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Gerümpel oder Kostbarkeiten?

Es ist ein schöner goldener Oktoberabend und wir sitzen noch ein Weilchen auf unserer Terrasse, vielleicht eine der letzten Gelegenheiten für dieses Jahr.

„Sag mal“, fragt mich mein Mann aus heiterem Himmel. „Wieso heißt der Flohmarkt eigentlich Flohmarkt?“
Stirnrunzelnd schaue ich ihn an. Mir ist schleierhaft wie er auf diese Frage kommt.
„Da gibt es doch gar keine Flöhe zu kaufen“, redet er unbeirrt weiter.

„Heute vielleicht nicht mehr, aber früher schon“, erkläre ich ihm.
„Wieso, wer braucht denn Flöhe?“, kommt seine nächste Frage, für die er sich aber sogleich selbst eine mögliche Antwort gibt:
„Ach, vielleicht, wenn man Direktor in einem Flohzirkus ist.“
„Quatsch!“, antworte ich, denn ich weiß es besser, weil ich mich zufälligerweise erst kürzlich belesen habe.
„Im Spätmittelalter erhielt das Volk von seinem Fürsten Kleidergaben“, kläre ich ihn auf. „Innerhalb des Volkes gab es dann natürlich einen Handel mit diesen Kleidern und mit der Übergabe der Kleidungsstücke erfolgte auch die Übergabe von Flöhen.“
„Klingt logisch“, sagt mein Gatte und schaut mich richtig überzeugt, aber auch gleichzeitig schelmisch an.
Ich werde inzwischen doch etwas stutzig und stelle jetzt meinerseits eine Frage: „Warum fragst du?“
„Ach, nur so!“, zwinkert er mir zu.
Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen:
„Klar, am Wochenende ist ja in den Messehallen wieder ein Nachtflohmarkt!“
„Wie, ein Nacktflohmarkt? Super, da gehen wir hin!“, bricht die Begeisterung bei meinem Mann aus.
„Das würde dir wohl so passen!“, antworte ich. „Leider findet der Flohmarkt nur nachts und nicht nackt statt!“, grinsend strecke ich ihm die Zunge raus.

Am Wochenende brechen wir dann tatsächlich auf, um uns das „Gerümpel“ anzusehen und eventuell auch zu kaufen.
„Gerümpel gibt es im Grunde genommen schon zur Genüge in unserem eigenen Keller“, überlege ich mir so. „Trotzdem gehe ich recht gerne auf Flohmärkte und es ist ungerecht so zu denken“, verteidige ich mich vor mir selber.
Auf Flohmärkten mag es Gerümpel geben, doch wenn man mit offenen Augen über einen solchen Markt geht, kann man schon die eine oder andere kleine oder große Kostbarkeit finden. Das Problem ist nur, wenn man irgendwann ein Zuviel von diesen Kostbarkeiten besitzt.
„Im Grunde genommen müssten wir in unserem Keller auch einmal ausmisten, uns selbst hierher stellen und diese Sachen veräußern“, überlege ich mir weiter, als ich auf einem Tisch das gleiche Kaffeeservice sehe, das bei meiner Mutter zwar im Schrank steht, aber nicht mehr benutzt wird, weil es noch aus Großmutters Zeiten und daher altmodisch ist. Oder ist es mittlerweile schon zu kostbar und damit wieder modern? Oder ist der Goldrand nur nicht geeignet für die Spülmaschine?
Ich marschiere weiter und verschaffe mir zunächst einen groben Überblick über das gesamte Angebot. Da gibt es Secondhand-Kleidung, Münzen, Schmuck, Spielsachen, Geschirr und manche bieten sogar kleinere oder größere Möbelstücke an, aber auch Fotoapparate, diverse kleinere Geräte und technische Utensilien sind zu finden.
Die Lust zum Stöbern wächst immer weiter.
„So ein Flohmarkt hat schon seine Vorteile“, sagt mein Mann und philosophiert gleich weiter: „Hier besteht keinerlei Notwendigkeit etwas zu kaufen, man braucht ja eigentlich nichts.“
„Stimmt“, bestätige ich, „man kann einfach nur über diesen vielfältigen Markt bummeln, genießt die Geselligkeit, hier eine Bratwurst und dort ein Gläschen Bier.“
Ähnlich wie früher in den Tante Emma Läden hält man ein Schwätzchen mit diesem oder jenem Anbieter, was in den heutigen Supermärkten nicht mehr gegeben ist. Es ist einfach nur schön hier, – Nostalgie pur!
Beim Anblick des großen Angebots an Spielsachen kommen Erinnerungen in mir hoch:
„Weißt du noch der alljährliche große Flohmarkt in Darmstadt, der sich immer durch die halbe Innenstadt zog?“, frage ich.
Lange Jahre haben wir dort gelebt und als unser Sohn noch klein war, gehörte dieser Markt zu unserem Pflichtprogramm.
„Klar!“, pflichtet mein Mann mir bei . „Immerhin haben wir damals dort einen tollen großen, gelben Playmobilkran und ein kleines Skateboard für Timo erstanden. Wie alt war er da?“
„Vielleicht so vier oder fünf Jahre. Er saß ja meistens nur auf dem Skateboard oder fuhr damit auf dem Bürgersteig hin und her. Aber vor allen Dingen kann ich mich an das tolle Kunststückchen erinnern, das der Nachbar meiner Mutter ausprobiert hat.“
Mittlerweile kann ich mich kaum noch vor Lachen halten.
„Stimmt!“, kichert auch mein Mann.
„Eigentlich wollte er nur seiner Oma Hildi das tolle rote Skateboard vorführen.“
„Alle standen bewundernd um ihn herum, selbst der Nachbar kam interessiert herbeigeeilt“, erzähle ich weiter und erinnere mich, als sei es gestern gewesen:
„Erst hat er ein kleines Weilchen zugeschaut und dann meinte er lässig: ‚Gib mir mal das Skateboard, ich zeig dir ein paar Tricks!‘“
Timo hatte damals auch ganz bereitwillig dem erwachsenen Mann sein Skateboard überreicht, denn immerhin wollte er ja etwas lernen.
Relativ sportlich wollte der Nachbar seinen Fuß auf das besagte rote Brett stellen, dem Kind und allen Umstehenden seine Künste zeigen.
„Dann ging alles ganz schnell!“, malt mein Mann das damalige Geschehen aus. „Bedauerlicherweise kam er jedoch etwas unglücklich auf, so dass das Brett mit seinen Rollen schneller war als seine Beine.“
Er hatte lediglich noch die letzten Zentimeter der Auftrittsfläche erreicht. Das Brett kippte, er knickte ein und schon lag er auf der Straße. Das war es dann auch. Typischer Vorführeffekt!
Mit gesenktem Kopf und humpelnd hatte er sich wieder in seine Wohnung verzogen. Was soll ich sagen? Diese Vorführung brachte ihm lediglich einen sechswöchigen Gipsverband ein.

Zurück zu unserem Nachtflohmarkt: Inzwischen gehen mein Mann und ich getrennte Wege, – allerdings nur auf diesem Markt. Das macht Sinn, denn er durchsucht mit seinen Blicken die Angebotsvielfalt andersartig als ich. Er ist mehr an technischen Sachen, Uhren, Manometer, Werkzeug, alte Geräte und dergleichen interessiert, während ich eher an altem Geschirr, Figuren oder Dingen zur Dekoration interessiert bin. Am besten schlendert man die Reihen entlang, lässt die Blicke schweifen und schon werden die Wünsche geweckt. Meistens sind es solche, von denen man gar noch nicht wusste, dass man sie hat.
Ich stehe gerade vor einem Stand und betrachte eine kleine Puppenwiege und nehme mir vor so ein Puppenbettchen zu erstehen, wenn ich irgendwann einmal eine Enkelin habe, da tippt mir jemand von hinten auf die Schulter.
„Na, welche Errungenschaften hast du schon gemacht?“, fragt mich eine Freundin und zeigt mir stolz ihre eigenen Käufe. Nach einem kurzen Plausch beschließen wir gemeinsam am Bratwurststand etwas zu trinken. Es dauert auch gar nicht lange, da treffen unsere Männer ein, die sich inzwischen auch begegnet sind. Von weitem kann ich schon erkennen, dass auch diese Beiden fündig geworden sind.
„Schaut mal, was wir haben, echt toll! Richtig alt! Das wird noch ein bisschen geputzt, aber nicht zu viel, denn Patina muss sein!“, schwärmt mein Mann und beide halten stolz jeder ein Ölkännchen hoch.
„Na, da haben die zwei Oldtimerfans ja genau das Richtige gefunden“, lache ich und meine Freundin meint nur trocken:
„Gründet doch ein Museum!“
„Das ist die Idee!“, springt mein Mann sofort darauf an und schon sind die beiden Männer in ihrer Oldtimermuseumsplanung versunken. Keiner von ihnen interessiert sich für mein altes, aber tiptop erhaltenes Porzellanteekännchen, das ich direkt neben dem Bratwurststand gefunden habe.
Übrigens: Diesem Besuch auf dem Flohmarkt schließt sich ein lustiges Beisammensein im Hause unserer Freunde an und endet erst um 2 Uhr nachts.
Fazit: Ein Ausflug auf den Nachtflohmarkt macht Spaß und ist empfehlenswert und noch viel mehr, wenn man dabei liebe Freunde trifft!

 

3 Kommentare

  1. juchuu liebe Astrid ich hab die Geschichte gefunden die du in deinem Kommentar bei mir erwähnt hast.
    Süss, ich schmunzle und sage, Typisch, man sucht nicht wirklich aber „findet “ immer etwas was so aussieht es wolle es sofort mit in deine Tasche…“!°
    ich bin ja ebenfalls ein begeisterter Flohmarktgänger, immer gewesen, nur jetzt im Vogelsberg gibts fast keine die näher als fast 50 km dran sind, da wird es schwierig oder es gibt welche die zum gleichen Zeitpunkt – stattfinden, dann muss man sich entscheiden und auswählen..
    deine geschichte ist sehr schön erzählt, lebendig und sehr amüsant..
    dabnke – dass ich sie finden konnte, dank deiner hervorragenden Seiten links…
    nach dem Motto: wer suchet – der findet auch..
    lieben Gruß angel…

    • Astrid Berg sagt

      Siehst du, hier kann man immer wieder etwas entdecken 😉 und wenn es dann noch gefällt, dann ist es doppelt schön 🙂 .
      Liebe 1. Maigrüße
      Astrid

  2. Corinna Steinweg sagt

    Na das ist ja eine tolle Geschichte, in der vieleicht Ich sogar eine kleine Rolle entdeckt habe, na neben unseren Männern, selbstverständlich. Sehr schön zu lesen. Weiter so!!

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