Kurzgeschichten, Meine Plauderecke
Kommentare 10

Die Fliederbäumchen

Heute möchte ich Euch einen kleinen Fliedergruß schicken. Dieser ist kombiniert mit Erinnerungen an meine Kinderzeit. Als ich die schönen Blüten sah, musste ich einfach in unserem Fotoschrank stöbern, bis ich die entsprechende Aufnahme gefunden habe.
„Das ist aber ein hübsches Foto“, sagt meine Mutter, bei einem ihrer Besuche bei uns. Sie betrachtet gedankenversunken die Schwarzweißaufnahme, wendet sie und schaut auf die Rückseite. Ich weiß warum, denn ich habe vor ein paar Minuten dies ebenfalls getan. Beide hofften wir ein Datum auf der Rückseite zu finden. Leider steht noch nicht einmal das Jahr dort vermerkt. So rätseln wir, wann es gewesen sein könnte und kommen zu dem Schluss, dass ich vielleicht so acht oder neun Jahre alt war, als das Foto geschossen wurde.
Schnell springe ich nach oben und hole noch ein paar andere alte Aufnahmen, die ich gemeinsam mit meiner Mutter betrachte.
„Schau mal“, mache ich sie auf etwas aufmerksam. „Diese beiden Fliederbäume sind mit mir aufgewachsen und waren anscheinend mit mir gemeinsam immer ein beliebtes Fotomotiv.“
Ich zeige meiner Mutter ein Foto aus dem Jahre 1962, das mich an Pfingsten als Zweijährige beim Gießen der Wiese im Garten meines Opas zeigt. Dort stehen nämlich die beiden Fliederbäumchen, die zum damaligen Zeitpunkt kaum größer waren als ich. Doch dann haben sie wohl rasant das Wachstum beschleunigt, denn im Sommer 1964 überragen sie mich schon gewaltig. Ein paar Jahre später halte ich mich locker an den Zweigen fest, um als Fotomodell in die Kamera zu lächeln.
„Wie ein kleines Fräulein“, schmunzelt meine Mutter.
„Ja und die Sonnenbrille war mir anscheinend wichtig.“
„Ganz schön kess stehst du da.“
„Ja, das habe ich mir bei meiner Tante abgeguckt“, kläre ich meine Mutter auf.
Irgendwo hatte ich nämlich damals ein Foto von ihr als junge Frau gesehen und sie hatte sich darauf auch lässig an dem Fliederbaum festgehalten. Allerdings musste sie den Arm nicht so strecken wie ich, um einen der untersten Zweige zu erreichen.“
Leider kann ich das betreffende Foto nicht finden, denn wahrscheinlich liegt es zuhause bei meiner Mutter in dem berühmten Schuhkarton. Dort befinden sich nämlich alle nicht einsortierten Fotos und es macht immer wieder fast mehr Spaß in ihm zu stöbern, als das Fotoalbum durchzublättern.
„Und die Kniestrümpfe“, kichere ich. „Ich habe mich als Kind immer gefreut, wenn ich die lästigen Strumpfhosen nicht mehr anziehen musste und es endlich warm genug für Kniestrümpfe war.“
„Sieht doch chic aus“, meint meine Mutter.
„Naja“, erwidere ich. „Das hat man halt damals so getragen.“
Leider können wir uns beide nicht an die Farbe des Flieders erinnern und auch das Foto, welches alles ohnehin nur in Schwarzweißtönen zeigt, gibt uns keinen Aufschluss auf die Farbe.
„Vielleicht lila“, sinniere ich. „Möglicherweise aber auch weiß. Es könnte ja auch sein, dass von jeder Sorte ein Bäumchen in Opas Garten stand.“
Meine Mutter zuckt nur mit den Schultern. So ist das eben mit den Erinnerungen, sie sind manchmal einfach nicht vorhanden oder verschwunden.
„Wahrscheinlich war uns die Fliederfarbe nie so wichtig, dass wir sie in unserem Gedächtnis abgespeichert haben“, überlege ich.
„Ein hübsches Sommerkleidchen war das.“
„Das durfte ich immer nur sonntags tragen. Es war aus ganz zartem Stoff und hellblau, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern“, plaudere ich munter los. „In der Taille war es bestickt mit kleinen Blüten. Und natürlich hatte es einen Faltenrock, weil du Faltenröcke so sehr magst.“
„Du nicht?“
„Nein, die sind nicht so mein Fall“, gestehe ich meiner Mutter. „Trotzdem habe ich dieses Kleid irgendwie gemocht und gerne angezogen. Da es allerdings ein Sonntagskleid und nur für wirklich warme Tage war, hatte ich sicher nicht so viele Gelegenheiten dazu.“
„Man hat halt damals die Sachen geschont.“
„Ich hatte doch gar keine Schwester, der ich es hätte vererben können“, denke ich leise. „Ich hätte gerne eine gehabt, allerdings habe ich mir immer eine ältere Schwester gewünscht.“
Ich nicke und frage meine Mutter, ob sie noch weiß, dass wir dieses Sommerkleidchen nach meinem Herauswachsen verschenkt haben. Nachdem ich ihr ein paar Schlüsselreize zugeworfen habe, erinnert sie sich genau und weiß auch, was die Mutter des Mädchens damals zu ihr gesagt hat:
„So schöne Sachen hatte ich noch nie für meine Kinder!“
„Weitergeben macht doch Freude, besonders, wenn man merkt, dass es dankbar angenommen wird“, denke ich. „Und Freude haben uns jetzt auch diese kleinen Erinnerungen gemacht.“

 

 

Vielleicht möchtet Ihr auch das noch lesen:

Im Garten meines Opas

Kindheitserinnerungen

Und noch mehr Kindheitserinnerungen

10 Kommentare

  1. Liebe Astrid, herzliche Grüße.
    So ein Bild mit Gießkanne habe ich auch von mir, da war ich 6 Jahre und im Garten meiner Tante. Zöpfe hatte ich auch, aber keine Rollade auf dem Kopf. Öfters auch die Affenschaukeln und manchmal den Haarkranz. Zopfschleifen waren immer breit und aus Taft, farbige, weiße oder kariert.
    Weiße Kniestrümpfe waren aus Baumwolle, gestrickt mit Lochmuster und Schnur mit Trotteln. Als wir so 12 waren, da zogen wir dann nur noch Söckchen an.
    Als ich 15 war, fotografierte mich mein Vater extra unterm blühendem Apfelbaum, da hatte ich ein türkisfarbenes Kleid an. Ein schöner Kontrast.
    Ich hatte bis 17 lange Haare und somit einen dicken Seitenzopf, der mit buntem Gummi zusammengehalten wurde.
    Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende, tschüssi Brigitte.

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Brigitte,
      ich musste lachen, als ich die Bezeichnung „Rollade“ gelesen habe. Wir haben diese Frisur „Tolle“ genannt, was sie auch nicht attraktiver macht. 😉
      Einerseits habe ich mich als Kind gefreut, wenn ich nach der langen kalten Zeit endlich Kniestrümpfe anziehen zu können, andererseits habe ich Kniestrümpfe nicht gemocht. Aber das war einfach in Mode damals.:-)
      Ich wünsche Dir einen schönen Freitag und schicke liebe Grüße
      Astrid

  2. Liebe Astrid, was für niedliche Aufnahmen von dir. Zöpfe mit breiten Bändern/Schleifen hatten wir wohl alle als Kind.
    Und das Weiterreichen von Kleidung war ganz normal bei uns. Wir bekamen die Sachen „aus dem Westen“, das war jedes Mal aufregend. Erst trug ich die Kleidung meiner Cousine, dann meine Schwester. Und meist wurden sie dann weiter gegeben an andere Bekannte.
    Jetzt blüht der Flieder wieder, das sieht so schön aus. Wir haben aber keinen im Garten.
    Liebe Grüße von Kerstin.

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Kerstin,
      entschuldige bitte, dass ich mit meiner Antwort so spät bin. Inzwischen ist der Flieder bei uns im Garten schon voll erblüht und fast schon wieder am verwelken. Ich finde, die Pracht geht bei Flieder immer so schnell vorbei und in der Vase hält er sich überhaupt nicht. Aber er duftet so schön.
      Herzliche Grüße
      Astrid

  3. Liebe Astrid,
    kein Wunder, dass der Flieder so schön in die Höhe gescossen ist, wenn du ihn so fleißig gegossen hast 😉 Ganz herzige Kindheitsfotos sind das- und ich liebe es ebenfalls in alten Fotos zu kramen und Erinnerungen aufzufrischen. Leider gibt es von mir keines mit einem Fliederbäumchen – meine Oma hatte hauptsächlich Rosen – und später dann einen kleinen Alpengarten in der Ecke, in der davor meine Sandkiste war. Aber hier in unserem Garten blüht der Flieder inzwischen prachtvoll und duftet, duftet, duftet! Unser Flieder nahe beim Haus ist von einem hübschen zarten Lilaton, nicht zu kräftig und nicht zu hell. Weiter hinten im Garten gibt es noch einen Strauch von sehr pastelligem Lila, und vor zwei Jahren haben wir auch noch einen Fliederbusch gesetzt, der weiß blühen soll, es aber bisher noch nicht getan hat… Ich hoffe, das kommt spätestens im nächsten Jahr! 🙂
    Herzliche Rostrosengrüße, Traude

    • Astrid Berg sagt

      Mein Opa hatte in seinem Garten auch viele Rosen, daran erinnere ich mich noch sehr gut. Auch ein Rosenbogen führte in seinen Garten. Die beiden Fliederbäumchen standen auf dem Rasen, auf dem auch Gänseblümchen erlaubt waren. Auch in unserem Garten gibt es drei Fliederbäume. Zwei blühen weiß und ein kleines Bäumchen blüht lila. Früher hatte ich auch noch einen Schmetterlingsflieder bei uns im Garten. Den hat mein Mann allerdings einmal so sehr gestutzt, dass er nicht mehr zum Leben zu erwecken war. Naja, so verändert sich der Garten dann auch ein bisschen. 😉
      LG
      Astrid

  4. ein weitergeleiteter Kommentar von meiner Mama:

    Liebe Astrid,

    ich glaub es gibt sie, die Duplizität der Ereignisse. Nur einige Jahre früher und der Flieder war helllila. Er stand allerdings eben schon ab 1936 da, als meine Eltern ihr Häuschen erschaffen haben. Des kleine Helgele stand auch mit ihrem Gockel (Haar) unter besagtem Fliederbaum, stets an ihrem Geburtstag dem 1.Mai als er blühte. Danke,
    Du hast mir eine wunderschöne Erinnerung zurückgegeben. Obwohl, diese Augenblicke stimmen mich immer etwas traurig, Vergangenes kommt halt nicht mehr zurück. Ich hab doch glatt auch ein Foto gefunden an dem Fliederbaum mit meinen Eltern zusammen, da war ich aber schon 9 Jahre alt, es stammt von 1948 und war beschriftet.
    Lieben Sonntagsgruß von der Helga 🌸

    • Astrid Berg sagt

      Oh, liebe Helga, da hast Du ja bald Geburtstag. Lässt Du Dich immer noch an diesem Tag unter einem Fliederbaum fotografieren? Ich freue mich, dass ich Dir schöne Erinnerungen zurückgebracht habe. Aber ich freue mich auch, dass Du immer wieder meine Seite besuchst und mir so schöne Kommentare schreibst.
      Genieße Deinen bevorstehenden Geburtstag und lass Dich von allen Deinen Lieben verwöhnen.
      Ich schicke Dir herzliche Grüße.
      Astrid

  5. Liebe Astrid,
    als ich das Foto sah, wo du im Garten gießt, musste ich zweimal hingucken. Ich dachte, das bin ich auf dem Foto. Ich habe nämlich ein ähnliches Foto mit der Gießkanne in der Hand im Garten meiner Oma. Und Haarschleifen waren ja damals „in“, sonntags eine weiße und wochentags eine rote.
    LG Traudi

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Traudi,
      ich denke die Frisuren und auch die Kleidung hat sich bei uns allen, die wir aus dieser Zeit stammen, doch sehr geähnelt. Auch haben wir bestimmt alle ähnliche Scharzweißaufnahmen aus unserer Kindheit. Das ist eigentlich auch schön, denn es lässt eine Art Verbundenheit entstehen und regt dazu an Erinnungen auszutauschen. Es macht einfach Freude, sich darüber auszutauschen und sich gegenseitig kleine Geschichtchen aus der Kindheit zu erzählen.
      LG
      Astrid

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert