Kurzgeschichten, Weihnachten & Ostern
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Aufregung um zwei Schokoladenhäschen

Oma Ina sitzt in ihrem Ohrensessel im Wohnzimmer und strickt an einem Schal für ihre Enkelin Nina. Die Kleine hockt im Schneidersitz auf dem Teppich und blättert in ihrem Bilderbuch. Plötzlich hält sie inne und schaut die Oma an.
„Du Oma, hast du dich als Kind auch immer auf Weihnachten gefreut?“, will sie wissen.
„Aber sicher! Ich wollte doch unbedingt den Weihnachtsmann sehen und außerdem gab es dann immer ein neues Kleidchen für meine Puppe oder ein neues Möbelstück für mein Puppenhaus.“
„Ich freue mich auch auf Weihnachten und den Weihnachtsmann möchte ich unbedingt sehen. Aber…“, die kleine Nina stockt, bevor sie dann hinzufügt: „Du kennst doch den Willi, den Nachbarsjungen.“
Oma nickt. „Der ist dieses Jahr schon in die Schule gekommen, oder?“
„Ja und der hat erzählt, dass es gar kein Christkind und auch keinen Weihnachtsmann gibt. Er hat über mich gelacht und gesagt, dass ich vom Baum der Dummheit gefallen wäre.“
„Da täuscht sich der kluge Willi aber!“, erhebt die Oma Einspruch. „Ich habe ihn nämlich als Kind ganz genau gesehen und sogar mit ihm gesprochen.“
Nina bekommt ganz große Augen und fordert die Großmutter auf:
„Bitte Oma Ina erzähl mir davon!“
„Du weißt doch, dass ich eine Zwillingsschwester habe, die Isa.“
Nina steht auf und rutscht auf Omas Schoß, damit ihr auch nichts von dem entgeht, was die Großmutter zu berichten weiß:
„Die Eltern einer Klassenkameradin hatten eine Schokoladenfabrik. Um sie herum wimmelte es nur so von Schokolade in den verschiedensten Formen und Geschmacksrichtungen.“
„Oh, ist das toll!“, ruft Nina begeistert aus. Ich würde mir den Bauch mit Schokolade vollstopfen, bis es nicht mehr ginge.“
„Ach, das kann ich mir nicht vorstellen!“, lacht Oma Ina. „Sicher, es wäre gelogen, wenn meine Klassenkameradin nicht gerne diese Köstlichkeit gegessen hätte. Aber das, was man ständig haben kann, ist auf einmal gar nicht mehr so begehrenswert. Das ist im Leben mit vielen Dingen so, auch mit Schokolade. Das kannst du mir wirklich glauben. Manchmal aß das Mädchen wochenlang kein einziges Stückchen und zog sogar eine Karotte oder einen Apfel dieser Leckerei vor.“
Nina schaut ihre Großmutter zwar etwas ungläubig an, aber sie möchte sie nicht unterbrechen.
„Die Eltern der Klassenkameradin luden regelmäßig Schulklassen zur Besichtigung in die Fabrik ein. Auch kurz vor Weihnachten war es wieder soweit.“
„Und da kam auch der Weihnachtsmann vorbei?“, will Nina wissen.
„Nein, den haben wir erst später persönlich getroffen“, berichtet die Großmutter. „Nachdem ich einen langen Brief an ihn geschrieben hatte.“
„Welchen Brief denn? Was stand da drin?“
„Na, lass mich erst einmal weiter berichten“; bittet Oma Ina. „Meine Zwillingsschwester Isa und ich standen bei der Besichtigung ein bisschen abseits von der Gruppe. Wir haben die Gelegenheit genutzt und uns zwischen den Regalen umgesehen. Und da haben wir etwas ganz Seltsames erlebt. Es war uns so, als riefe jemand unsere Namen. Wir sahen allerdings niemand. Das Stimmchen war so zart gewesen, dass es nicht von einem Erwachsenen und auch nicht von einem anderen Kind stammen konnte.“
Nina rutscht inzwischen völlig aufgeregt auf dem Schoß der Großmutter herum.
„Als wir die Rufe nach uns wieder hörten, erkannten wir auch woher sie kamen. Im Regal links neben uns standen zwei kleine Skihasen. Als wir uns direkt vor sie stellten, flüsterten sie:
‚Bitte, bitte helft uns! Man will uns einschmelzen und zu Weihnachtsmännern umarbeiten. Bitte, bitte rettet uns!‘“
„Das ist ja schrecklich, – bestimmt habt ihr sie gerettet!?“
„Wir konnten nicht, denn genau in diesem Moment stand der Lehrer schimpfend vor uns und war tüchtig sauer, dass wir uns von der Klasse entfernt hatten.“
„Oh, die armen Skihäschen!“, sagt Nina sichtlich gerührt. „Dann sind sie doch eingeschmolzen worden!?“
„Wir haben uns zu Hause sofort beraten, was wir tun könnten, um die Schokoladenhäschen zu retten. Ja, und so habe ich dem Weihnachtsmann einen langen Brief geschrieben, dass er sich doch bitte um die Rettung der Beiden kümmern möge. Am nächsten Morgen war der Brief verschwunden. Wir glaubten fest daran, dass dieser von Engeln geholt und dem Weihnachtsmann überbracht wurde. Er hat uns allerdings nicht geantwortet.“
„Och!“
„Als dann der Weihnachtsabend kam, waren meine Schwester Isa und ich ganz traurig. Meine Eltern konnten gar nicht verstehen, warum wir uns nicht so recht auf die Bescherung freuten. Gerade als unser Vater die Lichter am Weihnachtsbaum anzündete, klopfte es lautstark an unserer Haustür.“
Nina hält sich erschrocken die Hand vor den geöffneten Mund, denn die Großmutter hatte von dem Kind unbemerkt beim Erzählen mit der Faust auf die Tischplatte geschlagen.
„So sind wir damals auch erschrocken. Wir konnten uns gar nicht mehr rühren und standen wie erstarrt mit dem Blick zur Tür da. Mein Vater ging dann zum Öffnen zur Haustür. Und da stand er. Der Weihnachtsmann höchstpersönlich. Uns hatte es zunächst auch noch die Sprache verschlagen, aber unsere Mutter forderte uns auf artig ein Gedicht aufzusagen, was wir dann auch ein wenig stotternd gemacht haben.“
„Und das war wirklich der echte Weihnachtsmann?“, will Nina wissen, denn ein bisschen zweifelt sie doch.
„Aber sicher!“ Großmutters Stimme klingt fast ein wenig empört.
„Er hat sich für das Gedicht bedankt und jedem von uns ein kleines Säckchen und einen Schokoladenweihnachtsmann überreicht. Isa hatte ihren ganzen Mut zusammen genommen und ihn gefragt, ob er unseren Brief erhalten hätte.“
„Und?“
„Nichts und! Er lachte nur laut sein ‚Hohoho!‘ und meinte er müsse schnell zu den anderen Kindern, die auch auf ihn warten würden.“
„Schade, dann sind sie wohl tatsächlich eingeschmolzen worden. Das ist aber eine traurige Geschichte, Oma. Also hat der Willi doch recht. Es gibt einfach keinen Weihnachtsmann.“
Nina springt von Oma Inas Schoss und will zu Mutter in die Küche gehen, aus der herrlicher Plätzchenduft kommt.
„Willst du den Schluss der Geschichte nicht hören?“
Nina ist erstaunt, denn sie hatte nicht gewusst, dass die Geschichte noch weiter geht.
„Isa und ich hatten keine rechte Freude an den Geschenken des Weihnachtsmannes und auch die beiden Säckchen hatten wir achtlos zur Seite gepackt. Erst als wir schon in unseren Betten kuschelten und Mutter uns Gute Nacht sagen wollte, legte sie uns die Säckchen auf die Bettdecke.
‚Ich denke, der Weihnachtsmann wäre sehr traurig, wenn er wüsste, dass ihr nicht einmal hineinschaut!‘, hatte sie gesagt.
So taten wir ihr den Gefallen. Isa zog einen Apfel, ein kleines Schaukelpferd und ein Puppenkleid heraus. Ich hatte eine Orange, eine kleine Lokomotive und auch ein Puppenkleidchen darin. Achtlos legten wir alles beiseite. Dann kam auch Vater ins Zimmer und meinte: ‚Draußen vor der Haustür habe ich etwas in der Ecke stehen sehen. Kommt doch einmal mit!‘ Wir sind dann extra noch einmal aufgestanden und tatsächlich stand in der Ecke der große Sack des Weihnachtsmannes.“
„Der richtige Weihnachtsmann hätte doch nie seinen Sack vergessen!“, empört sich Nina.
„Das kann man vermuten, aber in dem Sack waren die beiden Skihäschen, die uns glücklich anlächelten!“

 

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8 Kommentare

  1. was für eine schöne Geschichte 😉
    hach ja..
    wenn mir die Schokolade doch nur auch nicht so gut schmecken würde 😉
    liebe Grüße
    Rosi

    • Astrid Berg sagt

      Das wünsche ich mir auch manchmal. Vielleicht sollte man mich einmal in eine Schokoladenfabrik einsperren, damit ich Schokolade nicht mehr riechen und nicht mehr schmecken kann, weil ich mich daran überfr… habe ;-).
      LG
      Astrid

  2. Liebe Astrid,
    wie hübsch! Also gab es doch ein Happy End für die Skihaserln! 🙂
    Ich musste auch an den Film „Charlie und die Schokoladenfabrik“ denken. Tja, und was das „keine Schokolade mehr sehen“-können betrifft, ich verstehe es gut. Meine Tochter ist ja ausgebildete Konditorin, und sowohl sie wie auch wir sind von Torten nicht mehr sonderlich begeistert, weil wir während ihrer Ausbildungszeit so viele Torten „Probe-kosten“ mussten 😉
    Herzliche Adventgrüße von der Traude
    http://rostrose.blogspot.co.at/2017/12/adventzeit-in-rostrosenhausen.html

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Traude,
      ich wünschte, ich würde keine Schokolade mehr sehen können 😉 . Ich finde es immer wieder ein einmaliges Geschmackserlebnis, wenn sie zart schmelzend auf der Zunge zergeht.
      Vielleicht sollte ich als Vorkosterin in einer Schokoladenfabrik anfangen, dann würde mir wahrscheinlich schon beim Anblick schlecht werden ;-).
      Liebe Grüße zum 3. Advent von mir zu Dir
      Astrid

  3. Eine hübsche Geschichte hast du dir da ausgedacht. Ich musste an den Film mit Johnny Depp und der Schokoladenfabrik denken.
    Zu uns daheim kam auch mal der Weihnachtsmann. Es war ein Arbeiter der Fabrik, in der meine Mutti arbeitete. Ich weiß sogar noch, dass ich Geschirr für meine Puppen bekommen habe, weiß und hellblau. Komisch, an solche Dinge erinnert man sich plötzlich. Und Puppenkleider gab es auch immer, gestrickt von einer Bekannten.
    Liebe Grüße von Kerstin.

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Kerstin,
      ja, diesen Film kenne ich auch. Ein Bekannter von uns erzählte mal, dass er während seines Studiums in einer Schokoladenfabrik gejobbt hat. Er konnte keine Schokolade mehr sehen :-).
      Meine Mutter hat meinen Puppen auch Kleider gestrickt oder gehäkelt. Ich erinnere mich z.B. an ein blaues Häkelkleid für meine Sprach- und Laufpuppe.
      LG
      Astrid

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Anja,
      ich freue mich, wenn Dir meine Geschichten gefallen.
      Hab Dank für Deine Besuche und Kommentare auf meiner Seite.
      LG
      Astrid

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