Auf Anhieb fallen wahrscheinlich nicht nur mir die lustigen Vater – und – Sohn – Bildgeschichten des Zeichners E.O.Plauen (Erich Ohser) ein. Der kleine dicke Vater und der strubbelige Sohn haben inzwischen die Herzen von Kindern und Erwachsenen erobert. Aber in jeder Familie, in der es einen Sohn gibt, existieren auch Vater – und – Sohn – Geschichten, also auch bei uns:
Wie jeder weiß, kommen bei Vätern oft Kindheitsträume wieder zum Vorschein, die dann mit dem Sohn in die Tat umgesetzt werden. Unzählige Väter, manchmal sogar schon werdende Väter, holen wieder ihre Eisenbahn vom Dachboden. Mein Peter natürlich auch. Aber da gab es noch etwas anderes. Als Kind hatte er ein Flugzeug gebaut, das allerdings irgendwann zerschellte. Hieran war meine Schwägerin nicht ganz unbeteiligt gewesen. Man kann es kaum glauben, denn heute hat Peter als Professor einen Lehrstuhl für Flugantriebe inne und seine Schwester ist Stewardess geworden. Daher ist es eigentlich nur logisch, dass Peter mit unserem Sohn Timo auch irgendwann einmal das Thema Fliegen und Flugzeug in Angriff nahm.
„Was hältst du davon, wenn wir uns ein Modellflugzeug kaufen?“, schlug er unserem damals etwa elfjährigen Sohn vor.
„Oh ja, das ist toll!“, sprang Timo sofort darauf an. „Aber ein richtig Tolles und mit Fernsteuerung!“
Also ging es an einem Samstag zum entsprechenden Geschäft. Sowohl Timo als auch mein Mann bekamen beim Anblick der vielen verschiedenen Modelle, egal ob Autos, Flugzeuge, Motorräder oder Schiffe glänzende Augen.
„Haben Sie denn schon einmal ein ferngesteuertes Flugzeug in die Luft gebracht?“, fragte der Verkäufer, der meinem Mann schon einige kleinere Triebwerke geliefert hatte.
„Tja“, meinte mein Mann. „Ich kenne mich zwar mit den Antrieben aus, aber ich habe das letzte Mal als Kind versucht ein Modellflugzeug fliegen zu lassen. Aber das dürfte ja wohl kein Problem sein.“
„Ich denke, wir sollten dann mal zu den Anfängermodellen gehen“, schlug der Verkäufer vor.
„Ja, aber so ein kleines Spielzeug sollte es nun auch wieder nicht sein. Schon was Ordentliches!“, verkündete Peter.
Nun gut, wir fanden dann auch ein Modellflugzeug, das eine Spannweite von ungefähr 1,5 Metern hatte und einen entsprechenden Antrieb mit Fernsteuerung besaß. Es war aus gelbem Styropor gebaut und nicht in unendlich viele Kleinteile zerlegt. Somit wurde es der kindlichen und väterlichen Ungeduld gerecht, denn es war schnell einsatzbereit.
An einem schönen Sonntagvormittag sollte es dann soweit sein. Wir hatten uns schon überlegt, welche Wiese wohl für den Jungfernflug geeignet sei. Sie war etwas außerhalb eines Dorfes gelegen und groß genug, um das Flugzeug ausgiebig zu erproben und Kreise am Himmel ziehen zu lassen.
Alle Nachbarn in unserem Stichweg standen um unser Flugzeug herum und bewunderten dieses tolle Stück.
„Na, dann lasst es mal schön fliegen und hinterher eine gute Landung!“, wünschten sie uns noch, als wir ins Auto einstiegen.
Timo und Peter freuten sich riesig und ich war einfach nur gespannt. Ich überlegte mir, ob ich mich trauen und das Flugzeug, wenn auch nur ganz kurz, ebenfalls durch die Lüfte kreisen lassen würde. Die Landung würde ich dann Peter oder vielleicht sogar Timo überlassen, denn ich hatte keinerlei Erfahrung mit diesen ferngesteuerten Dingern. Und kaputt machen wollte ich ja auch nichts.
Peter gab Timo noch einige Instruktionen bezüglich der Steuerung und wann er denn Schub geben sollte. Er selbst ging dann mit dem Flugzeug in der Hand etwa fünfzig Meter weiter. Er hielt das Flugzeug hoch und drehte sich zu Timo, um ihm das vereinbarte Kommando zu geben:
„Also los!“, befahl er.
Der Motor surrte, der Propeller drehte sich, es war ideales Flugwetter, – einfach alles perfekt. Peter lief noch ein paar Schritte und tat dann das, was in der Anleitung zum Flugstart beschrieben stand. Er warf den großen gelben Flieger in die Luft.
„Perfekt!“, hätten wir uns gewünscht ausrufen zu können.
So weit kamen wir gar nicht erst, denn dieser Jubelruf wurde durch einen Aufschrei meinerseits überholt.
„Oh nein!, rief ich entsetzt aus, als ich sah, wie das Flugzeug seine Spitze in den Boden rammte.
Nun standen wir inmitten der großen Wiese um unseren Flieger herum.
„Ist halb so wild!“, beruhigte Peter unseren Timo, denn dieser ließ sehr verdächtig den Kopf hängen und verzog schon sein Gesicht.
„Das kann man wieder kleben, deshalb haben wir ja einen Styroporflieger genommen.“
Also fuhren wir einerseits etwas frustriert nach Hause, aber andererseits trugen wir die Hoffnung in uns, dass die Sache beim nächsten Mal besser klappen würde. Peter meinte nämlich, dass der Flieger oder besser gesagt dessen Gewicht noch richtig ausgetrimmt werden müsse. In der häuslichen Garage wurden die Reparaturarbeiten noch am gleichen Tag durchgeführt. Allerdings musste der Kleber vor dem nächsten Versuch erst noch aushärten.
Am nächsten Samstag verluden wir wiederum den Flieger ins Auto und ab ging die Post, um zehn Minuten später wiederum mit den Einzelteilen zurück zu kehren.
Bei unserer Rückkehr waren wir dann in unserer Straße auch Gesprächsthema Nummer eins. Eigentlich waren nicht wir der Diskussionspunkt, sondern eher der Start und der Absturz unseres Fliegers. Man kann sich vorstellen, dass aus allen Richtungen gute Ratschläge auf uns einprasselten.
„Man muss nur einfach auf das Gewicht achten, denn vorne darf er nicht so schwer sein“, erklärte uns ein Bekannter, der bereits Erfahrungen mit ferngesteuerten Autos hatte und möglicherweise als Kind auch einmal einen Papierflieger hatte steigen lassen.
„Das nächste Mal komme ich mit! Das klappt dann schon!“, erzählte er uns siegessicher.
So war es dann auch – teilweise.
Wir bestiegen am darauf folgenden Wochenende also zu Viert das Auto: Peter, Timo, ich und unser hilfreicher Bekannter. Die übrigen Nachbarn winkten uns noch zu und zeigten uns gestenreich an, dass sie uns die Daumen drücken würden.
Wir fuhren also zu der besagten Flugwiese und stiegen aus. Peter holte den Flieger aus dem Kofferraum und Timo schnappte sich die Fernsteuerung. So marschierten wir unter den Anweisungen unseres Bekannten zum Mittelpunkt der Wiese, wohlweißlich darauf achtend, dass sowohl Bäume als auch Straßen weit genug entfernt waren.
Timo strahlte. Der Bekannte gab mit ernster Miene einige Belehrungen zum Besten. Peter war hoch konzentriert. Und ich brachte mich vorsichtshalber schon mal in Sicherheit.
Peter hielt den Flieger hoch, der Propeller drehte sich, der Motor surrte, unser Bekannter gab das Kommando und das Flugzeug flog.
Wie lange es sich in der Luft hielt, konnte später keiner mehr sagen. Allerdings können es nur Sekunden gewesen sein, denn dann setzte es sofort wieder zum Sturzflug an.
Dieses Mal waren die Beschädigungen schon etwas ausgeprägter, doch reparierbar, unser Bekannter etwas kleinlauter und Timo aller Hoffnungen beraubt.
Während Peter und unser Bekannter noch beratschlagten, welche Verbesserungsmöglichkeiten es geben könnte, legten Timo und ich das Thema Modellflieger mehr oder weniger ad acta. Wir waren uns nämlich einig darüber, dass unser Bekannter lieber weiter mit seinen ferngesteuerten Modellautos durch die Gegend rasen sollte und Peter einfach nur weiterhin seinen Studenten beibringen sollte wie man Triebwerke baut.
Übrigens: Das große gelbe Flugzeug ist niemals wieder gestartet, aber es existiert noch. Vielleicht kann Peter es später einmal als Großvater wieder aktivieren, – dann möglicherweise mit größerem Erfolg. Zumindest ist es mit seinen wenigen Flugsekunden jetzt schon in die Familiengeschichte eingegangen.
Hallo Astrid,
bei Deiner Geschichte musste ich doch sehr schmunzeln, denn ich hab hier so einen Modellflieger zuhause – damit meine ich meinen Göttergatten. Er schafft es zwar, den Segler länger als ein paar Sekunden in der Luft zu halten, aber den ein oder anderen Bruch hatten wir auch schon im Laufe der Zeit. Vor ein paar Wochen hat er einen seiner Flieger in einem hohen Baum gelandet und ist dann bei jedem kräftigeren Wind zum Modell-Flugplatz gefahren um zu gucken, ob der Segler schon ganz runter gekommen ist.
Wer weiß, vielleicht kommt auch Euer Flieger irgendwann doch nochmal zum Einsatz.
Liebe Grüße
Kerstin
Hallo Kerstin,
ja, so ist das mit unseren Männern 😉
Ich hoffe, Euer Flieger ist wieder einsatzbereit und kann im Frühjahr wieder starten! Na, dann guten Flug und gute Landung!!!
LG
Astrid
Liebe Astrid, sehr schöne Geschichte. Das gleiche Erlebnis hatten wir auch. Habe vor vielen Jahren meinem Mann ein wunderschönes Teil zum Geburtstag geschenkt und in Norwegen einer Wiese sollte der Flug stattfinden. Das Teil ist auch nie geflogen, immer nur abgestürzt.
Frust hoch 10! Liebe Grüße Eva
Hallo Eva,
das kann ja wohl alles nur an den Flugzeugen liegen 😉
LG
Astrid
Wir wohnen in einem Tal und ab dem Frühjahr kommt an jedem Samstag und Sonntag ein Mann mittleren Alters mit seinem Wagen angerauscht und lässt für Stunden sein Modellflugzeug fliegen. Er steht dann unterhalb des Waldes auf einer großen Wiese und beobachtet den Flug. Mir ist das immer sehr suspekt und ich frage mich, was daran so großartig sein soll. Aber so ist es halt, für den einen ist es ein großes Hobby und für den anderen eben nicht. Hoffen wir, dass der ‚Sekundenflieger‘ noch einmal eine Chance bekommt und dann zu einem Minuten oder gar Stundenflieger wird :-)! LG Martina
Liebe Lore,
ich kann mir das Elend der Kinder gut vorstellen. Wahrscheinlich war der Drachen auch noch selbstgebastelt, das macht natürlich alles noch schlimmer.
Ebenfalls einen schönen Tag und liebe Grüße
Astrid
Musste schmunzeln, so ging es mir mal mit einem Drachen. Ich ging mit meiner kleinen Tochter und meinen beiden Neffen zum Drachensteigen. Mein neunjähriger Neffe lief auch ganz stolz mit dem Papierflieger los, stolperte und der Drache machte sich selbständig.
Die beiden Kleinen heulten und mein großer Neffe versuchte tapfer die Tränen zu unterdrücken.
Auf dem Rückweg sahen wir das Überbleibsel in der Stromleitung hängen.
Wünsche dir einen schönen sonnigen Tag, LGLore