Kurzgeschichten, Reisen
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Meine Mutter und die Zugspitze

Urlaub ist etwas Schönes. Man kann viel erleben und hat hinterher einiges zu erzählen. So eine Auszeit vom Alltag muss nicht immer lang sein. Manchmal reichen schon ein paar Tage, um die Hektik und den Stress hinter sich zu lassen. Unser Sizilienurlaub hat uns wieder Kraft und Energie gegeben, um die kommenden Herausforderungen zu bewältigen. 

Als wir von Sizilien aus zu Hause anriefen, berichtete uns unser Sohn, dass er einen Städtetrip plane.
„Ich fahre mit meiner Freundin drei Tage nach München!“
Und von dort schrieb er mir an einem Sonntag, dass sie gerade auf dem Weg zur Zugspitze seien. Obwohl wir zu diesem Zeitpunkt noch auf Sizilien waren, verspürte ich ebenfalls die Lust wieder einmal in die Berge zu fahren. Mit meinen Eltern war ich als Kind oft in Rottach-Egern am Tegernsee gewesen und ein Ausflug auf den Walberg gehörte immer auch dazu. Auf der Zugspitze waren mein Mann und ich hingegen noch nie, was wir aber sicherlich bald einmal nachholen werden. Die Fotos, die unser Sohn uns zeigte, machen es zu einem unbedingten Muss.
Als ich jetzt gerade bei einem Telefonat mit meiner Mutter davon schwärme, erzählt sie mir eine kleine Geschichte:
„Ach“, meint sie „da war ich vor vielen Jahrzehnten auch schon einmal! Es war im Jahre 1954, jedenfalls steht dies auf den Fotos hinten drauf.“
Und dann berichtet meine Mutter weiter und ich lausche gespannt diesen Ausführungen:
„Es war wunderschön dort oben. Wir sind mit der Zugspitzbahn hochgefahren. Oben lag Schnee und es schneite, aber die Sonne strahlte mit uns um die Wette. Blauer Himmel, Sonne und Schnee es war einfach nur traumhaft. Und dann dieser Ausblick!“, schwärmt meine Mutter.
„Ja!“, bestätige ich. „Timo hat uns Bilder gezeigt und das sieht alles genauso aus, wie du es eben beschrieben hast. Er ist allerdings mit der Seilbahn hoch gefahren.“
„Aber“, beginne ich meine Frage: „Mit wem warst du eigentlich auf der Zugspitze?“
„Wir waren damals eine ganze Gruppe. Es war ein Betriebsausflug!“
„Dass du dich noch so genau daran erinnern kannst!“, lobe ich meine Mutter. „Das war doch etliche Jahre vor meiner Geburt. Und die ist ja inzwischen auch schon ein Weilchen her“, muss ich mir selbst eingestehen.
Meist kann man sich an so weit zurückliegende Ereignisse nur erinnern, wenn mit ihnen noch ein besonderes Erlebnis verknüpft ist, also bin ich gespannt, was jetzt folgen wird.
„Wir kamen oben an der ersten Bahnstation an, stiegen aus und hatten schon etwas wackelige Knie, aber der traumhafte Blick entschädigte uns dafür. Auf einem der Fotos steht noch der Stationsname ‚Riffelriß‘ .Ich kann mich nicht mehr ganz genau erinnern, aber ich glaube, dann ging es mit der Bahn noch weiter nach oben und ob dann der letzte Rest noch mit der Seilbahn zurückgelegt wurde, weiß ich nicht mehr. Es ist einfach alles schon so lange her.“
„Trotzdem scheint es etwas zu geben, was dir anscheinend noch gut im Gedächtnis geblieben ist“, forsche ich weiter nach.
„Ja!“, stimmt mir meine Mutter zu. „Wir fuhren also später wieder nach unten und stellten uns etwas abseits des Treibens.“
„Wer ist denn wir?“, erkundige ich mich.
„Na, die Frauen aus der Firma“,erklärt mir meine Mutter. „wir waren alles junge Frauen, standen im Grüppchen da und warteten auf die männlichen Betriebsangehörigen. Sie waren erst nach uns in die Zugspitzbahn gestiegen. Wir standen da, alberten ein bisschen herum, denn wir waren ja guter Dinge. Plötzlich fiel mein Blick auf einen fremden jungen Mann, welcher der Schaffner war. Mir fiel auf, dass er seinen Blick auf mich richtete, auf mich zu marschierte und etwas in der Hand hielt.“
Während meine Mutter so erzählt, habe ich die Szene bildlich vor Augen. Von Fotografien her weiß ich, dass meine Mutter eine sehr hübsche junge Frau mit pechschwarzem Haar war, die mit Sicherheit viele Verehrer hatte. Wegen der Haarfarbe nannte man sie früher bewundernd ‚Die Schwarze’. Erst neulich meinte ein Bekannter, dem ich ein Foto meiner Mutter aus deren Jugend zeigte, dass sie wie eine Filmschauspielerin aussehen würde. So wundert es mich auch jetzt nicht, dass ein ihr fremder Schaffner sie damals an der Zugspitzbahnstation anschaute.
„Weißt du noch, was er in der Hand hatte?“, frage ich nach, denn ich denke mir, dass dies ein wichtiges Detail der Geschichte ist, sonst hätte es meine Mutter nicht erwähnt.
„Ja“, meint sie. „Als er näher kam, erkannte ich, dass es ein Erikastöckchen war. Während er so auf unsere Gruppe zulief, fiel er selbstverständlich auch meinen Arbeitskolleginnen auf. Meine Freundin, die neben mir stand, fixierte den jungen Mann regelrecht.“
Inzwischen bin ich richtig neugierig geworden, was damals passiert war, aber meine Mutter hält für ein paar Sekunden mit der Erzählung inne, so als wolle sie die Spannung erhöhen.
„Und dann?“, fordere ich sie zum Weitererzählen auf.
„Er streckte die Hand, in der er das Erikapflänzchen hielt in meine Richtung aus. Genau in diesem Moment schnellte die Hand meiner Freundin neben mir vor und wollte danach greifen. Der junge Mann zog jedoch blitzschnell seine eigene Hand mit der Pflanze zurück und sagte:
‚Nein, das ist nicht für Sie, sondern für die hübsche junge Dame neben Ihnen!‘ “
„Hast du die Erika genommen?“, will ich von meiner Mutter wissen und schiebe gleich noch eine zweite Frage hinterher.
„Und wie hat deine Freundin reagiert?“
„Ja klar habe ich das Erikastöckchen angenommen, ich habe mich ja darüber gefreut. Und meine Freundin war, glaube ich, ein wenig eingeschnappt, denn sie meinte nur:‚Immer die Schwarze!‘ “

„Was hast du denn mit der Erikapflanze gemacht?“, frage ich noch.

„Ich habe sie anschließend mit in die Unterkunft genommen. Aber dort habe ich sie auch gelassen, als es am nächsten Tag wieder zurück nach Hause ging.“

„Eine schöne Geschichte!“, sage ich zu meiner Mutter und spüre wie sie am anderen Ende der Telefonleitung lächelt.

 

 

 

* Alle Fotos sowie der Videofilm stammen von unserem Sohn.

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Und hier gibt es noch einen kurzen Videofilm, den unser Sohn aufgenommen hat.

12 Kommentare

  1. Astrid Berg sagt

    Hallo Biggi,
    ich verstehe das auch nicht. Bei den meisten klappt es, aber bei einigen auch nicht. Aber auch auf diesem Wege freue ich mich über den lieben Kommentar.
    Ich war auch noch nie auf der Zugspitze und bin so begeistert, dass ich unbedingt da mal hin muss!
    LG
    Astrid

  2. Astrid Berg sagt

    Biggi schreibt:

    Hallo liebe Astrid,
    ich verstehe es nicht, ich kann wieder nicht bei Dir kommentieren L
    Jetzt habe ich drei Versuche gestartet „Firefox“ „Explorer“ und „Google Chrome“ es funktioniert einfach nicht.
    Hier mein Kommentar zu: Meine Mutter und die Zugspitze
    Hallo liebe Astrid,
    Urlaub ist wirklich etwas Schönes und man zerrt lange davon.. wie auch Deine Mutter J
    Danke das Du uns diese schöne Geschichte erzählen durftest. Die Fotos und das Video sind Klasse… ich bin begeistert, denn ich war noch nie dort.

    Liebe Grüße
    Biggi

  3. Hallo Astrid, was für eine kleine aber ungemein schöne Begebenheit. Man sieht seine Eltern so auch noch mal mit anderen Augen. Als Kind kann man sich ja meist gar nicht vorstellen, dass die Eltern mal klein oder jung waren. Übrigens muss ich Dir mal ein großes Lob aussprecen für die tollen Bilder, die zu Deinen Texten gehören. Das gefällt mir wirklich gut. Sie machen Lust, den dazugehörigen Text zu lesen und sind immer stimmig mit ihnen.
    Liebe Grüße
    Tanja

    • Astrid Berg sagt

      Danke liebe Tanja,
      Du hast Recht, das merke ich auch bei unserem Sohn. Wenn man die eine und andere Begebenheit aus der Jugend erzählt, die übrigens nicht viel anders sind als bei den jungen Leuten heute auch, dann sieht man manchmal die Verwunderung in den Augen. Tja, auch die Eltern waren einmal jung. 🙂
      LG
      Astrid

  4. Eva V sagt

    Liebe Astrid, danke, dass du uns an den Videos deines Sohnes teilnehmen lassen hast und deine Geschichte, zaubert auch ein Lächeln auf mein Gesicht. LG Eva

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Eva,
      ich bin auch ganz fasziniert von dieser tollen Bergwelt, die mein Sohn auf Video und im Foto festgehalten hat.
      Einen schönen Abend und LG
      Astrid

    • Astrid Berg sagt

      Danke Björn, ich werde es meinem Sohn ausrichten. Und als Mutter bin ich natürlich stolz bei so einem Lob.
      LG
      Astrid

  5. Ich war da auch noch nie. Eine nette Begebenheit hat Deine Mutter da erlebt. Solch kleine Geschichten vergisst man oft nicht, besonders nicht mit jungen Männern 🙂
    Viele Grüße von Kerstin – und danke, dass Du uns diese Geschichte erzählen durftest und Dein Sohn die Aufnahmen bereit gestellt hat.

    • Astrid Berg sagt

      Hallo Kerstin,
      danke für Deinen netten Kommentar. Ich habe mich auch sehr gefreut, dass meine Mutter und mein Sohn mir quasi das Material für meinen Blogbeitrag geliefert haben.
      Wer weiß, vielleicht laufen wir uns dort oben auf der Zugspitze mal über den Weg 🙂
      LG
      Astrid

  6. Martina sagt

    Genau dass dachte ich am Schluss auch: Deine Mutter hat ganz sicher über diese ‚alte‘ Geschichte gelächelt! Schön war sie (die Geschichte und wohl auch deine Mutter ;-). Gut, dass sie dir diese kleine Begebenheit anvertraut hat. Bei dir war sie in guten Händen. Danke, dass du sie mit uns teilst! LG Martina

    • Astrid Berg sagt

      Danke Martina für die netten Worte. Meine Mutter weiß, dass ich diese Geschichte in meinen Blog festgehalten habe und sie ist ein ganz großer Fan meiner Geschichten. Immer, wenn ich sie besuche, lese ich ihr meine Geschichten vor und sie hört aufmerksam zu. Über ihr anschließendes Lob freue ich mich natürlich sehr.
      Einen schönen Abend und LG
      Astrid

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