Kurzgeschichten
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Peinlich, peinlich…

Manche sind berühmt und berüchtigt dafür, in jedes Fettnäpfchen zu treten und keines auszulassen. Zum Glück gehören weder ich noch eines meiner Familienmitglieder zu diesem ausgewählten Kreis! Trotzdem passieren auch uns irgendwelche Missgeschicke, die mehr oder weniger peinlich sind. Wenn ich so nachdenke, fallen mir da einige Episoden ein, die im Nachhinein lustig sind, doch steckt man gerade in der betreffenden Situation empfindet man sie als peinlich:

Mein Mann und ich hatten gerade unsere erste gemeinsame Wohnung bezogen, – wir waren also noch jung und unerfahren. Das sollte man zur Rettung unserer Ehre sagen, aber auch, dass man aus Schaden klug wird oder aus Fehlern lernt.
Es war an einem Samstag, so Ende September oder Anfang Oktober, wenn ich mich richtig erinnere.
„Ich muss noch schnell im Supermarkt einkaufen, der Kühlschrank ist leer“, erklärte ich Peter.
„Dann lass uns das mal gleich machen“, meinte dieser sofort. „Ich brauche auch noch Druckerpapier.“
Der Einkaufswagen war auch schnell mit allen notwendigen Sachen beladen als wir an einem Sonderstand im Mittelgang des Marktes auf dem Weg zur Kasse vorbeikamen.
„Komm, wir nehmen uns hiervon zwei Flaschen mit“, schlug Peter vor. „Stefan meinte neulich, das Zeug wäre wirklich gut.“
Ich bin jetzt nicht gerade ein Weintrinker und ein Weinkenner ebenso wenig, aber ich wollte Peter die Freude nicht verderben. Und so luden wir alles in den Kofferraum und fuhren nach Hause.
„Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“, fragte unser Vermieter als er uns entsetzt vor dem geöffneten Kofferraum stehen sah. Beim Nähertreten schien er bedingt durch den ausstrahlenden Geruch jedoch schon eine Vermutung zu hegen, denn er fing plötzlich an zu lachen.
„Das ist ja eine schöne Bescherung!“
Zum Lachen war uns allerdings nicht zumute.
„Vorhin waren sie noch voll!“, erzählte ich und ärgerte mich darüber, dass unser Kofferraum einer dringenden Reinigung bedurfte.
„Da muss jemand daran herumgedreht haben“, ergänzte mich mein Mann.
Unser Vermieter grinste und meinte nur: „Ach ihr habt Rauscher gekauft!“
Das machte uns auch nicht fröhlicher und so fügte er hinzu:
„Das passiert einem auch nur einmal! Dann weiß man, dass Federweiser nicht liegend transportiert oder gelagert werden darf. Er hat nämlich nur eine luftdurchlässige Haube als Verschluss, damit die Kohlensäure, die neben dem Alkohol beim Gärprozess entsteht, auch entweichen kann.“
Schön, jetzt hatten wir uns zwar bis auf die Knochen blamiert, aber jetzt wussten wir auch, dass nicht nur die Kohlensäure entweicht, sondern auch die Flüssigkeit, wenn man die Flaschen hinlegt. Wir hatten wieder einmal etwas gelernt! An diesem Abend mussten wir dann notgedrungen den Zwiebelkuchen ohne Federweiser essen und somit blieb auch der Rausch aus.
Dieser hatte sich bei der folgenden Peinlichkeit bei mir noch nicht eingestellt, aber anscheinend war ich schon etwas angeheitert. Ich jedenfalls fühlte mich recht wohl und es hätte mit Sicherheit auch niemand meinen klitzekleinen Schwips bemerkt, wäre es nicht hierzu gekommen:
Wir waren auf der Sonneninsel Mallorca, genauer gesagt: Wir saßen nachts auf der Terrasse unseres Hotels in Alcudia und plauderten vergnüglich mit einem Pärchen, das wir in diesem Urlaub kennengelernt hatten. Während die Männer sich Bier bestellten, wählten wir zwei Frauen ein anderes Getränk: Lumumba. Ich trinke sehr selten und wenig Alkohol, aber im Laufe des Abends erlaubte ich mir zwei dieser Mixgetränke, die Rum beinhalten. Wir verstanden uns prima und wie das eben so ist, kommt man während des Gesprächs vom Hundertsten zum Tausendsten. So erzählten wir, dass wir drei Jahre zuvor nach Cottbus gezogen waren und dort auch ein Haus gebaut hatten.
„Wir wollen nächstes Jahr auch bauen!“, erklärten sie uns.
Das war die Stelle an der wir mit unserer Erfahrung punkten konnten, also legten wir los und erzählten mal die eine und mal die andere Story rund um unseren Hausbau. Irgendwie kamen wir dabei auf die Bodenbeläge und die Bäder zu sprechen.
„Das war gar nicht so einfach, das Angebot ist ja riesengroß“, steigerte ich mich hinein. „Welche Vorstellung habt ihr denn?“
Aber ich wartete gar nicht erst ihre Antwort ab, sondern feuerte sofort meine Beschreibung heraus:

„Wir haben flänzende Gliesen!“

Verwundert blickte ich in die Runde, denn plötzlich hatten alle angefangen zu lachen und ich schien die einzige zu sein, die nicht verstand warum. Also bat ich um Aufklärung, die ich auch sofort bekam. Der Alkohol hatte anscheinend angefangen zu wirken, denn aus meinem Mund waren Buchstabenkombinationen gekommen, die man unter normalen Umständen nicht so flüssig hervorbringt. Ich hatte nichts anderes als glänzende Fliesen gemeint. Peinlich, peinlich, wenn einem die Zunge nicht richtig gehorcht! Aber jetzt konnte ich wenigstens herzlich mitlachen. Was so manche Flüssigkeiten bewirken können!
Apropo Flüssigkeiten, da fällt mir noch eine andere Begebenheit ein, die mich vor Peinlichkeit fast hätte im Boden versinken lassen:
„Frauen und Autofahren!“, würden Männer hierbei wahrscheinlich sagen. Dabei passierte die Sache gar nicht, während ich am Steuer saß. Nein, ich stand neben meinem Auto und zwar an der hinteren rechten Seite. Mein Auto hingegen stand an der Tankstelle. Ich griff mir den Zapfhahn und steckte diesen in die Tanköffnung. Falsch: Das hätte ich gerne getan, das heißt, es war sozusagen mein geplantes Vorhaben. Der Wille war zwar vorhanden, doch irgendwie ließ sich dieser nicht in die Tat umsetzen. Weder schaffte ich es den Hahn in die Öffnung zu stecken, geschweige denn den Tank zu befüllen.
„Was ist denn jetzt los?“, fragte ich mich und versuchte es erneut, allerdings vergeblich. Weil das ja eigentlich nicht sein konnte, startete ich den nächsten Versuch und noch einen und noch einen. Ich verstand die Welt nicht mehr und fragte mich schließlich:
„Bin ich jetzt zu blöd zum Tanken?“
Keine Ahnung, ob ich das in Gedanken oder laut zu mir selbst sagte, jedenfalls antwortete eine Frau an der nächsten Zapfsäule mit einer Gegenfrage:
„Müssen sie denn wirklich Diesel tanken?“
Uff! Natürlich nicht! Mein Auto war ein Benziner!
„Noch peinlicher geht es wohl nicht“, ärgerte ich mich und bedankte mich bei der Frau. Möglichst unauffällig hängte ich den nicht in meine Tanköffnung passenden Zapfhahn wieder ein, griff mir den richtigen, tankte ohne weitere Komplikationen, bezahlte und sah zu, dass ich Land gewann.
Auto und Frau, diese Kombination hat was. Besonders dann, wenn es sich dabei noch um ein altes Auto handelt. Ich war Anfang Zwanzig und besaß ein derartiges Automobil. Es war ein Jetta in silbermetallic. Soweit, so gut, aber irgendwann musste er auch wieder einmal zum TÜV. Ich wusste genau, dass er vorne links am Übergang vom Holm zum Bodenblech leichte Durchrostungserscheinungen haben könnte. Das würde dem TÜV – Prüfer hoffentlich nicht auffallen, aber sicher war ich mir dessen nicht. Also mussten die Waffen einer Frau zum Einsatz kommen. Ich schlüpfte in Minirock und Schuhe mit hohen Absätzen. Das Kompliment meines Mannes zeigte mir, dass ich meine Wirkung nicht verfehlen würde.
Der TÜV – Prüfer war sehr freundlich, aber wie mir sogleich auffiel auch sehr gründlich. Trotzdem hatte er bisher keine Beanstandungen gefunden. Dann bat er mich das Auto über die Grube zu fahren. Mit einem Schraubendreher bewaffnet, war er zuvor in eben diese Grube gestiegen. Ich traute mich gar nicht zu atmen. Ich hörte, wie er mal da und mal dort klopfte, wie mir schien, aber nicht allzu fest. Plötzlich spürte ich einen Widerstand unter meiner Schuhsohle.
„Nanu, was ist das ?“
Ich blickte auf meine Füße und sah wie mich gerade die Spitze eines Schraubendrehers in den linken Fuß stach.
„Es tut mir leid“, meinte der bereits wieder aufgetauchte TÜV – Prüfer. „Ich war schon total vorsichtig.“
Sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass er mein Spielchen durchblickt hatte, aber dieses trotzdem schiefgegangen war. Peinlich betroffen zog ich ohne TÜV – Plakette von dannen.
Eine andere Begebenheit ereignete sich Jahrzehnte später, war aber nicht weniger peinlich für mich:
Unser Sohn war aktives Mitglied im Schwimmverein und daher war zweimal wöchentlich nachmittags Schwimmen angesagt. An diesem Nachmittag fuhr ich ihn zum Training. Die Straße führte uns durch ein kleines Wäldchen und ich konnte im Augenwinkel rechts am Anfang eines Waldweges erkennen, dass dort etwas saß. Ich hätte nicht genau sagen können, was es war. Timo hatte es nicht gesehen und ich vermutete ein Tier habe dort gesessen. Irgendwie kam mir in den Sinn, es wäre ein Lama. Dies mag verwunderlich klingen, doch ich wusste, dass es in der nächsten Ortschaft auf einem Privatgrundstück zwei oder drei Lamas gab. Also machte ich mir weiter keine Gedanken hierüber, nahm mir aber vor am Rückweg darauf zu achten. Ich fuhr an diesem Tag noch insgesamt dreimal an dieser Stelle vorbei. Zweimal hatte ich die Sache total vergessen, doch als mein Mann und ich uns bei inzwischen tiefster Dunkelheit mit dem Auto dieser Stelle näherten, sah ich ganz deutlich zwei Augen unheimlich leuchten. Angst überfiel mich und ich bereute es, nicht bei Tageslicht nachgesehen zu haben. Peter sah das Leuchten ebenfalls und meinte:
„Lass uns mal ranfahren und nachsehen. Es könnte ein Tier sein!“
„Ich habe aber Angst, wer weiß was das ist!“, sagte ich mit bereits zittriger Stimme.
„Vielleicht ist es ein verletzter Rehbock!“
Okay, das war ein Argument, aber zugleich auch noch mehr furchterregend, zumindest für mich. Mein Mann fuhr so nah wie möglich heran, trotzdem war es in der Dunkelheit nicht eindeutig zu erkennen. Die leuchtenden Augen waren nicht mehr zu sehen, aber da kauerte irgendetwas . Unheimlich! Peter wollte sich aber nicht zurückhalten lassen. Er stieg aus und ging auf dieses unheimliche Etwas zu. Ich kam mir vor wie im falschen Film. Er bückte sich, hob etwas Großes auf, kam mit diesem gespenstigen Unbekannten auf dem Arm auf das Auto zu und trat an das Beifahrerfenster, hinter dem ich wie angewurzelt reglos saß. Plötzlich erschall ein schrecklicher, furchterregender langgestreckter Schrei, der durch Mark und Bein ging und mit Sicherheit weithin zu hören war.
Niemand anders als ich hatte aus Leibeskräften, nahezu hysterisch geschrien und dabei beide Hände vor die Augen gehalten, denn ich wollte dieses schreckliche Wesen nicht sehen.
„Geh weg damit!“ befahl ich meinem Mann, doch der lachte nur.
„Mach doch die Augen auf und schau her!“
Nach mehrmaliger Beteuerung, dass alles ganz harmlos sei, öffnete ich zaghaft meine Augen. Vor mir stand Peter mit einem alten kaputten Plastikreh, dessen Augen zuvor so schrecklich im Scheinwerferlicht geleuchtet hatten. Jetzt sah ich auch einen jungen Mann und eine Frau, die mit ihrem Auto ebenfalls gehalten hatten und uns verdutzt fragten, ob alles in Ordnung sei oder ob wir Hilfe brauchen würden. Vermutlich hatten sie meinen Schrei vernommen. Echt peinlich!

Jetzt habe ich aber genug von mir erzählt. Auf Anfragen bei meinem Mann, was ihm denn schon mal Peinliches passiert sei, erhielt ich lediglich die Antwort:
„Mir ist nichts peinlich!“
Naja, dafür wäre mir an seiner Stelle folgende Situation total peinlich gewesen:
Unser damals noch sehr kleiner Sohn Timo war krank. Ich weiß nicht mehr, was er hatte, ob es Husten, Schnupfen und Fieber war, oder ob sich eine Kinderkrankheit anbahnte, – keine Ahnung. Ich kann mich auch nicht erinnern, warum ich verhindert war, aber auf jeden Fall schickte ich meinen Mann mit Timo zum Arzt. Die Sache wäre gar nicht passiert, wenn es ein Wochentag gewesen wäre. Dann wären sie einfach zu unserem Hausarzt marschiert. Nein, Kinder werden immer am Wochenende krank und man kann dann nur noch zum Not- bzw. Bereitschaftsdienst gehen. Zum Glück kannte der Arzt sich mit Kindern aus, untersuchte unseren Timo gründlich und meinte danach zu meinem Mann:
„Ich brauche noch einige Angaben und Daten von Ihnen.“
Das war auch alles gar kein Problem, denn die Fragen nach Wohnort und Straßennamen waren ja einfach zu beantworten. Schwieriger wurde die Sache dann allerdings als der Arzt meinte:
„Gut, dann brauche ich nur noch das Geburtsdatum von dem kleinen Mann hier!“
Schweigen breitete sich im Raum aus. Der Arzt schaute von meinem Mann zu Timo und dann wieder zu meinem Mann. Sowohl Timo als auch Peter schauten den Arzt mit großen Augen an. Schließlich zuckte mein Mann mit den Schultern und öffnete den Mund:
„Ohhh!“
Der Arzt durchschaute die Situation allerdings recht schnell, zückte seinen Stift und meinte nur lässig:
„Ich muss schon irgendetwas hinschreiben! Wissen Sie denn wie alt er ist?“
„Naja“, antwortete mein Mann, „so ungefähr zwei Jahre!“

Also, wenn das nicht peinlich ist!…

2 Kommentare

    • Astrid Berg sagt

      Tja, so sind wir – typisch Peter und Astrid.
      Auch wir genießen hier in Cottbus die Sonne.
      Viele liebe Grüße
      Astrid

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