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Waschmaschinengespräche

Es klingelt an der Haustür und ich eile zum Öffnen. Ich erwarte keinen Besuch, also bin ich gespannt, wer um Einlass bittet. Unser Sohn steht vor der Tür. In der Hand hält er eine Tüte, die er mir überreicht. Ich schaue neugierig hinein und entdecke darin zwei Hosen und eine Packung Färbemittel.

„Aha“, sage ich leicht scheinheilig. „Du willst deine Hosen färben?!“
„Ich dachte, du könntest das vielleicht machen,“,bestätigt er meine wage Vermutung. „ Die sind schon etwas von der Sonne ausgebleicht.“
„Dachte ich mir doch, dass ich mal wieder gefragt bin. Du hast doch auch eine Waschmaschine.“
„Aber du hast mehr Erfahrung“, grinst er mich an. „Nimm es einfach als eine Art Geburtstagsgeschenk von dir für mich!“
„Du hattest zwar schon am Sonntag Geburtstag, aber komm einfach mal mit!“
Mit dem Färben von Hosen habe ich zwar überhaupt keine Erfahrung, aber schön, dass er mich um meinen mütterlichen Rat bittet.
Inzwischen sind die Hosen, ich habe gleich noch eine Jeans von meinem Mann in die Trommel geworfen, in der Waschmaschine mitsamt dem Färbepulver. Tiefschwarz ist das Wasser, das wir durch das Bullauge sehen. Unser Sohn hat sich vor der Waschmaschine im Schneidersitz niedergelassen und beobachtet den Wasch-, beziehungsweise den Färbevorgang.
„Ist das jetzt dein neues Fernsehprogramm?“, frage ich ihn.
„Das ist echt interessant und so schön beruhigend“, erklärt er mir. „Als Kind habe ich da auch immer gerne reingeschaut.“
„Echt? Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Fische im Aquarium zu beobachten fände ich viel interessanter.“
Auch wenn ich mich nicht mehr daran erinnern kann, dass unser Sohn das Waschmaschinenprogramm geschaut hat, kann ich ihm allerdings andere Dinge über meine Waschmaschine berichten.
„Diese Waschmaschine ist genau ein Jahr älter als du, nämlich 28 Jahre. Als wir 1988 im April umgezogen sind, haben wir diese Maschine gekauft. Papa wollte zwar die alte kleine Maschine reparieren, aber da wir ja in absehbarer Zeit eine Familie gründen wollten und dann mehr Wäsche anfallen würde, haben wir uns für eine neue und größere Waschmaschine entschieden.“
Bis hierher interessiert unseren Sohn die Geburtsstunde meiner Waschmaschine noch herzlich wenig. Ist wohl auch nicht verwunderlich. Doch dann kommt er ins Spiel und die ganze Sache wird auch für ihn interessanter.
„Wir haben die Maschine also im April 1988 gekauft, im Oktober wurde ich schwanger und Anfang Juli 1989 kamst du auf die Welt. Meine tolle neue Waschmaschine hat fortan deine Wäsche gewaschen und dir als Wickelkommode gedient.“
„Das weiß ich nur von Fotos“, wirft er mir etwas wortkarg entgegen und betrachtet weiterhin die Umdrehungen der Wäsche in der Trommel.
„Apropos Fotos!“, rufe ich aus und renne nach oben zu unserem Fotoschrank. Dort habe ich nämlich alle die Schätze aufbewahrt, die wir noch vor der digitalen Fotografie mit unserer analogen Kamera gemacht haben. Ich fange an zu rechnen, denn mir schweben da einige Aufnahmen im Kopf herum, die an einem Kindergeburtstag unseres Sohnes gemacht wurden. Diese Kindergeburtstage waren immer richtig schön und haben sowohl den Kindern als auch den Erwachsenen viel Freude gemacht. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Wettrennen der Kleinen, das diese mit Taucherflossen an den Füßen machen mussten. Das ist gar nicht so einfach, egal ob man Kind ist oder schon Erwachsener. Aber eine Menge Spaß macht es in jedem Fall.
Doch diese Fotos suche ich jetzt nicht. Meiner Rechnung nach könnte unser Sohn an dem besagten Geburtstag vier Jahre alt geworden sein, also ziehe ich das Album vom Sommer 1993 heraus. Bingo! Hier sind sie!
„Schau mal“, zeige ich begeistert das Album unserem Sohn, der es mir sofort entreißt und sich die Fotos grinsend ansieht.
„Von diesem Geschenk war ich total begeistert“, erzählt er mir und deutet auf ein Foto, auf dem er mit einer kleinen Kindergitarre zu sehen ist.
„Hi, hi! Du hast sie sofort ausgepackt und gespielt, – am Morgen, am Mittag und am Abend als deine Gäste schon zu Hause waren, hast du immer noch auf den Saiten herumgeklimpert.“
„Ja, und dann hatte ich am Daumen eine furchtbar dicke Blase! Ich sehe sie noch heute vor mir!“
„Was macht ihr denn hier?“, fragt meine Mutter, die inzwischen auch in meinen Hauswirtschaftsraum gekommen ist und sich wundert, warum wir vor der Waschmaschine auf dem Fußboden sitzen.
„Oh, wir betrachten gerade Fotos von einer Kindergeburtstagsfeier“, erkläre ich und stehe auf.
„Zeigt doch mal!“
Ich reiche ihr das Album und sie schaut sich die Fotos an, ihr Blick bleibt allerdings an einem bestimmten Bild hängen.
„Was ist denn hier passiert?“, richtet sie ihre Frage an unseren Sohn. „Warum weinst du denn auf dem Foto?“
„Schau doch mal genauer hin, vielleicht kannst du dich daran auch noch erinnern!“, erhält sie zur Antwort. „Du warst auf jeden Fall dabei, – dort hinten auf der Bank, das bist doch du, Oma!“
„Da muss ich erst mal meine Brille holen.“
Ja, und dann sieht sie die Bescherung. Unser damals vierjähriger Sohn steht heulend mit der Hand vor dem Gesicht da und hat überall …
„Ist das Blut?“, fragt meine Mutter irritiert.
„Das dachte ich damals auch, als er laut weinend vor mir stand und er von oben bis unten rot bespritzt war. Mein erster Gedanke war: „Blut!“ und mein zweiter Gedanke: „Ein großes Unglück ist passiert!“. Noch bevor ich allerdings weiter denken konnte, rief mir schon meine Freundin M. etwas zu. Sie meinte nämlich sie sei an allem schuld.“
„Das war sie auch!“, bestätigt unser Sohn. „Ich wollte eigentlich zu meinem Bratwürstchen nur etwas Ketschup und sie wollte ihn mir auf den Teller machen. Sie hat auf die Ketschupflasche gedrückt und es machte „Blubb!“ und schon hatte ich alles im Gesicht, auf den Armen und auf meinem T-Shirt.“
Man kann sich vorstellen, dass ich damals total erleichtert war, dass es sich bei dem roten Zeug nur um Ketschup und um kein Blut gehandelt hatte.
„Das war echt filmreif!“, lache ich und betrachte mir nochmals das Foto.
„So!“, sagt unser Sohn. „Meine Hose ist jetzt auch eingefärbt. Allerdings schwarz und nicht rot. Sieht aus, als wäre es richtig gut geworden. Ich habe bestimmt noch mehr Hosen, die ich einfärben kann.“
„Das machst du dann aber schön in deiner Waschmaschine! Den Lehrgang, wie es geht, hast du ja jetzt bei mir absolviert.“
„Alles klar! Mal sehen vielleicht will B. (seine Freundin) auch was einfärben“, grinst er kess zurück. „Dann schau’ ich eben mit ihr das nette Waschmaschinenprogramm an.“

 

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12 Kommentare

  1. Liebe Astrid, das macht mein Mann auch immer, entweder beim Entfärben oder Färben von Sachen vor der Waschmaschine zu sitzen, als wenn man da schon sehen könnte, ob es was wird. Liebe Grüße Eva

    • Astrid Berg sagt

      Ich glaube, es ist ein ähnliches Phänomen wie beim Aquarium 🙂 . Es macht einfach Spaß die schwimmende Wäsche zu beobachten und möglicherweise wirkt es beruhigend 😉
      LG
      Astrid

  2. Was für eine tolle Story , ich finde
    solche Erinnerungen einfach wunderschön ,
    auch bei uns werden oft die Fotoalben
    hervorgeholt und wir schwelgen alle in den
    guten alten Zeiten ,gottlob gibt
    es auch von mir anno 1950 noch Fotos,
    man kann dann so gut vergleichen wie sich die
    Zeiten ändern !

    Wäsche gefärbt habe ich noch nie ,aber
    ich denke es funktioniert oder :-)))

    Einen wunderschönen Sommertag
    wünscht dir
    Margrit

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Margrit,
      wahrscheinlich sind Deine Fotos ebenso wie meine noch schwarzweiß. Schon allein hierin hat sich die Welt verändert.
      Das mit dem Färben der Jeans hat super geklappt. Ich hatte bisher auch noch keine Erfahrung, aber es scheint doch eine prima Methode zur Auffrischung der Farben zu sein.
      Ich wünsche Dir einen schönen Freitag und schicke ganz liebe Grüße
      Astrid

  3. Liebe Astrid, herzliche Grüße.
    In der Heutzeit etwas einzufärben, darauf würde ich nicht kommen. Ich kenne aber als Kind in den 1950. Jahren, da färbte meine Mutter auch manchmal, aber mit heißem Wasser und Färbepulver, im Eimer.
    1970 ließ ich das helle, fast weiß, Mäntelchen vom 4-jährigem Sohn in der Reinigung Mittelblau einfärben, weil es kleine Flecken hatte, die nicht mehr rauszuwaschen gingen. Innen war ein dunkelblaues Teddy-Futter. Dieses Mäntelchen mit Kapuze, auch mit dem Teddyfell, war sehr schön und auch teuer und ich hätte so ein helles Mäntelchen nicht gekauft, aber meine Tante.
    Wir bevorzugen eine Toplader Maschine. Ich mag die gebückte Haltung nicht beim Ein-und Ausräumen.
    Einen schönen Tag wünscht Brigitte.

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Brigitte,
      ich freue mich über Deine Kommentare, denn sie enthalten immer kleine Geschichtchen.
      Ich hatte als Einjährige auch ein kleines Teddybärenfell-Mäntelchen, das war allerdings hellblau.
      LG
      Astrid

  4. Liebe Astrid,
    eine interessante Story.
    Das mit dem Blut-Ketchup ist spannend
    Wie wurden die Jeans – schwarz oder doch rot?
    LG

    • Astrid Berg sagt

      Die Jeans wurden schwarz eingefärbt und sehen jetzt wieder aus wie neu. Ich habe mich auch gewundert, dass das so einfach klappt. Und dann auch noch in der Waschmaschine.
      LG
      ASTRID

  5. Beim nächsten Waschgang werde ich mich auch mal meditierend davor setzen. Vielleicht fällt mir auch so eine schöne Eposode ein.

    Gern gelesen und herzliche Grüße
    Anna-Lena

    • Astrid Berg sagt

      Du wirst sehen, es kann sehr anregend sein. Anscheinend gefällt dies noch mehr Menschen: Warum sonst haben Waschmaschinen ein Bullauge?!
      LG
      Astrid

  6. Astrid Berg sagt

    Stimmt, liebe Regina. Und man konnte sogar noch wählen, ob weiß, schwarz oder bunt. Welches Fernsehprogramm kann da schon mithalten?! Und besonders interessant ist immer wieder das Schleuderprogramm 😉 .
    Ich schicke Dir liebe Vormittagsgrüße
    Astrid

  7. Guten Morgen liebe Astrid,
    wie gut, dass es sich bei dem „roten Zeugs“ nicht um Blut handelte. Wir haben übrigens auch gern das Waschmaschinenprogramm beobachtet. Während das Fernsehprogramm noch schwarz-weiß war, gab es da schon ein Farbprogramm!
    Liebe Grüße
    Regina

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