Kurzgeschichten
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„Hat Astrid denn kein Schmuckkästchen?“

Diese Frage stellte vor fast zwanzig Jahren die Tochter einer Bekannten. Das kleine Mädchen dachte, ich würde immer meinen gesamten Schmuck am Leibe tragen, denn das kannte sie von ihrer Mutter, die eher selten Schmuck trug, nicht. Ganz so schlimm war und ist es allerdings nicht, aber ich konnte und kann meine Liebe zu Schmuck nicht verleugnen. Und die begann schon im zarten Kindesalter.

Bei unseren alljährlichen Besuchen bei meiner Omaur (sprich: Uroma, von der ich schon an anderer Stelle berichtet habe) in Rottach – Egern, lernte ich mit ungefähr zwei oder drei Jahren auch deren Schwester kennen. Von ihr ging für mich eine derartige Faszination aus, dass ich sie nie mehr vergessen sollte. Diese Frau war über und über behangen mit Schmuck. An ihr glitzerte und klimperte sprichwörtlich alles. Sie trug an jedem Finger einen oder teilweise sogar mehrere Ringe, mehrere Armbänder und Ketten. Von den Ohrringen und der Uhr ganz zu schweigen. Ich konnte meinen Blick von dieser Frau gar nicht abwenden, dies fiel auch meinen Eltern auf. Von diesem Zeitpunkt an, war meine Freude über jedes einzelne Schmuckstück, das ich geschenkt bekam riesengroß, doch Ohrringe und Ringe liebe ich bis heute am allermeisten.
„Ohne Ohrringe gehe ich nie aus dem Haus“, erklärte ich einmal einer Bekannten. „Denn sonst würde ich mich irgendwie nackt fühlen.“
Man kann jetzt sagen, dass diese Leidenschaft vererbt sein mag oder vielleicht auch nur abgeschaut. Egal, ich mag einfach Schmuck, ob echt, ob unecht, ob aus Gold oder Silber oder einfach nur Modeschmuck.
Deshalb passe ich auch auf meinen Schmuck besonders gut auf. Doch als ich neulich im Internet den Aufruf von Stern TV las, in welchem die Besitzerin eines Eherings gesucht wurde, die diesen verloren hatte, musste ich doch der Tochter meiner Bekannten recht geben:
„Mit Schmuckkästchen wäre das nicht passiert!“ (Jedenfalls nicht, wenn sich das Schmuckstück darin befindet.)
Ich fragte mich allerdings auch: „Wie kann man seinen Ehering verlieren?“
„Wie kann man überhaupt einen Ring verlieren?“, grinste mich mein Mann an. „Oder weißt du, wie so was passieren kann?“
Da traf mich plötzlich der Schlag oder besser gesagt ein Geistesblitz, mit dem schlagartig meine Erinnerung einsetzte:
Es ist schon ein paar Jahre her. Ich weiß, dass es ein sehr stressiger Tag war, an dem ich viel zu erledigen hatte. Ich musste dort und hier hinfahren und dies und das erledigen. Zum Schluss war dann noch der Wocheneinkauf angesagt.
„Wollen wir heute in die Sauna gehen?“, fragte mich mein Mann dann auch noch am Abend.
„Ich bin total geschafft von diesem Tag heute“, meinte ich. „Aber warum nicht?“
Also wurden die beiden Sporttaschen für die Sauna gepackt, ich legte meinen Schmuck auf den Küchentisch und los ging es. Es war ein schöner und gemütlicher Abend. Und anschließend saßen wir mit Bekannten noch ein Weilchen in der „Saunabar“. Beim Abschied fiel mein Blick auf meine Hände. „Ich habe meinen Ring verloren!“ (Wohlgemerkt: Meine Ringe trage ich Tag und Nacht, die ziehe ich nie aus, ich wechsele sie höchstens.)
„Ach Quatsch!“, sagte mein Mann. „Welchen überhaupt? Sag jetzt nicht, dass es der ist, den du schon zweimal verloren hast!“
Ich nickte vorsichtig, denn genau um diesen Ring handelte es sich. Einmal hatte ich ihn im Urlaub verloren und ihn zwischen den schmutzigen Handtüchern gefunden und ein anderes Mal fiel er mir sogar in die Toilette. Ich konnte jetzt allerdings nur hoffen, dass alle guten Dinge drei sind, denn die beiden anderen Male hatte ich ihn ja wieder gefunden. Oder sollte ich besser Antonius von Padua anrufen, dieser Heilige gilt nämlich auch als Wiederbringer von verlorenen Sachen. Zunächst einmal beschloss ich allerdings selbst zu suchen, denn weit konnte der Ring meiner Meinung nach nicht sein.
Wir marschierten noch einmal in die inzwischen leeren Saunakabinen, in die Dusche und die Umkleide. In jeder Ritze schauten wir nach, konnten aber nichts finden. Frustriert beschrieb ich dem Saunabesitzer das Aussehen meines Ringes.
„Ich melde mich, wenn wir ihn finden!“, versprach er mir, doch ich glaubte nicht so recht daran, ihn in der Sauna verloren zu haben. Mein Mann hatte mich mittlerweile auch total verunsichert. Ich fragte mich insgeheim, ob ich ihn wirklich getragen hatte. Also fuhren wir nach Hause und suchten dort alles ab. Nichts! Der Ring blieb verschwunden. Ich war tieftraurig.
„Wo warst du denn heute überall?“, erkundigte sich Peter.
Ich berichtete von meinem Tag und fügte zum Schluss hinzu: „Als ich meine Jacke anzog, um noch einkaufen zu fahren, da hatte ich ihn noch, denn ich bemerkte, dass er rutschte!“
„Da haben wir es doch!“,stellte er fest. „Den hast du wahrscheinlich beim Einkaufen verloren! Dann liegt er irgendwo zwischen den Regalen.“
„Oder auf dem Parkplatz!“, überlegte ich weiter.
„Ruf einfach morgen im Markt an, vielleicht hat ihn ja jemand gefunden und abgegeben.“
Damit wollte ich mich jedoch nicht zufrieden geben und beschloss: „Ich fahre jetzt noch mal hin und suche auf dem Parkplatz.“
Der Blick meines Mannes auf unsere Küchenuhr sprach Bände. Er schien mich für total verrückt zu halten, denn die Uhr zeigte kurz vor Mitternacht an.
„Ich fahre. Kommst du mit?“
Da er mich um diese Zeit nicht alleine auf einem Parkplatz bei tiefster Finsternis herumlaufen lassen wollte, setzte er sich murrend hinter das Steuer und wir fuhren los.
„Wie willst du hier was finden?“
Peter leuchtete mit den Scheinwerfern des Autos den Parkplatz ab und ich lief suchend kreuz und quer. Selbst bei den Einkaufswagen, die brav in der Parkstation standen, suchte ich. Allerdings überall vergeblich.
„Lass uns endlich heimfahren! Der ist weg und bleibt weg!“
Männer, wie können die nur so gefühllos sein! Ich wollte einfach noch nicht aufgeben. Sicher, er konnte ebenso schon gefunden worden sein oder ich hatte ihn an einer anderen Stelle verloren.
„Nur noch ein Versuch! Bitte!“
Ich ging nochmals zu der Stelle, von der ich annahm, dass ich auf einem dieser 3 oder 4 Parkplätze geparkt hatte. Peter fuhr mir hinterher und erleuchtet wieder alles. Zentimeter für Zentimeter suchte ich alles mit meinen Augen ab.
„Lass doch endlich!“
„Nur noch hier drüben. Komm mal mit dem Auto ein Stückchen näher, damit ich mehr Licht habe!“
Widerwillig folgte Peter meinen Anweisungen: „Dann ist aber endgültig Schluss!“
„Ich weiß“, dachte ich noch, da sah ich im Scheinwerferlicht etwas glitzern.
„Das wird nur ein kleines Kieselsteinchen sein“, schoss es mir durch den Kopf. Ich ging aber doch zu der Stelle hin und bückte mich. Da lag er! Mein Ring! Ganz friedlich lag er in einer Fuge zwischen den Pflastersteinen. Vollkommen unbeschadet. Überglücklich hob ich ihn auf. Wahrscheinlich strahlte ich ebenso wie damals als Kind, als meine Puppe Rita wieder zu sprechen anfing (habe ich bereits in einer anderen Geschichte beschrieben.)
„Da hast du aber Glück gehabt!“, kommentierte Peter meine Freude. „Stell dir mal vor, er wäre dir in den Altglasbehälter oder in den Müll gefallen. Ich will mir gar nicht erst ausmalen, wie unsere Suche dann heute Nacht ausgesehen hätte.“
„Meinst du, es war wirklich nur Glück?“, fragte ich ihn. „Vielleicht war es aber auch Zauber, Magie oder doch einfach nur Zufall“, philosophierte ich strahlend.
„Das ist mir im Moment vollkommen egal, ich will jetzt einfach nur nach Hause und endlich in mein Bett.“
Da ich mich noch nicht dazu entschließen konnte diesen Ring verkleinern zu lassen, liegt er seither wohlbehütet in meinem Schmuckkästchen. Vielleicht sollte ich ihn jedoch als Glücksbringer an einer Kette um den Hals tragen. Das muss ich mir noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Aber wofür habe ich dann ein Schmuckkästchen und wie war die Frage der Tochter meiner Bekannten noch einmal???

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