machen. Ich versuchte auch artig meinen ohnehin nur halb vollen Teller zu leeren, was allerdings für mich unmöglich war. Ich konnte alle Zutaten in dieser Suppe sehen und genau dies ließ sich meinen Magen schon beim Anblick derselben umdrehen. Meine Mutter befürchtete schon, dass ich die drei oder vier mühsam und mit geschlossenen Augen in mich hinein beförderten halb gefüllten Löffel wieder von mir geben würde. Sie war meist auch mit ihren Überredungskünsten am Ende und kochte mir einen Grießbrei. Dann allerdings kam sie auf einen anderen Trick: Sie pürierte einfach die Zutaten und machte daraus eine Cremesuppe und siehe da, Klein-Astrid aß ohne zu murren ihren ganzen Teller Suppe auf und es schmeckte sogar. Bis zum heutigen Tag gibt es bei uns nur pürierte Suppen, denn auch unser Sohn ist ein solcher Suppenkasper.
Den Reim vom Teddybär beim Seilspringen kennt bestimmt noch jeder, denn eigentlich wird er von Generation zu Generation mündlich überliefert:
„Teddybär, Teddybär dreh dich um!
Teddybär, Teddybär mach dich krumm!
Teddybär, Teddybär heb ein Bein….“
Ich kann mich noch gut erinnern, wenn wir Kinder uns in unserer Straße zum Spielen trafen. Wir waren mehr als zehn Kinder im gleichen oder ähnlichen Alter und im Grundschulalter gingen wir nicht nur in die gleiche Schule, nein, zum Teil auch in die selbe Klasse. Damals fuhren kaum Autos durch unsere Straße, die in einem Neubaugebiet lag und außerdem noch eine Sackgasse mit Wendehammer war. Genau dieser Wendehammer bot uns ausreichend Platz für unsere Gummitwist-, Federball-, Versteck- und Seilspringspiele. Besonders, wenn es an Sommerabenden lange hell war oder auch, wenn es schon leicht dämmrig wurde, dann spielten wir Versteck im Dunkeln oder ließen unseren Federball über die über die Straße gespannte Beleuchtung fliegen.
Haarige Geschichten kann ich außer der obigen noch mehrere erzählen. In den sechziger Jahren, zu deren Beginn ich geboren wurde, trugen die Mädchen ihre langen Haare selten offen. So hatte ich anfangs lange Zöpfe, einen dicken Zopf, einen Knoten auf dem Kopf oder einen Knoten am Hinterkopf, aus dem ein Pferdeschwanz herausfiel. Diese letzte Frisur entstammte dem Film „Bezaubernde Jeannie“ mit Barbara Eden und Larry Hagman. Sah auch wirklich bezaubernd bei mir aus, aber der Nachteil war, dass sich diese Frisur durch das Hüpfen beim Gummitwist regelmäßig auflöste. So saß ich dann oftmals im Schulunterricht mit offenen Haaren. Man wird es nicht glauben, aber ich schämte mich dann richtig und traute mich nicht nach vorne zu schauen. Wenn ich mich auf Fotos mit den bis zum Po reichenden offenen Haaren sehe, dann kann ich jetzt jedoch nur staunen. Sah einfach toll aus und ich kann selbst nicht verstehen, warum ich mich dessen geschämt habe. Immer wenn sich meine Mutter ihre Haare beim Frisör schneiden und frisieren ließ, fragte man mich aus Spaß, ob sie denn meine Zöpfe auch abschneiden sollten. Ich verneinte dies immer, bis zu dem Tag an dem ich ja sagte und alle versuchten mich umzustimmen. Trotzdem wagte ich diesen entscheidenden Schritt und die Zöpfe kamen ab. Ich erzählte allen, ich würde mir später davon einmal ein Haarteil machen lassen. Bis heute liegen diese beiden Zöpfe eingewickelt in Zeitungspapier in einer Schublade bei meiner Mutter. Sie haben all die Jahrzehnte unbeschadet überstanden und sehen aus, als hätte man sie mir gestern erst abgeschnitten.
Eine Freundin von der Post hatte ich auch. Damals gab es noch ein Postamt und der Chef der ansässigen Post wohnte mit seiner Familie direkt über dem Postamt. Er war der Vater meiner Freundin und zugleich der Bruder meines Grundschullehrers. Wir waren richtig dicke Freundinnen und besuchten uns mehrmals in der Woche nach der Schule zum Spielen. Eines Tages ging meine Freundin gleich mit mir nach Hause ( wir wohnten an entgegengesetzten Enden der Stadt ). Auf die Nachfrage meiner Mutter, ob denn ihre Eltern Bescheid wüssten, antwortete sie nur, es sei schon in Ordnung. Damals hatten wir noch kein Telefon, also konnte meine Mutter auch die Eltern meiner Freundin nicht informieren. Doch dieses Problem sollte sich lösen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was wir spielten, aber ich weiß noch genau, dass es Rahmspinat zum Mittagessen gab. Wir saßen gerade beim Essen, als es vor unserem Haus hupte. Vor der Tür stand ein Postauto: „Ist denn die Anne da?“, fragte der Briefträger. „Ihre Eltern haben sich schon gedacht, dass sie bei Astrid ist!“
Ich war vielleicht zwei oder drei Jahre, als meine Eltern wieder einmal mit mir nach Rottach – Egern zu meiner Omaur (Uroma) fuhren. Ob ich mich selbst noch an diese Geschichte erinnern kann oder nur, weil man sie mir immer wieder erzählt hat, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Auf jeden Fall ging die Tante meines Vaters mit mir zu einem Bauern. Sie wollte mir eine Freude machen und so holten wir dort frische Milch, die wir in der Milchkanne transportierten. In der Küche setzte ich mich dann an den Tisch und die Tante stellte mir ein Glas Milch hin.
„So Astrid, trink mal schön, die ist ganz frisch und lecker!“
Ich sah sie mit großen Augen an. Zu Hause hatten wir auch eine Milchkanne und damit holten wir immer unsere Milch von Herrn und Frau Bickert, die in der Stadt umherfuhren und von einem Auto aus Milch, Eier, Butter, Käse usw. verkauften. Sie selbst hatten diese aus der Molkerei unserer Stadt geholt, die von den ortsansässigen Bauern beliefert wurde. Und so schaute Klein – Astrid jetzt von dem Glas Milch zu der Tante und meinte ganz ernst:
„Nein, ich trinke keine Kuhmilch, – ich trinke nur Bickertsmilch!“
Tegernsee und Rottach – Egern sind für mich mit sehr schönen Erinnerungen verbunden. Zum einen, weil ich dort alljährlich mit meinen Eltern meine Omaur besuchte und zum anderen, weil ich dort auch Freunde gefunden hatte. Die Nachbarin der Tante bekam nämlich in den Ferien ebenfalls Besuch von ihrer Nichte und ihrem Neffen. Wir spielten dann immer zusammen und hatten sehr viel Spaß. Wir wateten mit den Füßen durch das eiskalte Bergwasser der Weißach, spazierten durch die Heide oder schwammen im Strandbad des Tegernsee. Während wir beiden Mädchen in einem Alter waren, gehörte der Neffe einer jüngeren Altersgruppe an. Er lernte erst noch das Schwimmen und Tauchen. Jetzt sollte man meinen, dass er dies im Strandbad geübt hätte, was für das Schwimmen auch zutraf, aber nicht für das Tauchen. Das übte er fleißig bei seiner Tante auf dem Grundstück in einem Regenfass.
Schokolade und Kaugummi lieben alle Kinder. Auch hieran habe ich eine Kindheitserinnerung. Da ich aus Hessen komme, also aus den alten Bundesländern, waren bei uns die Amerikaner als Alliierte stationiert. Immer wenn diese Manöver hatten und mit den Panzern und ihren Jeeps durch die Gegend fuhren, standen wir Kinder am Straßenrand und riefen: „Chewinggum, Chewinggum!“
Die Amerikaner strahlten uns dann an und warfen uns tatsächlich Kaugummi und Schokolade von ihren Fahrzeugen herunter. Das war für uns Kinder immer ein tolles Erlebnis.
Erinnern kann ich mich noch ganz genau an Fahrten mit einem ganz besonderen Auto, das heute ein seltener, aber toller Oldtimer ist. Dieses Gefährt besaßen unsere damaligen Vermieter, ein älteres Ehepaar. Wir wohnten zu dieser Zeit am Rande der Kleinstadt Schotten und so fuhren die Beiden immer mit ihrem Auto zum Einkaufen in die Stadt. Wenn sie zurückkamen, liefen wir Kinder ihnen entgegen, um die letzten Meter mitgenommen werden zu können. Leider konnte sich dieser Wunsch immer nur für einen, höchstens zwei von uns erfüllen, denn normalerweise passen in eine Isetta ( das laut Lexikon übrigens ein Rollermobil von BMW ist und als Gefährt zwischen Motorrad und Automobil eingeordnet wird ) nur zwei Personen, Fahrer und Beifahrer. So wurde die vordere und einzige Flügeltür geöffnet und man ließ mich auf den Schoss des Fahrers. Ob zu diesem Zeitpunkt noch ein weiteres Kind auf dem Schoss der Beifahrerin saß, entzieht sich meiner Erinnerung.
Regelmäßig hielten wir an der gleichen Stelle, an der wir auf die Amerikaner mit ihren Panzern und auf die Vermieter mit ihrer Isetta warteten, auch noch ein anderes Auto an. Hierbei handelte es sich um das Postauto und zwar um einen Transporter. Auch hier ließ man uns freudig zusteigen und wir durften die letzten paar Meter mitfahren. Wir waren sozusagen schon in zartem Kindesalter Tramper.
Man muss dazu sagen, dass mich rückblickend meine Kindheit ein bisschen an Astrid Lindgrens Bullerbü erinnert, denn auch wir Kinder waren eine eingeschworene Gemeinschaft, wohl behütet, bei Postboten, Milchmann und Milchfrau etc. bekannt und verbrachten viel Zeit in der freien Natur. Eine Kindheit, die man nur jedem Kind wünschen kann.
Interessant fand ich auch immer die Fahrten mit meinem Vater. Manchmal nahm er mich sonntags im Auto mit, während meine Mutter zu Hause das Mittagessen vorbereitete. Dann hatte ich als Kind meinen Vater für ein oder zwei Stunden für mich ganz allein. Er war es auch, bei dem ich meine ersten Lenk- und Fahrversuche auf abgelegenen Feldwegen machen durfte. Wir redeten bei unseren kurzen Sonntagsausflügen über dies und das. Ich weiß nicht mehr, worüber wir redeten, aber es ist mir in sehr schöner und harmonischer Erinnerung geblieben. Leider habe ich nicht mehr die Gelegenheit dies meinem Vater zu sagen, denn er ist jetzt schon seit mehr als dreißig Jahren tot und hat zwar noch Peter kennengelernt und auch unsere Verlobung mitgefeiert, aber unsere Heirat und die Geburt unseres Sohnes Timo nicht mehr miterlebt.
Neulich fing mein Mann plötzlich an zu husten. „Ist bei dir eine Erkältung im Anmarsch“, fragte ich ihn. Er konnte mich jedoch beruhigen, denn er hatte sich nur sozusagen an seiner eigenen Spucke verschluckt. Trotzdem fiel mir etwas aus meiner Kindheit ein:
Ich denke, damals war ich ungefähr vier Jahre ( ich sollte nochmals bei meiner Mutter das genaue Alter erfragen). Ebenso wie in Bullerbü steckten wir Kinder immer zusammen und damit steckten wir uns auch gegenseitig mit Kinderkrankheiten an. Eine meiner kleinen Spielkameradinnen hatte ihren Cousin besucht und hatte sich bei ihm mit Keuchhusten angesteckt. Das brachte sie uns anderen dann gewissermaßen als Geschenk mit. So husteten und spuckten wir alle, was zur Folge hatte, dass niemand alleine war. Wir konnten alle getrost weiter miteinander spielen.
Die Impfung gegen Keuchhusten gab es anscheinend damals noch nicht oder war noch nicht so verbreitet und als Timo geboren wurde, war sie noch etwas umstritten, soweit ich mich erinnere. Auch er machte den Keuchhusten durch. Das bewirkte dann allerdings, dass auch mein Mann einen seltsamen Husten etc. bekam, der jedoch laut Untersuchungen und Labortests kein Keuchhusten gewesen sein sollte. Es wunderte uns nur, dass im Endeffekt die halbe Firma, in der Peter damals arbeitete, ebenfalls von dieser Huster- und Spuckerei befallen war.
Noch immer existieren meine beiden Lieblingspuppen, ich glaube sie liegen auf dem Dachboden meiner Mutter. Die eine hieß Moni und hatte dunkle lockige Haare und die andere war eine Lauf- und Sprechpuppe mit langen braunen geraden Haaren. Sie war eigenhändig von mir über dem Waschbecken auf den Namen Rita getauft worden. Wenn ich sie auf den Boden stellte, sie wie ein kleines Kind an ihrer linken Hand hielt und ihren Arm leicht nach oben und unten bewegte, machte sie kleine Schritte und lief somit neben mir her. Zwischen ihren Schulterblättern konnte man eine Schnur herausziehen und beim Zurückziehen sprach sie Sätze wie:
„Ich hab dich lieb, Mama!“
Eines Tages jedoch zog sich der Faden nicht mehr zurück und Rita sprach kein Wort mehr. Ich war tieftraurig und weinte. Immer wieder fragte ich:
„Wann kommt Papa nach Hause? Er muss mir meine Puppe wieder reparieren.“
Mein Papa konnte nämlich alles wieder reparieren und „Geht nicht, – gibt’s nicht!“ war sein Leitspruch. Doch dieses Mal schienen seine Künste zu versagen, er konnte machen, was er wollte, aber das Schnürchen zog sich nicht zurück und Rita blieb stumm. Auch mein Bitten und Betteln half nichts. Meine Eltern waren angesichts meiner Trauer selbst schon geknickt, da legte mein Vater die Puppe auf den Rücken. Und siehe da! Das Wunder geschah und Rita sagte:
„Ich bin sooo müde!“
Jeder kann sich jetzt sicherlich das Strahlen im Gesicht der kleinen Astrid vorstellen!
Eigentlich kann ich mich nur noch an meinen Opa väterlicherseits erinnern. Meine Omi, also die Mutter meines Vaters, starb als ich gerade einmal zwei Jahre alt war. Meine Erinnerungen an sie stammen von Fotografien und Erzählungen. Die Eltern meiner Mutter habe ich leider nie kennengelernt, da sie lange vor meiner Geburt schon verstarben.
Meinen Opa hatte ich sehr gerne und ich freute mich auch, wenn ich manchmal das Wochenende bei ihm verbringen durfte. Bei uns in der Stadt gab es damals ein kleines Café, in dem man auch Eis kaufen konnte. Ich glaube es hieß Café Rennstrecke. Immer wenn mein Opa dort einen Kaffee trank, bekam ich ein Eis. Ich dachte jedenfalls es sei ein Eis, da man mir das so erzählte, doch eigentlich war es Sahne. Aber eines Tages schickte mich mein Opa alleine ins Cafe hinein und er wartete draußen. Ich bestellte mir ein Eis in der Waffel und bekam auch ein Eis, aber es sah anders aus als sonst. Logisch! Später am Abend war es mir ganz schlecht, ich hatte Bauchschmerzen und spuckte. „Das kommt von dem komischen Eis!“, erklärte ich und aß fortan kein Eis mehr. Viele, viele Jahre vergingen quasi eislos und ich war schon in der Grundschule als ich es doch eines Tages mit einem Schokoladeneis versuchte. Es schmeckte mir und es blieb auch bei mir. Somit wurde Schokoladeneis bis zum heutigen Tage zu meinem Lieblingseis.
Richtig Spaß hat mir anscheinend das Ostereiersuchen im Kleinkindalter gemacht. Eigentlich weiß ich die Geschichte aus Erzählungen meiner Mutter. Demzufolge waren wir Kinder eingeladen im Garten eines Nachbarn nach Ostereiern zu suchen. Also nahm ich mein Körbchen und marschierte mit den anderen mit. Irgendwie scheine ich eine Art siebten Sinn gehabt zu haben, denn ich ging einfach nur von einem Nest zum anderen. Ich fand eigentlich alle versteckten Ostereier. Die anderen wären leer ausgegangen, hätten die Nachbarn nicht unauffällig für Nachschub gesorgt, damit die anderen Kinder auch noch ein paar Ostereier in ihre Körbchen legen konnten. Zum Schluss hatte ich ungefähr 30 bunte Eier gefunden und mir mussten die Erwachsenen helfen alles nach Hause zu tragen.
„Und wollen wir mit den Rollschuhen fahren?“, fragte mich eine Schulkameradin. Ich liebte es und konnte es auch ziemlich gut, nicht so wie mein Mann, der es anscheinend nie gelernt hat. Und auch Timo tat sich mit den vier Rollen unter jedem Fuß etwas schwer als Kind, Inlineskaten stellte für ihn allerdings kein Problem dar.
Doch zurück zu meiner Kindheit: Besagte Freundin stürzte an diesem Nachmittag. Sie lag auf dem Bauch und gab glucksende Laute von sich. Wir anderen standen um sie herum und lachten, denn wir deuteten diese Laute als Lachen. Doch schon bald merkten wir, dass es sich um Weinen handelte, das auch nach gutem Zureden nicht versiegte. Kurzum, sie hatte sich beide Arme gebrochen. Mir klingt noch heute dieses Weinen in den Ohren.
Noch eine Erinnerung habe ich an meinen Opa. Immer wenn wir das Haus verließen und in die Stadt gingen, setzte er seinen Hut auf. Begegneten wir auf unserem Weg Bekannten, so lüftete er seinen Hut und machte einen Diener. Dies war allerdings zu den damaligen Zeiten üblich. Eigentlich eine schöne Geste, doch heute längst überholt. Übrigens: Ich habe als kleines Mädchen auch gelernt einen Knicks zu machen, den ich noch heute einwandfrei beherrsche. Ob ich dabei jedoch in königlichen Kreisen bestehen könnte, bezweifele ich allerdings. Ich denke hierbei müsste ich doch noch ein wenig üben.
Gerüche können Erinnerungen hervorrufen. Dies ist eigentlich allbekannt und das habe ich auch am eigenen Leibe schon erfahren. Als ich mit meiner Familie vor fast zwei Jahrzehnten vom Westen in den Osten Deutschlands zog, erreichte meine Nase gar mancher „Duft“, der mich an meine Kindheit erinnerte. So zum Beispiel der Geruch von Rauch, der aus manchen Schornsteinen in den Himmel zog, weil die Bewohner des Hauses mit Holz und Kohle heizten. Oder der Geruch in dem alten Schulgebäude, das unser Sohn in den ersten Jahren seiner Schulzeit besuchte, war genau der Geruch des Schulgebäudes meiner Schulzeit. Zumindest meinte ich regelrecht meine Kindheit zu riechen.
Ein anderer Geruch wurde von meiner Mutter immer hochgepriesen. Wer jetzt denkt, dass ich hier von der Weihnachtsbäckerei schreibe, irrt sich gewaltig. Nein, die Rede ist von einem sogenannten Duft der Natur. Jedes Mal wenn wir durch eines der Dörfer fuhren, die rund um unsere Kleinstadt angesiedelt waren, meinte meine Mutter:
„Tief durchatmen! Das ist gute Landluft! Die ist gesund!“
Ich für meinen Teil konnte nichts Gutes daran finden. Ich fand einfach nur, dass diese Misthaufen ekelig stanken.
Noch Jahre bevor ich in die Schule kommen sollte, war ich auf einem Kindergeburtstag eingeladen. Der Onkel des Geburtstagskindes war auch anwesend. Als ich bei ihm saß und er sich mit mir unterhielt, fragte er mich, was ich einmal werden wolle:
„Ich will einmal Lehrerin werden!“, verkündete ich stolz. Von diesem Zeitpunkt an stand mein Berufsziel fest. Aber nicht nur, dass ich tatsächlich Grundschullehrerin geworden bin, sondern auch, dass ich damals auf den Knien meines zukünftigen Grundschullehrers gesessen hatte, wird mir immer in Erinnerung bleiben.
Durch das Sofa in der Küche bin ich hierher gekommen. So ein altes Sofa hatten wir auch in der Küche stehen, urgemütlich.
Vieles in deinen Kindheitserinnerungen erinnert mich auch an meine Kindheit, obwohl ich wohl ein wenig früher als du auf die Welt gekommen bin, denn bei uns gab es noch keinen Fernseher, sondern das ‚Betthupferl‘ kam um fünf Minuten vor 19 Uhr im Radio, der in der Küche stand.
Ich wünsche dir einen schönen Sonntag. Herzliche Grüße , Lore
Hallo Lore,
ich kann mir das auch sehr interessant vorstellen, das „Betthupferl“ im Radio zu hören, das regt die Phantasie an.
Toll, dass ich bei meinen Lesern durch meine Geschichten auch wiederum Erinnerungen hervorrufen kann.
LG und einen schönen und sonnigen ersten Frühlingssonntag,
Astrid