Kurzgeschichten
Kommentare 19

Unser zweites Kennenlernen

Ich habe ja schon in einer der ersten Bloggeschichten erzählt, wie mein Mann und ich uns 1976 kennengelernt haben. Dieses Zusammentreffen fand damals auf dem Schulhof statt und rief bei mir eine Art Verwunderung hervor. Aber wir sollten uns noch ein zweites Mal kennenlernen, obwohl wir uns zu diesem Zeitpunkt schon über drei Jahre hinweg fast täglich gesehen hatten. Das klingt kompliziert, ist es aber nicht:

Peter und ich drückten die letzten drei Jahre unserer Schulzeit gemeinsam die Schulbank. Wir waren bis zum Abitur in einer Jahrgangsstufe und besuchten sogar teilweise die selben Kurse, aber auch das habe ich schon erzählt.
Wir waren Schulkameraden, ansonsten ging jeder seiner Wege. Aber Peter hatte einen Freund, im Grunde genommen war es sein bester Freund, T. Er war groß und schlank und hatte nur Augen für mich. Ich jedoch nicht für ihn, aber er ließ nicht locker. Immer wieder suchte er meine Nähe. Da ich ihn nicht vor den Kopf stoßen wollte, war ich freundlich und nett zu ihm, allerdings eher auf eine unverbindliche Art. Eines Tages, es waren gerade Osterferien, da klingelte unser Telefon. Meine Mutter, die das Gespräch entgegen genommen hatte, reichte mir den Hörer.
„Ach, T., du bist es!“, begrüßte ich den Teilnehmer am anderen Ende der Telefonleitung.
„Ich habe gerade an dich gedacht!“, verkündete er mir. „Ich wollte nur wissen ob du zu Hause bist, denn ich möchte dich gerne besuchen.“
„Ohje“, überlegte ich. „Wie komme ich aus dieser Situation nur wieder raus?“
Zum Glück hatte ich einen Geistesblitz:

„Ach, heute ist doch Ostermarkt bei uns in der Stadt und ich wollte gerade auf den Jahrmarkt gehen.“
„Na prima!“, freute sich T. „Ich hole dich in einer Viertelstunde ab!“
Uff! so war das jetzt aber nicht gemeint gewesen, doch mit meinem zweiten Geistesblitz rettete ich die Lage:
„Hol doch bitte vorher meine Freundin B. ab und bring sie mit!“, schlug ich geistesgegenwärtig vor. Somit war ich auf alle Fälle nicht mit ihm allein unterwegs. T. sprang sofort auf meinen Vorschlag an und wir beendeten das Gespräch, um uns 20 Minuten später vor meiner Haustür zu treffen.
Wir machten uns dann also zu dritt auf den Weg zum großen Parkplatz in der Stadtmitte, der als Festplatz diente. Fröhlich plapperten wir über Dies und Das und ganz nebenbei erzählte T. : „Peter kommt auch noch!“
„Peter?“, fragte ich verblüfft. „Den habe ich bestimmt schon 3 oder 4 Monate nicht mehr gesehen!“
Man muss dazu sagen, dass es damals bei uns die Möglichkeit gab, unter bestimmten Bedingungen das Abitur ein halbes Jahr vorzuziehen. Und genau das hatte Peter getan. Er hatte also das Abitur bereits in der Tasche und machte ein Praktikum, das er für sein Studium brauchte, während wir gerade in den Prüfungen steckten.
Wir waren noch nicht am Festplatz angekommen, da brauste ein orangeroter VW Käfer auf uns zu, parkte am Straßenrand und zwei junge Burschen stiegen aus.
„Astrid!“, rief der eine.
„Peter!“, rief ich und schon lagen wir uns in den Armen.
Seltsam, was ein bisschen zeitlicher Abstand so alles bewirken kann. Er hatte noch seinen Cousin mitgebracht, der zu Besuch war und wir vier verlebten einen schönen gemeinsamen Nachmittag. Und dann wurde auf einmal alles kompliziert.
Es gab nämlich noch einen jungen Mann, der sich für mich interessierte. J. war kein Schulkamerad, ich hatte ihn über eine Freundin kennengelernt. Inzwischen hatte sich die Zahl meiner Verehrer also auf 3 erhöht und ich war mehr als in einer Zwickmühle. Ehrlich gesagt, es machte schon Spaß so umgarnt zu werden und sich für keinen der Herren entscheiden zu müssen. Ich hatte nämlich dafür gesorgt, niemals mit einem alleine zu sein. Wir gingen immer zu viert, nein zu fünft aus, denn ich nahm meine Freundin B. auch noch mit. Wir unternahmen in den folgenden Wochen viel miteinander. Nur manchmal tat mir B. leid, denn sie meinte:
„Wenn du etwas sagst, sind alle ganz Ohr, bei mir hört keiner richtig hin!“
Das war nun auch wieder nicht beabsichtigt und ich spürte, dass das nicht so weiter gehen konnte. Irgendwann würde ich wohl oder übel „Hüh“ oder „Hott“ sagen müssen. Aber jetzt wollte ich das noch nicht! So traten wir immer wieder und überall als Grüppchen auf. Wir gingen zusammen in die Disco, wir trafen uns bei einem von uns zu Hause oder saßen gemütlich bei einem Bier in einer Kneipe. So hätte es weiter gehen können, wenn… Ja wenn, das kleine Wörtchen „wenn“ nicht wäre, …
Eines Samstagabends saßen wir in einer kleinen Kneipe und unterhielten uns. Plötzlich meldete sich einer meiner Verehrer zu Wort und meinte zu mir:
„Du solltest dich langsam mal entscheiden!“
Ich weiß nicht mehr, wer es war und auch nicht wer auf die folgende glorreiche Idee kam. Sie mussten mir jedenfalls meine Verlegenheit angesehen haben und auch, dass mir die Situation äußerst unangenehm war. Ich hatte es ja geahnt, dass irgendwann die Stunde der Wahrheit schlagen würde: Aber warum gerade jetzt?
„Du gehst jetzt bitte mit jedem Einzelnen von uns nach draußen und sprichst jeweils 10 Minuten mit demjenigen. Danach teilst du uns deine Entscheidung mit!“
Jetzt gab es keinen Ausweg mehr für mich. Ich musste da durch! Eigentlich war für mich die Entscheidung schon längst gefallen. Peter und ich hatten uns schon zu tief in die Augen geschaut. Er war nicht mehr der langhaarige etwas verwunderliche Typ, als den ich ihn bei unserem ersten Zusammentreffen drei Jahre zuvor auf dem Schulhof kennengelernt hatte. Mit ihm konnte man zwar immer noch allen möglichen Blödsinn machen, aber auch ernsthafte Gespräche führen. Ich wusste längst, wem ich mein Herz geschenkt hatte und so bedurfte es für mich eigentlich keiner Entscheidung mehr.
Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, was ich in den jeweiligen 10 Minuten mit dem jeweils betreffenden jungen Mann besprochen habe, jedenfalls am Ende dieses scheinbaren Entscheidungsprozesses waren Peter und ich ein Paar. Er war dann auch derjenige, der mich in dieser Nacht mit seinem VW Käfer nach Hause brachte. Zum Abschied küssten wir uns zum ersten Mal und vor lauter Aufregung rutschte Peters Fuß von der Kupplung.
Das ist jetzt fast auf den Tag genau schon 36 Jahre her ( es war der 18. Mai 1979) und nächstes Jahr haben wir unseren 30. Hochzeitstag.

 

Vielleicht interessieren Euch auch noch diese beiden Geschichten:

Die Sache mit der Vorahnung

Das Familien-ABC

19 Kommentare

  1. Wieder so eine schöne Geschichte aus der privaten Schatzkiste 🙂
    Wir kennen uns schon 33 Jahre und haben nächstes Jahr auch 30. Hochzeitstag.
    Liebe Abendgrüße von Kerstin.

    • Astrid Berg sagt

      Ach Kerstin, das ist so schön zu hören bzw. zu lesen, dass auch Ihr schon so lange zusammen seid. Wenn man die Statistiken betrachtet, könnte man fast zweifeln, dass es so lange Ehen überhaupt noch gibt. Dann habt Ihr im gleichen Jahr geheiratet wie wir, nämlich 1986.
      Ich wünsche Euch nochmals dreißig Jahre und mehr!
      Astrid

  2. Ich wünsche euch, dass ihr noch lange so glücklich bleibt. Das Foto gefällt mir. Meine Alben sind auch voll von diesen rotstichigen Bildern, aber es hat auch etwas Nostalgisches.

    LG Anna-Lena

    • Astrid Berg sagt

      Danke Anna-Lena für Deine lieben Wünsche.
      Ich finde es genau wie Du gar nicht schlimm, dass die Fotos etwas rotstichig sind. Sie sind einfach schon alt und außerdem sind sie damals noch mit einfachen Kameras fotografiert worden. Die Technik ist heutzutage eben vorangeschritten. Diese alten Fotos sind durch diesen nostalgischen Touch eigentlich noch wertvoller, – zumindest für mich persönlich. Sie haben einen hohen Erinnerungswert.
      LG und schöne Pfingsten
      Astrid

  3. Eva V. sagt

    Liebe Astrid,
    das hast Du gut gemacht, gell? Mein Mann und ich sind auch schon seit 1970 zusammen, verheiratet seit 1981 und sind immer noch glücklich. Schöne Pfingsten, LG Eva

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Eva,
      ja, ich habe die richtige Entscheidung getroffen, man soll immer auf sein Herz hören. Wir sind immer noch glücklich!
      Aber ihr seid auch schon richtig lange zusammen. Das ist schön! Besonders bei der hohen Scheidungsrate heutzutage.
      Ich wünsche euch ein schönes Pfingstfest
      LG
      Astrid

  4. Martina sagt

    Das gibt es doch gar nicht, jetzt hätte ich diesen herrlichen Post von dir doch fast verpasst! Gut, dass ich ihn noch gefunden habe. Es war einfach köstlich, ihn zu lesen. Ja, so kann es gehen. Aber deine Entscheidung war ganz sicher die Richtige! Bei mir waren es nur zwei, die sich interessierten – lach – mein Mann und sein Freund! Die Entscheidung war auch bei mir die Richtige, denn wir sind jetzt schon seit 36 Jahren verheiratet und unser erstes Zusammentreffen liegt in diesem November 40 Jahre zurück. Und die Sache mit der Kupplung kommt mir auch von irgendwoher bekannt vor, lass mich mal überlegen …. schmunzel!

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Martina,
      da seid ihr ja auch schon ziemlich lange zusammen. Toll! Zum Glück haben wir beide den Richtigen erwischt.
      Ich freue mich, dass Dir meine wahre Geschichte gefallen hat und wünsche Dir und Deiner Familie schöne Pfingsten.
      LG
      Astrid

  5. Das ist ja eine süße Geschichte. Umso mehr als sie wahr ist. Schön, dass du uns dran teilhaben lässt. Das Foto von Euch ist total schön. Und der Gelbstich stört doch eigentlich nicht. Retro ist doch total angesagt. 😉 Es zeigt doch umso besser an, wie lange Ihr schon glücklich seid. LG Tanja

    • Astrid Berg sagt

      Danke Tanja für Deine lieben Worte. Mich stört der Gelbstich auch nicht. Und lange ist es tatsächlich schon her. Ich kann es selbst nicht glauben, dass wir schon 36 Jahre zusammen sind. Wie die Zeit vergeht! Wahnsinn! Als ich die Geschichte geschrieben habe, war es so, als sei es erst gestern gewesen.
      LG und schöne Pfingsten
      Astrid

    • Astrid Berg sagt

      Klasse, dann habt ihr ja schon bald goldene Hochzeit. Das muss dann aber tüchtig gefeiert werden! Und wir wollen dann natürlich im Blog darüber lesen.
      LG und schöne Pfingsten
      Astrid

  6. Liebe Astrid,
    da kann man doch nur von träumen als Frau – so viele Verehrer – Donnerwetter! Ich seh gerade, dass auch dein Foto diesen berüchtigten Orangestich der Fotos aus den 1970er Jahren hat (ich hatte das kürzlich bei mir im Blog erwähnt: http://mainzauber.de/hp2012/2015/05/dinger-gibts/). Da habe ich wohl nicht alleine das Problem. Schade um die Bilder von damals. 1976 habe ich Examen gemacht, 1978 geheiratet, aber da kannte ich meinen Mann bereits seit 1969 – ewig her *lach*.
    Ich wünsche dir fröhliche Pfingsten.
    Herzliche Grüße
    Elke
    Ach ja – Gips? Was hast du denn getrieben? Gute Besserung.

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Elke,
      ja, den Gelbstich finde ich auch schade, aber es sind eben alte Fotos. Ich habe auch keine Fotobearbeitung benutzt, mir fehlt ein bisschen die Zeit.
      Ach ja, der Gips. Das war meine eigene Schuld und Dummheit 🙂 Schau doch mal in meinen Blog unter „Dies & Das und sonst noch Was“
      Aber nun ist er wieder ab und ich bin auf dem Sprung zur Physiotherapie.
      LG und schöne Pfingsten
      Astrid

    • Astrid Berg sagt

      Ach, ich glaube mit dem Link hat es jetzt nicht geklappt, aber Du findest es sicherlich. Entschuldige, aber ich muss mich jetzt beeilen.
      LG
      Astrid

      • Ach du lieber Himmel – ja. Also Rollschuh fahren würde ich mit mittlerweile zweiundsechzig nicht mehr wollen, aber manchmal muss ich auch beim Rad fahren aufpassen. Ich habe mich auch schon zweimal in den letzten Jahren verletzt, als ich einfach meine Kräfte nach einer langen Tour überschätzt habe. Da bleib man hängen und stürzt und solche Sachen. Ich wünsche dir gute Besserung. Und das mit dem Fingernägel lackieren . . . das war doch sicher deine kleinste Sorge – oder?
        Lieben Gruß
        Elke

        • Astrid Berg sagt

          Hallo Elke,
          entschuldige, aber ich war vorhin in Hektik, dann hat mir die Technik noch einen Streich gespielt und dann ging das mit dem Link einfach schief.
          Es war eigentlich kein schlimmer Sturz, ich saß einfach nur auf meinem Allerwertesten, aber wenn man keine Handgelenkschützer trägt, ist man selbst schuld. Aber das ist jetzt egal. Das war mein erster Gips und diese Erfahrung musste ich mal machen. 🙂 Man sollte diese Sportarten vielleicht doch eher auf die Jugend beschränken,- bin halt auch schon 55 (nein, erst am 1. Juni).
          LG
          Astrid

  7. Liebe Astrid,
    da es nun schon so lange gehalten hat, hat dein Herz wohl die richtige Wahl getroffen. Wie schön ist es, an deinen Erinnerungen teilhaben zu können!
    Herzliche Grüße und einen schönen Tag dir
    Regina

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Regina,
      danke für Deine lieben Worte. Wir können es selbst kaum fassen, dass dies alles schon so lange her ist. Ich denke, auf 36 gemeinsame Jahre darf man stolz sein.
      LG
      Astrid

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert