Kurzgeschichten
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Lach mal wieder

Es ist einer jener Sommertage, an denen man von Vogelgezwitscher geweckt wird und die Sonnenstrahlen einen schon vor dem Aufstehen an der Nase kitzeln. Einfach herrlich! Da macht es gar nichts aus früher als gewöhnlich aus dem Bett zu hüpfen und in den Tag zu starten.

„Du weißt schon, dass du mich jetzt gleich zur Uni fahren musst“, sagt mein Mann.
„Na, so vergesslich bin ich nun auch noch nicht“, antworte ich lachend. „Wir haben doch erst gestern dein Auto in die Werkstatt gefahren.“
Das mit der Vergesslichkeit scheint allerdings eine ganz spezielle Sache zu sein. Manchmal überdecken die Geschehnisse des Alltags Dinge, an die man normalerweise ganz selbstverständlich denkt. Irgendwie passiert es dann, dass genau diese Selbstverständlichkeiten durch die Maschen des Gehirns fallen, irgendwo in den Gehirnwindungen verschwinden oder gar steckenbleiben. Und genau das ist an diesem so schönen Tag passiert. Ich habe meinen Mann vergessen.
Nein, nicht ihn. An ihn denke ich doch immer. Während ich mit meiner Mutter am Spätnachmittag telefoniere, überlege ich, warum mein Mann noch nicht zu Hause ist, obwohl er eigentlich bereits da sein wollte oder zumindest jetzt bald nach Hause kommen sollte. 
„Wird es heute denn wieder so spät?“, hatte ich ihn noch am Morgen gefragt und er hatte diese Frage verneint und sogar gemeint, dass er heute nicht so viele Termine habe.
Mitten im schönsten Telefonat mit meiner Mutter vernehme ich ein Klopfen in meinem Ohr.
„Ach Mutti, es ruft gerade noch jemand an“, erkläre ich ihr.
„Dann lass uns schnell auflegen“, sagt sie und wir beenden unser Gespräch.
Ein Blick auf das Display meines Handys zeigt mir, dass mein Mann anruft. Nichtsahnend nehme ich das Gespräch an.
„Hallo“, flöte ich fröhlich in das Gerät.
„Sag mal, hast du mich vergessen? Wann holst du mich denn endlich ab?!“, dringt seine etwas unwirsche Stimme an mein Ohr.
„Wieso? Ich warte hier schon die ganze Zeit, dass du endlich heimkommst“, antworte ich.
„Du wartest?! Du musst mich abholen. Ich habe doch kein Auto. Denk mal nach: Mein Auto ist in der Werkstatt.“
„Oh!“, lache ich verlegen in den Hörer. „Das hab dich tatsächlich vergessen.“
Verwundert bin ich jedoch schon. Am wenigsten allerdings über meine Vergesslichkeit, sondern hauptsächlich über den leicht säuerlichen Ton in der Stimme meines Mannes. So kenne ich ihn ja gar nicht und die Situation, dass er auf mich warten muss auch nicht. Eher verhält sich normalerweise die Sache umgekehrt.
„Ich bin in zehn Minuten da!“, rufe ich zum anderen Ende der Telefonverbindung. „Du kannst schon runtergehen und vor dem Gebäude auf mich warten.“
„Okay, ich steh dann also draußen und warte“, kommt es etwas versöhnlicher von meinem Mann.
Bevor ich losdüse, berichte ich allerdings noch schnell meiner Mutter, dass das Anklopfen im Handy von meinem Peter kam, den ich vergessen habe abzuholen.
„Na, dann lass ihn nicht länger warten“, meint sie.
Im selben Moment, in dem ich auflege, klingelt mein Handy erneut.
„Wo bleibst du eigentlich? Ich stehe schon die ganze Zeit hier und warte!“
„Ich komme ja schon und wieso bist du eigentlich so unfreundlich?“, will ich noch sagen, aber da hat er bereits aufgelegt.
Schnell gehe ich noch einmal für kleine Prinzessinnen und dann schlüpfe ich in meine Schuhe, stecke das Handy in meine Handtasche, ziehe meine Lippen nach, suche fix meine Autoschlüssel und öffne auch schon die Haustür.
Während ich den Schlüssel von außen im Schloss drehe, um die Tür zuzuschließen, höre ich unsere Nachbarin lauthals lachen.
„Oh, B. hat mal wieder gute Laune“, denke ich. Mehr aber auch nicht, denn sie lacht gerne und viel.
Als ich mich umdrehe, sehe ich sie am Auto stehen und den Kofferraum beladen. Sie lächelt mir zu. Ich lächele zurück und will geschwind zu meinem Auto, da fällt mein Blick ein Haus weiter auf die gegenüberliegende Straßenseite. Von dort blicken mich sechs Augenpaare überaus freundlich, um nicht zu sagen „fröhlich“ an. An sich ist dies kein ungewöhnlicher Anblick für mich, jedoch jetzt und genau in diesem Moment schon. Ein Augenpaar gehört S. unserer anderen Nachbarin, die nun freudestrahlend zu mir herüber winkt. Das zweite Augenpaar gehört S. ihrem Mann, der jetzt ebenfalls die Hand zum Gruß hebt. Beide stehen in ihrem Vorgarten hinter dem Zaun. Und wer steht vor dem Gartenzaun?
„Wie kommst du denn hier her?“, rufe ich erstaunt und renne auch schon zu den drei auf mich wartenden Personen.
„Das hat jetzt aber lange gedauert“, lacht B., die erste Nachbarin und schließt ihren Kofferraumdeckel.
„Wieso?“ frage ich sie verwirrt und schiebe gleich eine weitere Frage in Richtung der anderen Nachbarn hinterher: „Wie lange stehst du eigentlich schon hier?“, rufe ich der Person vor dem Gartenzaun entgegen.
„Seit meinem ersten Anruf“, grinst mein Mann. Herr K. von gegenüber hat mich mitgenommen. Wolltest du mich nicht schon längst an der Uni abgeholt haben? Die zehn Minuten sind bereits deutlich überschritten und erst jetzt willst du losfahren?!“
Die gesamte Nachbarschaft bricht in schallendes Gelächter aus, einschließlich meiner Wenigkeit. Und so beginnt wieder einmal ein lustiger und unterhaltsamer Plausch am Gartenzaun.

10 Kommentare

  1. Liebe Astrid,
    ich gratuliere dir herzlich zu deinem humorvollen Mann! 🙂
    Ich habe meinen Mann auch schon mal „vergessen“, aber da hat er mich ernsthaft angegrantelt – und ich zurück. Allerdings dauert unser Grant nie sehr lange, das ist ja auch viel Wert – und normalerweise haben wir auch viel miteinader zu lachen 😉
    Ich danke dir auch für deine lieben Zeilen bei mir – ja, Budapest ist eindeutig eine Reise Wert, kann ich euch empfehlen! „Frohen Schrittes“ bin ich am nächsten Tag nach dem Heilbad übrigens zwar nicht weitermarschiert, aber das Bad ist traumhaft schön – und marschiert bin ich während dieses Kurzurlaubs trotzdem noch jede Menge ;-)))
    Genieße den Sommer weiterhin – herzliche Grüße aus Rostrosenhausen,
    die Traude

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Traude,
      ich habe ja schon in mich hinein gegrinst, als er mich anrief und mir bewusst wurde, dass ich ihn vergessen hatte. Aber als er dann am Nachbarzaun stand und mir bewusst wurde, dass er mich die ganze Zeit auf den Arm genommen hat, konnte ich nicht anders als auch laut zu lachen.
      Wir sollten viel öfter über kleine Missgeschick oder die eigenen Fehler lachen. Es gibt so viele Gelegenheiten für ein Lächeln, wir sollten nur mit offenen Augen und offenem Herzen durch dieses Leben gehen.
      Falls Du heute noch nicht gelacht hast, so wünsche ich Dir jetzt ein herzhaftes Lachen über einen lustigen Moment aus Deinem Leben, an den Du Dich ganz spontan erinnern kannst.
      LG
      Astrid

  2. in der Tat liebe Astrid, so etwas ist nicht selten – ich denke, dass die Zeitempfindung die die männliche Spezies im Kopf hat – eine gänzlich andere ist als jene die wir im Kopf haben:)) lachen ist gesund wenn man es danach kann und Ihr habt es geschafft diese kleine Begebenheit die auch in Frust oder beleidigtsein vergessen worden zu sein – abgewandelt habt in eine lustige Situation bei der man herzhaft darüber lachen kann.
    Das ist Größe….
    herzlichst Angel

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Angelface,
      ach, da ist mein Mann nicht beleidigt. Er nimmt solche Dinge generell mit Humor und das ist ansteckend. Wir lachen gerne und so oft es uns das Leben erlaubt.
      Hab einen schönen Tag. Uns haben sie für heute 30 Grad versprochen.
      Lächelnde Grüße
      Astrid

  3. ein weitergeleiteter Kommentar von meiner Mama:

    Liebe Astrid,

    perfekt aus dem Leben gegriffen, das könnte mir und vielen anderen Menschen bestimmt auch passieren. Man muß nur eines können hierbei, so wie bei Euch geschehen, lachen, lachen und nochmals lachen darüber. Auch später wenn man in heiterer Runde seine Episoden zum Besten gibt, kann man wieder darüber lachen. Schön, daß Du uns auch die Chance eingeräumt hast mit lachen zu können. Danke dafür und sonnige Grüße von der Helga 🤣

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Helga,
      genau diese Kleinigkeiten im Leben sind es, die uns lachen und schmunzeln lassen. Und es sind die Momente, an die wir uns immer erinnern sollten, denn sie geben Kraft.
      Ich wünsche Dir viele schöne Momente, die Dich lachen lassen und an die Du Dich gerne erinnerst.
      LG
      Astrid

  4. Liebe Astrid, herzliche Grüße.
    Die Macht der Gewohnheit hat Dich vergessen lassen, daß Du Deinen Mann abholen solltest.
    So was kommt schon mal vor.
    Aber Nichts, wo man verärgert sein sollte.
    Ihr hattet ja noch vollen Spaß.
    Ich muß erst mal noch rückwärts lesen, damit ich Deine anderen Geschichten kenne.
    Alles Gute, tschüssi Brigitte.

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Brigitte,
      mein Mann war ja gar nicht verärgert, er hat nur so getan. Seine Anrufe kamen alle von seinem Standort am Nachbarszaun. Auf solche Ideen kommt auch nur mein Mann. Er wollte mich einfach mal wieder auf den Arm nehmen :-). Aber so haben wir alle was zu lachen gehabt und das macht das Leben doch schön!
      LG
      Astrid

  5. 10 Minuten können manchmal ganz schnell verfliegen, das wissen wir Frauen doch, oder? 🙂 Hübsch machen, umziehen, noch mal aufs Klo … das kann schon dauern 🙂
    Liebe Grüße von Kerstin, die am Grinsen ist.

    • Astrid Berg sagt

      Oh ja, 10 Minuten sind für uns Frauen nichts, – sie sind um, bevor wir uns dessen bewusst werden. Nur frage ich mich, ob dies wirklich nur ein Frauen typisches Phänomen ist. Ich glaube, dass auch die Herren der Schöpfung manchmal die Geschwindigkeit mit der 10 Minuten verrinnen können, unterschätzen. Allerdings muss ich zugeben, dass mein Mann eher auf diese Zeitangabe verzichtet hätte und eher gesagt hätte: „Ich bin gleich da!“. Dies ist nämlich ein dehnbarer Begriff. Vielleicht sind da die Männer etwas unpräziser in ihren Zeitangaben und damit wieder genauer ;-).
      Herzliche Grüße
      Astrid

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