Erdachtes & Erzähltes, Für Kinder, Kurzgeschichten
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Purzel

Nina lebt mit ihren Eltern in Berlin, ist fünf Jahre und ein sehr hübsches Mädchen mit blonden Locken. Nur ein bisschen blass ist sie, denn sie hat gerade erst eine schwere Bronchitis überstanden und der Arzt meint, dass sie dringend eine Luftveränderung braucht.

Die Mutter erinnert sich an ihre eigene Kindheit, in der sie mit ihren Eltern immer den Sommer auf dem Bauernhof des Ehepaars Berger in Bayern verbrachte. Sie stehen immer noch in Kontakt miteinander und schreiben sich hin und wieder Briefe.

„Was meinst du, sollten wir mal bei den Bergers nachfragen, ob wir dieses Jahr die Sommerferien bei ihnen verbringen könnten?“, fragt sie ihren Mann eines Abends nachdem Nina schon im Bett liegt und schläft.
„Daran habe ich auch schon gedacht, bestimmt tut ihr die Landluft und das Leben auf dem Bauernhof gut. Auch ich könnte ein wenig Entspannung brauchen und hätte auch nichts dagegen, den einen oder anderen Handgriff auf dem Bauernhof zu übernehmen.“
„Ich rufe gleich morgen mal bei den Bergers an!“, sagt die Mutter und freut sich schon auf das Gespräch mit den den Beiden und auf einen möglichen Urlaub auf deren Bauernhof.
Die Bergers freuen sich riesig und überreden Ninas Eltern doch die ganzen Sommerferien bei ihnen zu verbringen. Das verspricht 6 Wochen Entspannung und Ruhe auf dem Bauernhof der Familie Berger.
Bei der Ankunft gibt es ein großes Hallo und die Freude auf beiden Seiten ist unverkennbar. Da Nina die beiden inzwischen schon älteren Leutchen sehr sympathisch sind, rutscht ihr bei der Anrede ein „Großvater Berger“ und ein „Großmutter Berger“ heraus. Das leider kinderlose Ehepaar beschwichtigt sofort die Entschuldigungen von Ninas Eltern:
„Lass mal“, sagt Herr Berger zu Ninas Mutter. „Wir duzen uns doch auch, da ist der Rest deiner Familie selbstverständlich mit eingeschlossen. Wir sind einfach nur glücklich, dass ihr da seid. Fühlt euch wohl und macht euch keine Gedanken um solche Förmlichkeiten.“
„Nina blüht von Tag zu Tag mehr auf!“, stellt die Mutter eine Woche später fest, als sie bei Großmutter Berger mithilft das Abendbrot vorzubereiten.
Ja, sie fühlen sich wohl hier, so als wären sie alle eine Familie. Nina darf bei Großvater Berger auf dem Traktor mitfahren und mit Großmutter Berger die Hühner und Schafe füttern. Das Landleben gefällt ihr sehr gut. Hier zwischen all den vielen Tieren und der gesunden Luft, ist schon nach einigen Tagen aus dem blassen Mädchen ein strahlendes Kind mit roten Wangen geworden. Singend springt sie über die Wiese und kommt mit einem großen Wiesenblumenstrauß ins Haus gelaufen:
„Schaut her, was ich für euch habe!“, sagt sie zu ihrer Mutter und Großmutter Berger. Sie teilt den Strauß und reicht jeder Frau jeweils eine Hälfte.
„Möchtest du mit mir Brot backen?“, fragt die Großmutter.
„Oh ja, gerne!“, strahlt das Mädchen.
Nina hat noch nie Brot gebacken. Ja, klar mit Mutter einen Kuchen, das hat sie schon oft gemacht. Großmutter Berger hat schon alles vorbereitet und zeigt Nina wie sie die Sonnenblumenkerne untermischen und wie sie den Teig formen muss. Aber genau wie Nina muss auch der Teig ein Weilchen ruhen. Am Abend dann darf das Mädchen diesen mit einem großen Schieber in den alten Steinbackofen schieben und ihn nach der Backzeit auch wieder heraus holen. Zum Abendbrot serviert sie dann stolz ihr selbstgebackenes Brot. Sie schafft drei Butterbrote und trinkt dazu ein Glas Milch. So froh und glücklich haben die Eltern ihre Nina lange nicht mehr erlebt. Und schon jetzt beschließen Vater und Mutter die nächsten Sommerferien wieder auf Bergers Bauernhof zu verbringen.
Am nächsten Morgen wartet Großvater Berger schon ungeduldig auf das kleine Mädchen: „Wenn du gefrühstückt hast, kommst du mal zu mir in den Stall, ich muss dir dort nämlich etwas zeigen.“
„Was willst du mir zeigen?“, fragt Nina neugierig, doch der Bauer meint nur:
„Lass dich überraschen! Ich muss mich jetzt sowieso erst noch um die Kühe kümmern. Sie wollen nach dem Melken auf die Weide getrieben werden.“
Und schon ist er durch die Tür nach draußen verschwunden. Nina ist total aufgeregt und rutscht die ganze Zeit während des Frühstücks unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. So schnell sie nur kann, isst sie ihr Müsli und trinkt ihren Kakao.
„Darf ich jetzt aufstehen?“, fragt sie die Eltern artig, die sich etwas mehr Zeit zum Frühstücken nehmen.
„Na lauf schon!“, sagt die Mutter. „Und erzähl uns nachher, was der Großvater dir gezeigt hat.“
Nina überlegt kurz, ob die Mutter vielleicht weiß, welche Überraschung Großvater Berger für sie bereithält. Sie entschließt sich jedoch nicht weiter nachzufragen, sondern eilt schnell hinaus in den Stall.
„Großvater Berger!“, ruft sie schon von Weitem, doch sie kann ihn nirgends entdecken. Anscheinend ist er noch auf der Weide. Plötzlich hört sie jedoch seine Stimme:
„Nina, komm zu mir. Ich bin hier hinten beim Heustapel. Aber sei leise, sonst erschrecken sie noch.“
„Von wem spricht er? Wer erschrickt?“, fragt sie sich und geht auf den Heustapel zu, wo Großvater Berger auf der Erde kniet. Schlagartig werden ihr die Antworten auf ihre Fragen klar. Vor Großvater Berger liegen wie in einem kleinen Nestchen 3 kleine Katzenbabies bei ihrer Katzenmama Minka.
„Sind die aber niedlich!“, ruft Nina aufgeregt aus.
„Ja“, erklärt der Bauer. „Sie sind heute Nacht geboren und sie sind noch blind. Wir müssen uns ein bisschen um sie kümmern, denn Minka ist schon alt und hat nicht mehr genügend Milch für alle. Auch hat sie die Geburt ziemlich angestrengt.“
Behutsam streicht der Bauer mit seiner Hand über die kleinen Kätzchen.
„Müssen sie jetzt verhungern?“, fragt Nina mitleidig. „Nein, das darfst du nicht zulassen!“
Schon kullern die Tränchen.
„Nein Nina, ich hab schon mit Bauer Hubert telefoniert. Er kommt gleich und holt zwei Babies ab.“
Erschrocken blickt Nina Großvater Berger mit großen verweinten Augen an.
„Hab keine Angst, ihnen passiert nichts. Bauer Hubert hat auch eine Katze. Das Mienchen. Sie hat vor einer Woche ebenfalls Junge bekommen und wir werden alles tun, damit sie zwei unserer Babies mitsäugt. Das dritte kann unsere Minka selbst versorgen. Du darfst dir aussuchen, welches Kätzchen hier bei uns auf dem Hof bleiben darf.“
„Und wenn das Mienchen die beiden Babies nicht haben will?“, möchte Nina wissen.
„Dann müssen wir sie alle zwei Stunden mit einem kleinen Fläschchen füttern“, erklärt der Bauer.
Nina sucht sich ein kleines Kätzchen aus, was ihr aber total schwer fällt, weil sie alle drei ganz süß findet. Und bald schon ist Bauer Hubert auch da.

Ich kann es euch ja verraten, sein Mienchen hat die Babies angenommen und sie trinken lassen. Minka hat dann das dritte Katzenbaby gesäugt.

Doch jetzt zurück zu Nina und dem kleinen Kätzchen:
Nina läuft jeden Tag mehrmals zu Minka und ihrem Baby. Nach zehn Tagen öffnet es die Augen und von Tag zu Tag wird es größer, kräftiger und lebendiger. Nina gibt dem Kätzchen den Namen „Purzel“ und schenkt ihm ihre ganze Liebe. Doch auf einmal ist der Tag der Abreise da und Nina muss von Großvater und Großmutter Berger, aber auch von Purzel Abschied nehmen.
„Wir passen gut auf Purzel auf und du kommst doch nächstes Jahr wieder. Wir schicken dir auch immer Fotos, damit du sehen kannst, wie er gewachsen ist. Jetzt braucht er jedoch noch seine Mutter …“
Der Bauer lächelt Nina an und dann blinzelt er ihren Eltern zu. Doch davon merkt Nina nichts, denn sie verabschiedet sich ausgiebig von Purzel, der leise schnurrt und sich an Nina schmiegt.
Wieder zu Hause, muss Nina viel an das Kätzchen denken. Sie vermisst es sehr.
An ihrem Geburtstag klingelt der Postbote und bringt für Nina ein Päckchen.
„Von Großmutter und Großvater Berger!“, ruft Nina freudig aus. Riesengroß ist die Freude als sie darin ein Fotoalbum mit ganz vielen Fotos von Minka und Purzel findet. Auf einem Foto sind sogar die anderen beiden Kätzchen mit Mienchen zu sehen.
„Oh, ich vermisse den kleinen Purzel so! Meinst du Mama, er vermisst mich auch?“
Noch bevor die Mutter antworten kann, klingelt es erneut an der Haustür.
„Ich geh schon!“, ruft Nina ihrer Mutter zu, die in den Hausflur kommt. Einen Augenblick später reißt das Mädchen die Tür auf. Vor ihr stehen strahlend Großvater und Großmutter Berger. Nina fliegt ihnen in die Arme.
„Alles Gute zum Geburtstag!“, sagen sie wie im Chor.
Der Bauer tritt einen Schritt zurück, bückt sich und hebt seinen Strohhut von der letzten Treppenstufe auf.
Nina wagt ihren Augen nicht zu trauen, denn sie erblickt Purzle in Großvater Bergers altem Strohhut.
„Pass gut auf ihn auf!“, sagt der Bauer und die Bäuerin meint:
„Er hat dich genauso vermisst wie du ihn.“

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13 Kommentare

  1. Eva V. sagt

    Liebe Astrid, so schön ist Deine Geschichte und wie geht es weiter. Ich bin sooo neugierig.
    Liebe Grüße Eva

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Eva,
      mal sehen wie es mit Purzle weitergeht. Ich lasse mich da selbst überraschen. Es kann schon sein, dass es irgendwann eine Fortsetzung gibt.
      LG
      Astrid

  2. Hallo Astrid, ja kleine Katzenbabys sind echt super. Das Foto gefällt mir auch sehr gut. Denn ich mag die grau-getigerten Schelme echt am allerliebsten. LG und einen schönen Sonntag noch wünscht Dir Tanja

    • Astrid Berg sagt

      Aus diesem Wurf stammt unser Lottchen. Wir rätseln immer noch welches Katzenbaby es war.
      LG und einen schönen Abend
      Astrid

    • Astrid Berg sagt

      Ich freue mich, dass Dir die Geschichte gefällt und wünsche Dir einen angenehmen Abend.
      Astrid

  3. Liebe Astrid, eine sehr schöne Geschichte.
    Landluft ist immer gut, vor allem für kranke Kinder.
    Dass es so wundervoll ausgegangen ist, ist einfach Klasse.
    deine Bärbel

    • Astrid Berg sagt

      Ich danke dir für Deine lieben Worte. Das mit der Landluft ist so eine Sache, man kann geteilter Meinung sein. Als ich noch Kind war, meinte meine Mutter immer, wenn wir an einem Misthaufen vorbei kamen: „Tief durchatmen, das ist gesunde Landluft!“ Ich hingegen habe eher die Luft angehalten 🙂
      LG
      Astrid

  4. Martina sagt

    Eine zauberhafte Geschichte! Als ich ‚Purzel‘ las wurde ich an den Hund meines Mannes erinnert. Als wir uns kennen lernten gehörte er zur Familie – ein Langhaardackel mir diesem Namen!
    Ich habe mich soooo mit dem Mädchen über das ganz besondere Geschenk gefreut. Als ich in ihrem Alter war, wünschte ich mir sehnlichst einen Hund. Leider hat es bei mir nicht geklappt! – Als ich dann aber geheiratet und eine eigene Wohnung hatte, haben wir uns einen zugelegt. Es war auch ein Langhaardackel, der den Namen ‚Charly‘ trug!!! Danke für die soooo schöne Geschichte! LG Martina

    • Astrid Berg sagt

      Einen Hund hatte mein Opa und ich konnte alles mit ihm machen.
      Wir haben schon manchmal überlegt, ob wir uns einen Hund aus dem Tierheim holen. Aber wir haben ja unser Kätzchen Lottchen und die läuft sogar bei dem kleinsten Hund schon davon. Außerdem würde ich lieber einen kleinen und mein Mann eher einen großen Hund bevorzugen. Also warten wir noch ab.
      LG
      Astrid

  5. Was für eine schöne Geschichte, du hast ein wunderbares Erzähltalent. Lese ja alle Geschichte gleich in der Mail, aber nun muss ich doch ganz schnell vorbei schauen und einfach mal danke sage.
    Bei mir ist zur Zeit großer Trouble, nicht gerade meine Glückswochen, erst die doofe Grippe, die ziemlich lange dauert und nun noch Ärger in der Nachbarschaft. Aber ich beiße mich schon durch.
    Wünsche dir ein schönes Wochenende, herzliche Grüße Lore

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Lore,
      ich danke Dir für Dein großes Lob.
      Ich dachte, Du hättest die Grippe jetzt endlich hinter Dir. Aber eine Sommergrippe ist auch total schlimm und dazu kommt auch noch die drückende Hitze. Alles äußerst unangenehm. Ich hoffe, dass Du bald wieder richtig fit bist. Ich hatte Dich schon vermisst und freue mich wieder von Dir zu lesen.
      Hoffentlich schlichtet sich der Nachbarschaftsärger wieder, denn wenn man so dicht beieinander wohnt, kann man sich schlecht aus dem Weg gehen.
      Ich wünsche Dir ein erholsames und schönes Wochenende mit Sonne, aber ohne belastende Hitze.
      LG
      Astrid

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