Kurzgeschichten
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Goldener Herbst

Endlich ist er da: Der goldene Herbst, so wie ich ihn liebe. Keine Kälte, keine Nässe und auch kein Nebel. Purer Sonnenschein. Ich weiß, er wird heute nur für wenige Stunden bleiben, denn wie gesagt, es ist ja schon Herbst. Ich kann nicht anders, ich muss diese Zeit nutzen und Sonne tanken. Außerdem ist es Sonntag und mir läuft die Arbeit sowieso nicht weg.
Also mache ich mir eine Tasse Tee, gehe hinaus in unseren Garten und setze mich auf einen der beiden Liegestühle, die genau für solche Gelegenheiten noch nicht im Gartenhaus verstaut sind. Ich richte ihn mir aus und recke mein Gesicht der Sonne entgegen, deren Strahlen mich sanft an der Nase kitzeln. Die Augen geschlossen, lausche ich der Stille, die eigentlich keine ist. Aus der Ferne klingen Kirchenglocken und aus unseren Bäumen dringt sogar noch ein zartes Vogelgezwitscher zu mir herüber.
„So kann es bleiben“, denke ich mir und blicke mich in unserem Garten um.
Mein Mann kommt mit einer Tasse Kaffee in der Hand zu mir und lässt sich auf dem zweiten Liegestuhl nieder.
„Unser Garten gefällt mir“, sagt er und ich nicke stumm als Bestätigung.
„Ich werde nachher die Tulpenzwiebeln einsetzen, die ich mir gestern besorgt habe“, überlege ich in Gedanken. Oder sollte ich es doch laut gesagt haben? Mein Mann meint nämlich: „Hie und da muss ich noch ein bisschen was wegschneiden und den einen oder anderen Busch wieder in Form bringen.“
„Womit wir beim Thema „Arbeit“ wären“, durchzuckt es meine Gedankengänge und ich erhebe mich, weil mir mein voller Mülleimer in der Küche eingefallen ist.
Als ich meinen Müll zur Tonne trage, sehe ich aus den Augenwinkeln, dass sich mein Mann die Gartenschere gegriffen hat.
„Hey!“, ruft es plötzlich. „Warum musst du ausgerechnet hier entlang gehen?“
„Igitt!“, rufe ich aus und versuche es abzustreifen. „Ich hasse das!“
„Ich auch!“, erklingt es von irgendwo her.
Ich drehe mich um, kann aber niemand sehen. Wieder versuche ich es abzustreifen und weil ich es so ekelig finde, schüttelt es mich.
„Ich habe mir so viel Mühe gegeben!“, höre ich. „Und dann kommst du daher!“
Inzwischen ärgere ich mich über mich selber, denn es ist nicht das erste Mal, dass es mir an dieser Stelle passiert ist. Somit sollte ich es doch mittlerweile wissen, – zumindest, dass die Gefahr besteht, dass …
„Weißt du überhaupt, wie lange es gedauert hat, bis ich damit fertig war. Immerhin war ich kurz vor der Vollendung.“
Ich kratze mich am Kopf und werfe meinen Müll in die Tonne. Bevor ich um die Ecke gehe, höre ich schon wieder diese Stimme:
„Zumindest entschuldigen könntest du dich bei mir!“
Jetzt platzt mir aber der Kragen und ich schreie heraus:
„Wer sich bei wem entschuldigen sollte, das ist noch die Frage! Du solltest es bei mir tun. Immerhin habe ich jetzt den Ärger.“
„Und was ist mit meinem Ärger? Ich muss jetzt wieder von vorne beginnen. Auf meine Entschuldigung kannst du lange warten! Dankbar solltest du mir sein!“
„Dankbar? Ich? Dir?“
Ich schnappe nach Luft, um meiner Empörung Ausdruck zu verleihen. Auf dieser Welt kann man sich nur noch wundern.
„So eine Unverschämtheit!“, murre ich.
„Aber sicher solltest du es tun. Früher hätten sich die jungen Mädchen gefreut, weil sie dann glaubten, dass ihnen eine baldige Hochzeit bevorsteht.“
„Ich freue mich aber nicht. Ein junges Mädchen bin ich nicht mehr und verheiratet bin ich außerdem auch schon!“, blaffe ich zurück.
„Mit wem redest du hier eigentlich?“, will mein Mann wissen, als er auf mich zukommt. Doch bevor ich antworten kann, zupft er mir lachend etwas aus dem Haar.
„Ja, ja, der Altweibersommer mit seinen Spinnweben im Haar! – Die arme Spinne ärgert sich bestimmt, dass du ihr Netz zerstört hast, das sie mit mühevoller Arbeit gewebt hat.“

 

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11 Kommentare

  1. Liebe Astrid,
    schnell habe ich gewusst, um was es da geht. Einerseits mag ich keine Spinnenfäden und -netze (und erst recht nich in der Wohnung!), andererseits aber bewundere ich diese Kunstwerke, die diese kleinen Tierchen weben und kleben.

    Viele Grüße
    Traudi

    • Astrid Berg sagt

      Ja, liebe Traudi, mit den Spinnweben ist es so eine zwiespältige Sache. In der Wohnung kann ich sie nicht leiden und bin schon beim ersten Faden rigoros. In der Natur kann ich sie bewundern, – solange ich nicht in eines dieser Kunstwerke hineinrenne. Das ist eckelig und einfach nur schrecklich. Schon die Vorstellung, dass die Spinne dann möglicherweise irgendwo auf mir sitzen könnte, bringt mich innerlich in Panik.
      LG
      Astrid

  2. Christine R. sagt

    Igitt, igitt, Astrid – darauf wäre ich ja nun nicht gekommen – ausgerechnet ein Spinnennetz!
    DAS möchte ich ja nun nicht in den Haaren haben! Am Ende noch mit seiner Besitzerin drin …
    Mir kann eine Maus vor die Füße laufen, ich habe weder Angst vor Ratten noch vor Schlangen – aber Spinnen? Um Himmels willen!
    Am letzten Samstag hat sich so ein Vieh in meinem Auto abgeseilt, direkt vor meinen Augen … ich bin sofort an den Straßenrand gefahren und aus dem Auto geflüchtet. Dabei war das nur ein „Spinnlein“!
    Mein Mann hat dann das Steuer übernommen – ICH wäre um keine Preis der Welt weitergefahren! Dabei hatte sich der blinde Passagier längst verzogen …
    Liebe Grüße
    Christine

    • Astrid Berg sagt

      Die Angst habe ich auch immer, liebe Christine, dass die Spinne dann eventuell in meinem Haar sitzt. Alleine der Gedanke daran lässt mich erschaudern und bringt mir das große Jucken 🙂 .
      Im Auto kann ein solch kleines Spinnlein richtig gefährlich sein, ebenso wie Mücken und Fliegen, die einen während der Fahrt zu ärgern versuchen. Gut, dass Du vorsichtshalber an den Fahrbahnrand gefahren bist und Deinem Mann das Steuer überlassen hast.
      Herzliche Grüße
      Astrid

  3. Liebe Astrid, ich wusste sofort worum es ging. Ich kann das nämlich auch. Es sind filigrane Meisterwerke, die da entstehen. Wenn sie nur nicht so klebrig wären…LG Tanja (die endlich, endlich auch mal wieder Zeit für Bloggerei hat)

    • Astrid Berg sagt

      Hallo liebe Tanja,
      diese Meisterwerke bewundere ich im Garten auch gerne, allerdings auf Distanz, denn der Kontakt damit ist weniger schön. Das ist einfach nur ekelig.
      Ich habe immer mal nachgesehen, ob es bei Dir Neuigkeiten gibt und werde auch gleich wieder zu Dir rüber hopsen.
      LG
      Astrid

  4. Jetzt habe ich aber gerätselt, was dir da passiert ist. Nee, auf die Spinnwebe wäre ich nicht gekommen. Dachte eher an eine glitschige Nacktschnecke, aber auf der wärst du höchstens ausgerutscht 🙂
    Liebe Abendgrüße von Kerstin, die die Spinnennetzte auch eklig findet, aber schön sehen sie im Sonnenlicht schon aus.

    • Astrid Berg sagt

      Igitt, auf eine Nacktschnecke möchte ich wahrlich nicht treten. Aber Spinnweben im Gesicht und in den Haaren sind auch nicht gerade schön. Mich schüttelt und juckt es dann immer und das Gefühl hält auch eine ganze Weile an.
      LG
      Astrid

  5. Liebe Astrid, herzliche Abendgrüße.
    Was war das für ein wundervoller , warmer und sonniger Herbsttag mit blauem Himmel.
    Bei unseren früheren Wald-Wander-Familienausflügen mit den Kindern, streiften wir auch durch das Unterholz der Wälder und zwischen Bäumen und Sträuchern. Dabei erwischten wir so einige Spinnweben und wenn die dann ins Gesicht kamen, das war schon unangenehm und das Gefühl blieb auch eine Weile, da konnte man sich das Gesicht so viel wie man wollte mit der Hand abwischen, es blieb lange noch unangenehm. Das Spinnennetz im Haar dagegen war ja nicht so schlimm.
    Im Garten von der Schwester meiner Pflegemutter war immer im Sommer, bei meistens 28 Grad , am Wochenende das Heckeschneiden angesagt, weil sie dann meine Mutter, sprich ihre Schwester und den Schwager, meinen Pflegevater, für diese Arbeit heranziehen konnte. Ihr Mann war, als ich 8 Jahre war, verstorben. Mit 15 Jahren tat ich dann auch schon mal Hecke schneiden. Das machte mir sogar Spaß. Alles noch mit einer großen Gartenschere. Damals hatten wir keine elektr. Heckenschere.
    Aber es war schon komisch, immer sollten wir die Hecke bei so ner Hitze schneiden. Ich muß aber dazu sagen, daß wir ja nur am Wochenende zur Tante fuhren.
    Um Gerümpel zu entsorgen, gruben mein Pflegevater und ich abwechselnd eine sehr große und tiefe Grube im Garten und darin verschwanden Liegestuhl aus Holz, Holzklappstühle und vieles mehr. Das war für mich als 14-Jährige ein aufregendes Ereignis, zumal auch die alte Küche im Untergeschoß des Einfamilienhauses meiner Tante aufgelößt und in die erste Ebene versetzt wurde.
    Gartenarbeit kenne ich von klein auf. Mit dem Spaten schön gerade in Linie umgraben, dann harken und Beete formen mit Schnur abstecken.
    Gemüse und Kräuterbeete waren zu meiner Kinder-und Jugendzeit noch wichtig. Blumenbeete für das Wohlgefühl. Obstbäume waren auch notwendig. Bis 1960 hatte Mutter noch eingekocht.
    So, das wars wiedermal, bin schon zu sehr abgedriftet.
    Alles Gute, tschüssi Brigitte

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Brigitte,
      ich staune immer wieder, welche Erinnerungen meine Geschichten und Gedichte bei Dir hervorrufen. Danke, dass Du sie mir an dieser Stelle erzählst.
      Ich bin 1960 geboren und kann mich erinnern, dass meine Mutter in meiner Kindheit auch noch eingekocht hat. In unserem Garten konnten wir jedes Jahr Kartoffeln, Bohnen, Erbsen, Salat, Karotten,Tomaten,…und Obst ernten. Nicht nur eingekocht, sondern auch entsaftet wurde.
      Liebe Grüße von Astrid, die heute noch ein paar Blumenzwiebeln im Garten vergraben möchte, damit es im Frühling gleich schön bunt blüht bei uns 🙂 .

      • Liebe Astrid, ich habe in meinem Blog eine Kategorie der Erinnerungen und in dieser sind alle meine Geschichten aufgeschrieben. Die kannst Du ja nicht alle gelesen haben und deshalb schreibe ich zu Deinen Beiträgen die etwas gekürzte, passende Erinnerungsgeschichte von mir, um unsere schriftl. Unterhaltung damit vielleicht noch lebendiger und bunter zu gestalten. Aber Du hast Recht, mir fällt gleich wieder mein eigenes Erlebnis dazu ein. Bei Klassentreffen sind meine Mitschüler auch oftmals sehr erstaunt, was ich von unserer Schulzeit noch so alles weiß. Vieles haben sie vergessen.
        Liebe Grüße und einen guten Tag wünscht Brigitte.

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