Kurzgeschichten
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Mit Schaufel und Eimer

Wenn ich dieses Foto betrachte, muss ich lachen, denn vor meinem geistigen Auge tauchen plötzlich viele schöne Erinnerungen auf. Ich überlege, wie wohl unser inzwischen erwachsener Sohn damals diesen Urlaub erlebt hat. Hätte er zu diesem Zeitpunkt schon schreiben können, hätte sich sein Urlaubsbericht vielleicht so gelesen:

Kurz nach meinem 2. Geburtstag sagten meine Eltern zu mir:
„T., wir machen bald eine weite Reise mit dem Auto. Wir fahren nach Spanien!“
„Kenn ich nicht“, sagte ich und steckte mir ein Kaubonbon in den Mund.
„Aber Autofahren ist schön“, dachte ich mir, „da kann man immer so schön schlafen und träumen und natürlich die Geschichten von Benjamin Blümchen hören.“
„Da gibt es ganz viel Sand und Wasser“, erklärte mir meine Mutter.
„Ach, ein neuer Spielplatz“, dachte ich. „Mal sehen, ob er mir gefällt!“
„Dort ist es immer schön warm, weil jeden Tag die Sonne scheint. Du kannst im Wasser plantschen, im Sand Burgen bauen und Kuchen backen“, erzählte sie weiter.
„Noch besser“, überlegte ich, „ein Schwimmbad mit einem großen Sandspielplatz. Hört sich gut an!“
„Kommt K. auch mit?“, wollte ich wissen.
Mit meiner Sandkastenfreundin, spielte ich jeden Tag und unsere Mamas unterhielten sich.
„Bestimmt kommen alle mit“, überlegte ich mir.
„Nein“, sagte Mama, „sie fährt mit ihren Eltern woanders hin“.
Das fand ich ein bisschen schade.
„Komisch, wir geh’ n doch sonst immer gemeinsam auf den Spielplatz“, dachte ich.
Ich hatte die Sache schon vergessen, da rannten eines Tages meine Eltern kreuz und quer in der Wohnung herum, packten ganz viele Sachen aus dem Kleiderschrank in eine Kiste, die sie Koffer nannten, luden alles ins Auto und forderten mich auf meinen Eimer, die Förmchen und meine Schaufel ebenfalls in den Kofferraum zu packen. Soviel wie ich verstanden hatte, wollten wir am nächsten Tag zu dem großen Sandspielplatz fahren. In der Nacht habe ich schon geträumt, dass mir jemand mein Schäufelchen weggenommen hätte.
Und dann ging es los.
Das Schwimmbad war riesengroß und der Sandkasten auch, – eigentlich war alles nur Wasser und Sand. Mama nannte das Schwimmbad „Meer“ und den Sand „Strand“.
Dann bekam ich „Flügel“ zum Schwimmen. Das war ganz schön lustig damit zu schwimmen, fast wie fliegen. Ich brauchte nur mit den Armen und Beinen zu zappeln und schon kam ich ein kleines Stückchen voran und ging nicht unter. Trotzdem schluckte ich manchmal ein bisschen Wasser. Das hat aber ganz anders geschmeckt als mein Badewasser zu Hause. Irgendwie schmeckte es nach Zucker. Nein, ich glaube Mama hat mir erklärt, dass es nach Salz schmeckt.
Mama und Papa durften ohne diese Schwimmflügel ins Meer, sie können nämlich schwimmen. Sie sagten sogar, dass ich das auch bald lernen würde, aber eigentlich wollte ich das gar nicht. Sie mussten sich ständig mit den Armen und Beinen bewegen, ich aber konnte mich auch ganz einfach mal ausruhen, von den Wellen schaukeln lassen und ging trotzdem nicht unter.
Später gab Mama mir ein paar trockene Brotstückchen, obwohl ich gar keinen Hunger hatte, aber ich sollte sie auch überhaupt nicht essen. Zum Glück! Ich sollte sie ins Wasser werfen.
„Komisch, zu Hause darf ich kein Brot ins Badewasser werfen und im Schwimmbad auch nicht. Wieso darf ich das hier?“, überlegte ich, aber Mama erklärte es mir:
„Schau mal, jetzt kommen die Fischchen und holen sich das Brot, sie haben großen Hunger.“
Tatsächlich, plötzlich schwammen ganz viele kleine Fische um mich herum. Manchmal kitzelten sie mich sogar an den Beinen. Ich erschrak kein bisschen, aber sie ganz fürchterlich, denn sie schwammen schnell ein Stückchen weiter. Mit dem nächsten Brotkrumen waren sie aber wieder da.
Jetzt hatte ich auch Hunger, aber keine Krümelchen mehr, doch Mama hatte ein paar Kekse für mich.
Irgendwann gingen wir dann alle am Strand entlang und suchten Muscheln. Bald war mein Eimerchen fast voll und ganz schwer.
Papa hatte eine Idee: „Jetzt bauen wir eine schöne große Sandburg und schmücken sie mit deinen Muscheln!“
Sogleich nahm ich mein Schäufelchen und legte los. Weil ich mein Schippchen nicht hergeben wollte, rannte Papa zum nächsten Geschäft und kaufte sich eine eigene viel größere Schaufel. Meine war aber trotzdem viel schöner, fand ich jedenfalls. Sogleich begann Papa den Strand umzugraben.
Inzwischen war ich aber müde geworden und hatte keine Lust mehr. Ich kuschelte mich zu Mama unter den Sonnenschirm und schlief auch gleich ein.
Papa schaufelte aber währenddessen voller Tatendrang weiter. Als ich wieder aufwachte, war Papa weg, jedenfalls konnte ich ihn nicht sehen. Ich fragte Mama und sie ging mit mir zu einem tiefen Loch, in dem Papa mit seiner Schaufel total verschwunden war. Er schaute nur noch mit dem Kopf heraus.
„Bestimmt will er sich bis nach China durchgraben“, dachte ich mir. „Der Junge in meinem Bilderbuch wollte das auch!“
Aber vorher füllte ich immer wieder mein Eimerchen mit Wasser und schüttete es hinein. Jetzt hatte ich einen See, auf dem ich mein Schiffchen schwimmen lassen konnte, das mir ein Mann und eine Frau geschenkt hatten, die beim Essen bei uns am Tisch saßen.
Am nächsten Tag waren das große Loch und mein See leider wieder verschwunden. Doch Papa nahm begeistert seine Schaufel, sorgte für ein neues tiefes Loch und freute sich über die bewundernden Blicke der anderen Urlauber. Sandburgen haben wir auch gebaut, aber mal ehrlich: Löcher graben konnte mein Papa besser!
„Nächstes Jahr im Sommer verbringen wir unseren Urlaub wieder am Meer“, beschlossen Papa und Mama bei der Abreise.
Ich freue mich schon riesig darauf, obwohl ich eine Sache ziemlich doof fand, nämlich das Eincremen mit der blöden Sonnencreme. Mama sagt aber, das muss sein und Mama weiß das. Ich hasse die Eincremerei und meistens habe ich mich gleich danach in den Sand geworfen. Mama und Papa sagten, ich würde aussehen wie ein paniertes Schnitzel, – keine Ahnung, was sie damit meinten.

7 Kommentare

    • Astrid Berg sagt

      Danke 😀 Es ist auch eine schöne Erinnerung, an die ich gerne zurückdenke.
      LG
      Astrid

  1. Liebe Astrid, diese Urlaubsgeschichte gehört zu vielen Meerurlaubern dazu.
    Ich war 1952, mit 7 Jahren, das erste Mal am Ostseestrand in Kühlungsborn.
    Meine Eltern bauten eine Sandkuhle, wir hatten keinen Strandkorb.
    Herzliche Grüße von Brigitte.

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Brigitte,
      da sieht man wieder, dass so eine Sandkuhle sehr nützlich sein kann 😉. Bestimmt hat Dein Vater dieses Loch mit Euphorie gebuddelt, denn mir scheint, dass ein Sandstrand nicht nur für kleine Jungs eine große Sandkiste ist 😀.
      LG
      Astrid

  2. Liebe Astrid,
    was für eine wunderschöne und ganz besondere Art der Erinnerung an eine schöne Zeit.
    Liebe Grüße
    moni

    • Astrid Berg sagt

      Danke, liebe Moni.
      Unser Sohn wird dieses Jahr 30, auch für ihn habe ich diese Erinnerung festgehalten.
      LG
      Astrid

  3. Corinna Steinweg sagt

    Liebe Astrid, ich habe mit viel Freude deine Geschichte laut vorgelesen und auch meinen Mann Peter damit zum Schmunzeln gebracht. Wir warten gespannt auf die nächsten Geschichten und wünschen dir viel Spaß beim Schreiben Dieser. Peter und Conny

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