Die Idee zu dieser Geschichte lieferte mir ein anderer eifriger Leser meines Blogs. Er berichtete mir von einer wahren Begebenheit, die allerdings schon einige Jahrzehnte zurückliegt. Da sowohl er als auch seine Gattin mit Humor gesegnet sind und beide dieses Ereignis mittlerweile auch mit Fassung tragen, erlaubten sie mir daraus eine Geschichte für meinen Blog zu machen, vermischt wiederum mit ein bisschen Fantasie. Nennen wir die Protagonisten einfach mal: Sabine, Klaus, Hartmut und Max und schon kann es losgehen:
Sabine und Klaus sind inzwischen in einem Alter, in dem man gerne einmal in Erinnerungen schwelgt. Vor einem Jahr haben sie ihre Silberhochzeit gefeiert und einen Enkelsohn, den fünfjährigen Max haben sie auch schon.
„Opa!“, ruft Max aus seiner Spielecke, die der Großvater für ihn im Gästezimmer eingerichtet hat. „Komm schnell! Meine Eisenbahn ist kaputt!“ Klaus begutachtet sogleich die Lokomotive, deren Kontakte sich nur ein wenig verbogen haben und schon kann sie wieder über die Gleise flitzen.
„Du bist ein richtiger Held!“, ruft Max aus, drückt seinen Opa ganz fest und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. Noch bevor Großvater Klaus sich stolz seiner Heldentat rühmen kann, hört er Großmutter Sabine laut lachen. Klaus und Max sehen sie verwundert und fragend an:
„Ja, ja ich dachte auch einmal, dass Opa so ein Held ist wie Superman. Aber dann … naja, damals war er vielleicht einfach nur noch etwas zu jung.“
„Was war denn damals?“, will Max wissen.
„Warte mal!“, sagt Großmutter Sabine und geht zum Bücherregal. Sie zieht ein altes Fotoalbum hervor, setzt sich in einen Sessel und blättert darin herum, bis sie die entsprechenden Fotos gefunden hat.
Max schlüpft ganz schnell auf ihren Schoß und steckt seinen Kopf zwischen die Albumseiten.
„Wieso habt ihr einen Wäschekorb fotografiert und was liegt da auf der Schaufel?“
„Lass dir das mal von Opa erzählen, der kann sich bestimmt auch noch erinnern!“
„Bitte Opa! Erzähl!“, bettelt Max.
„Großvater Klaus kann seinem Enkel keinen Wunsch abschlagen und so beginnt er zu erzählen:
„Du kennst doch meinen Bruder Hartmut!“
„Na klar!“, bestätigt Max. „Der bringt mir doch immer was mit, wenn er zu Besuch kommt.“
„Hartmut war damals auch zu Besuch hier. Es war ein wunderschöner Samstagmorgen und wir hatten zu dritt auf der Terrasse gefrühstückt. Alles begann also ganz harmlos. Wir lachten und waren guter Dinge, aber das sollte sich bald ändern.
Nach dem Frühstück ging ich ins Badezimmer um mich zu rasieren und Hartmut wollte oben in seinem ehemaligen Kinderzimmer ein wenig lesen.“
„Und Oma? Was hast du gemacht?“, will Max wissen.
„Ich lief erst in den Garten, um die Wäsche, die ich schon am Abend zuvor aufgehängt hatte, wieder abzuhängen. Danach ging ich in die Küche, holte Bügelbrett und Bügeleisen und begann die Wäsche zu bügeln.“
„Alles war ganz friedlich doch plötzlich durchbrach ein Schrei die Stille im Haus“, erzählt Opa Klaus weiter.
„Ahh! Hilfe! Und sofort kam der nächste Aufschrei: Hilfe, eine Schlange!“
Max Augen werden immer größer und er hört dem Großvater gebannt zu.
„ Ich dachte erst, ich hätte mich getäuscht oder es käme aus dem Radio. Aber es war eindeutig Oma Sabines Stimme. Ich dachte mir allerdings, dass meine Sabine ganz schön schlau war und es ein netter Versuch sei mich aus dem Badezimmer zu locken.“
„Ich habe mir fast die Kehle aus dem Hals geschrien!“, ergänzt Großmutter Sabine.
„Zugegeben, die Hilfeschreie wurden immer lauter und schriller. Ich wurde dann doch etwas skeptisch. Also beschloss ich meine Morgentoilette zu beenden und den Schreien auf den Grund zu gehen. Da vernahm ich auch Schritte auf der Treppe. Das schien Hartmut, mein Bruder, zu sein. Anscheinend war auch er neugierig geworden.
Gemeinsam schlichen wir zur Küche, aus der recht deutliche Ansagen an uns zwei junge Männer kamen. Der genaue Wortlaut ist mir leider entfallen, doch ich glaube Oma Sabine erhoffte sich dringend Hilfe von uns.“
„Aber sicher!“, ereifert sich Großmutter Sabine. „Ich arme Frau sah mich plötzlich einer Schlange gegenüber. Was sollte ich denn anders machen, als die beiden starken Männer zu Hilfe zu rufen, die im Haus waren. Sie mussten mich doch erretten.“
„Und Opa?! Hast du das getan?“
„Naja, mit Schlangen und Männern ist das so eine Sache“, versucht der Großvater auszuweichen.
„Wenn da tatsächlich eine Schlange in der Küche ist, dann könnte sie auch irgendwo aus einem Terrarium ausgebüxt sein, dachte ich mir so und mein Bruder schien die gleichen Gedanken zu hegen.
Auf jeden Fall ließen wir zunächst einmal Vorsicht walten. Man kann ja nie wissen…“
Oma Sabine beginnt zu lachen: „Ich weiß nicht, wer sich hinter wem versteckte. Aber du kannst es dir so vorstellen, Max: Ich sah zwei Köpfe übereinander vorsichtig in die Küche spähen. Nur zu meiner Rettung kam keiner der beiden Superhelden zu mir in die Küche. Glaube mir, ich hatte richtig Angst, wagte mich kaum zu bewegen und mein Herz klopfte wie wild. Dein Opa und Hartmut konnten sich anscheinend aber auch nicht bewegen, denn sie standen die ganze Zeit über wie angewurzelt im Türrahmen.“
„Zunächst konnten wir keine Gefahr erkennen, doch dann sahen wir sie“, übernimmt Großvater Klaus wieder die Erzählung. „Hinter dem Wäschekorb kam sie hervor gekrochen. Tatsächlich, es war eine Schlange.“
Max schlägt sich die Hände vor den Mund und hält kurz die Luft an, so spannend findet er Opas und Omas Erzählung.
„Beim zweiten Blick erkannten wir dann allerdings, dass es sich lediglich um eine Blindschleiche handelte. Also eine ganz harmlose Schlange.“
„Gott sei Dank, denn jetzt konnten die beiden Männer getrost mutig sein“, erklärt Oma Sabine dem kleinen Max. „Ich wage mir nicht vorzustellen, was passiert wäre, wenn es eine Giftschlange gewesen wäre.“
Opa Klaus ignoriert diese letzte Bemerkung seiner Frau, die ohnehin gleich weiter erzählt:
„Wahrscheinlich war die Blindschleiche im Garten in den Korb und unter die Wäsche gekrochen. In den Garten hat sie Opa dann auch wieder befördert. Dafür hat er die Schaufel gebraucht. Und sein Bruder Hartmut hat den Wäschekorb und die Schaufel mit der Schlange darauf, schnell noch fotografiert. Und so kamen die beiden Fotos hier in das Album.“
Eigentlich hatte sich Sabine damals mit zwei Männern im Haus etwas mehr Heldentum erhofft. Und ein bisschen enttäuscht war sie auch gewesen, dass sich ihr Liebster nicht wie Superman zu ihrer sofortigen Rettung in die Küche geschwungen hatte. Doch davon sagte sie ihrem Enkelsohn nichts, sondern meinte nur:
„Ja, so ein kleiner Held war Opa damals ja vielleicht doch. Denn immerhin hat er mich im Endeffekt doch noch vor der harmlosen Schlange errettet und ihr auch noch das Leben geschenkt, indem er sie in die hinterste Ecke im Garten verbannte.“
Vielleicht interessiert Euch auch noch meine Bloggeschichte, die den Leser dazu veranlasste mir über dieses Schlangenerlebnis zu berichten:
Liebe Astrid,
eine spannende wahre Geschichte. Ich konnte mich besonders gut hineinversetzen, weil es noch gar nicht lange her ist, dass wir eine Schlange im Garten hatten. Sie lag friedlich schlafend vorm Pferdestall und hat uns ganz schön in Aufregung versetzt. Es war ebenfalls eine harmlose Schlange, eine Königspython, aber das wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht. Es wurde dann ein Polizeieinsatz mit Schlangenfachleuten, die das Tier in Quaratäne genommen haben. Sie war irgendwo ausgebüchst.
Liebe Grüße
Regina
Hilfe!!! Oh Regina, da hätte ich aber totale Panik bekommen. Die werden doch mindestens 2m lang. Gut, dass ihr die Polizei geholt habt, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Polizeibeamter so mutig war und die Schlange eingefangen hat. Bestimmt war noch ein „Experte“ dabei. Ich kann mir vorstellen, dass diese Schlange eine große Aufregung verursacht hat. Zum Glück ist ja alles gut gegangen.
LG und einen schönen Abend
Astrid
Liebe Irmi,
ich glaube sagen zu können, dass die Beteiligten heute, nach so vielen Jahren, auch darüber lachen können. Damals jedoch sicherlich nicht.
Ich kann mir vorstellen, dass ich selbst vor Angst und Schreck wahrscheinlich so laut schreien würde, dass unsere ganze Straße zusammenlaufen würde. Und hoffentlich wäre ein Superman dabei, der zu meiner Rettung herbei eilt 🙂
LG
Astrid
Irmi schreibt:
Liebe Astrid,
ein Alptraum. Allerdings habe ich in meinem Garten eine Springnatter.
Die steht unter Artenschutz. Immer wieder schauen wir nach ihr. Aber sie
lässt sich nicht solange sehen, dass man sie fangen könnte, damit sie an sicherer
Stelle ausgesetzt werden kann.
Deine Geschichte ist humorvoll – wenn auch nicht für die Beteiligten.
Einen stressfreien Resttag wünscht dir
Irmi
Leider geht jetzt schon wieder nichts mehr. Es ist alles ziemlich komisch.
also bleiben wir bei diesem Weg.
Hallo Astrid, Alptraum für mich. Hier in Norwegen haben wir die auch und auch Kreuzottern. Im Sommer bin ich immer vorsichtig.Sie benutzen unsere Sonnenplatze auch gerne zum Sonnen. Finde ich nicht gerade erbaulich Liebe Grüße Eva
Hallo Eva,
wenn ich ehrlich bin, dann hätte ich genauso um Hilfe gerufen wie die Protagonistin in meiner Geschichte. Erstens bin ich in dieser Hinsicht ein Feigling und zweitens sind mir Schlangen, egal ob giftig oder harmlos, nicht ganz geheuer.
Pass gut auf, damit Du nicht gemeinsam mit einer Kreuzotter oder einer Blindschleiche…auf der Wiese liegst!!!
LG
Astrid
Oh, das wäre ein wahrer Alptraum für mich – auch wenn es sich ’nur‘ um eine Blindschleiche gehandelt hat. Eine wahre Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe! LG Martina
Danke Martina.
Ich glaube mich würde dieses Erlebnis jedes Mal verfolgen, wenn ich den gefüllten Wäschekorb aus dem Garten holen würde. Dabei wäre es auch egal, ob die Begebenheit schon Jahrzehnte zurückliegt oder gerade erst passiert wäre. Den Schreck vergisst man so schnell nicht.
LG
Astrid