Für Kinder, Kurzgeschichten
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Der Knuddelhund erzählt…

Hallo! Ich bin der ehemalige Knuddelhund meines Herrchens. Naja, heute nicht mehr, da knuddelt er lieber seine Freundin, aber als mein Herrchen noch ein kleines Kind war, da stand ich hoch im Kurs bei ihm. Wie ich zu ihm kam und alles andere rund um meine Persönlichkeit das will ich Euch nun erzählen. Also stellt Euch einfach mal vor, wir sind im Jahre 1995:
Ich bin ein kleines blaues Hündchen mit langen Schlappohren und einem süßen weißen Schnäuzchen. Eines meiner Schlappohren ist rosa und das andere blau. Ich habe weder einen Namen, noch ein Herrchen oder ein Frauchen. Es ist Montag, der 30. Oktober 1995 und bekanntlich ist an diesem Tag Weltspartag. So hat man mich zu einer der vielen Sparkassen gebracht. Genauer gesagt, ich liege unter einem Sparkassentresen in Darmstadt und harre mit anderen Stofftieren auf das, was auf uns zukommen wird. Unser aller Zukunft ist ungewiss. Werden wir denn ein gutes Herrchen oder Frauchen finden oder werden wir zwar mitgenommen, aber dann einfach in einer Ecke des Kinderzimmers verschwinden? Niemand kann es uns sagen. Also ergeben wir uns brav unserem Schicksal.
Immer wieder geht die Eingangstür auf und ich höre Kinderstimmen und das Klappern von Münzen, die aus den verschiedenen Sparschweinen und Spardosen kullern. Hin und wieder greift eine Hand unter die Theke auf die Ablage, wo ich mit den anderen Schicksalsgefährten liege. Ich bin inzwischen von dem Geklimpere und dem Gemurmel schon ein wenig eingeschlafen und schlummere so vor mich hin. Plötzlich dringt eine Jungenstimme an mein Ohr und lässt mich die Augen und Ohren aufsperren. Die Stimme klingt symphatisch und so lausche ich:

„Guten Tag!“
„Hallo T.! Na hast du uns auch dein Sparschwein mitgebracht?“
„Ja, das ist ganz schön schwer“, sagt der Junge.
„Da wollen wir doch mal sehen, was drin ist“, meint die Bankangestellte und schon höre ich die Münzen klimpern.
Es vergeht eine kleine Ewigkeit, bis alles Kleingeld aus dem Schweinchen gezählt ist, doch dann sagt die Frau von der Sparkasse:
„Weil du so schön fleißig gespart hast, wollen wir dich auch dafür belohnen.“
Die Hand kommt wieder zu uns unter die Theke und greift sich ein Stofftier, das neben mir liegt. Jetzt rufe ich ganz laut, denn die Stimme des Jungen hat mir gefallen und ich möchte mit ihm nach Hause gehen.
„Hallo, hallo!!! Ich bin auch noch da. Ich will zu dem Jungen!“
Anscheinend hat mich die Bankangestellte gehört, denn die Hand greift nun auch nach mir und befördert mich ebenfalls nach oben auf die Theke. Jetzt sehe ich den Jungen, der neben einer anderen Frau steht, die anscheinend seine Mutter ist.
„Schau mal hier darfst du dir etwas aussuchen!“, fordert die Bankangestellte den Jungen auf.
Der Junge schaut schüchtern zu seiner Mutter, doch die ermuntert ihn:
„Nimm einfach das, was dir am besten gefällt!“
Ich belle in den freundlichsten Tönen, damit er mich hört und mich auserwählt. Allerdings fängt jetzt auch das andere Stofftier an sich bemerkbar zu machen. Also versuche ich es mit Bitten und Betteln.
„Bitte, bitte, nimm mich doch mit! Du gefällst mir und ich werde dir immer ein treuer Freund sein! Bitte, bitte!“
Ich glaube er hat mich gehört, denn er sagt zu seiner Mutter:
„Das blaue Hündchen gefällt mir am besten. Darf ich es haben?“
Anscheinend haben die Bankangestellte und die Mutter genickt, denn schon umfasst mich die Kinderhand und hebt mich hoch.
„Danke!“, sagt der Junge und drückt mich an sich.
„So, nun habe ich also ein Herrchen“, denke ich mir und schmiege mich an ihn.
„Das Hündchen ist ganz weich“, strahlt der Junge und nimmt mich am Abend auch gleich mit in sein Bettchen.
Mein neues Zuhause ist perfekt. Ich fühle mich hier pudelwohl. Nur Namen habe ich immer noch keinen, aber da will mir der Zufall zu Hilfe kommen.
Schon bald nimmt mich der Junge mit auf eine lange Reise. Seine Mutter wird nämlich Patentante eines französischen Jungen. Also geht es in Richtung Paris zur Taufe. Dort angekommen, empfängt uns nicht nur die französische Familie, sondern auch ein kleiner Hund. Und der ist echt! Er bellt uns erst einmal an. Mein Herrchen findet ihn aber total süß und ich werde schon ein bisschen eifersüchtig. Außerdem kann ich kein Wort verstehen, denn sie sprechen alle nicht meine Sprache. Aber auch mein Herrchen versteht nichts. Der Vater des Patenkindes kommt zu meinem Herrchen und zu mir. Er deutet auf den echten Hund und meint: „Jona!“
Danach deutet er auf mich und fragt: „Quel est son nom?“
„Er möchte wissen, wie dein Hundchen heißt“, erklärt die Mutter meinem Herrchen.
Jetzt bin ich aber gespannt, denn ich weiß meinen Namen ja auch noch nicht. Mein Herrchen zuckt erst mit den Schultern, doch dann beginnt er zu strahlen und meint: „Jonas!“
Von diesem Moment an heiße ich also Jonas. Gut, der Name gefällt mir und ich bin glücklich endlich nicht mehr ein namenloses Etwas zu sein. Ich habe es wirklich gut getroffen. Mein Herrchen liebt mich abgöttisch und knuddelt mich ganz viel. Das hat natürlich Folgen, wie sich jeder vorstellen kann. Eines Tages meint die Mutter meines Herrchens nämlich:
„Dein Jonas sieht gar nicht gesund aus. Er ist so dünn geworden. Ich glaube wir müssen ihn operieren.“
Sofort rennt mein Herrchen davon und holt seinen Arztkoffer. Nun werde ich erst einmal mit dem Stethoskop abgehört und dann gibt mir mein Herrchen eine Spritze in meinen Allerwertesten.
„Autsch!“, rufe ich aus. „Das pikst aber!“
Doch kaum habe ich das gesagt, da schlafe ich auch schon ein. Während ich von einem schönen saftigen Knochen träume, wird mein Bauch aufgeschlitzt und man stopft mich mit alten Socken aus. Ich merke aber zum Glück nichts davon. Als ich wieder aufwache, ist mein Bauch wieder zugenäht. Man sieht noch nicht einmal eine Narbe. Aber ich bin jetzt wieder wie neu. Kugelrund und weich bin ich jetzt und fühle mich richtig wohl.
„So“, sagt die Mutter. „Jetzt ist dein Jonas wieder gesund.“
Mein Herrchen drückt mich an sich und wir beide sind einfach nur glücklich. Sehr viel Jahre lang.
Ihr ahnt es sicher schon. Heute liege ich in einer kleinen Kiste auf dem Dachboden, zusammen mit anderen Utensilien aus den Kindheitstagen meines Herrchens. Diese Kiste hat mein Herrchen zum 18. Geburtstag von seiner Mutter geschenkt bekommen. Er hat sich damals sehr gefreut mich wiederzusehen, obwohl ich mittlerweile schon in die Jahre gekommen bin und etwas abgegriffen aussehe. Das ist nun schon viele, viele Jahre her.
Ich weiß, dass er mich nicht vergessen hat. Eines Tages, so hat er mir versprochen, wenn er selbst kleine Kinder hat, holt er mich wieder vom Dachboden aus meiner Kiste. Dann werden sie mich bestaunen und mein Herrchen wird Geschichten über mich erzählen.

 

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18 Kommentare

  1. Eine herzliche Geschichte. Und man kann sich für das kleine Hündchen wirklich nur wünschen, dass es eines Tages wieder in Kinderhänden landet.
    Wir haben auf dem Boden auch noch einen großen Sack mit Plüschtieren stehen. Und es waren noch viel mehr, aber alle kann man wirklich nicht aufheben. Bei jedem Teil hieß es „Das nicht“, „Das auch nicht“, „Das muss bleiben“ 🙂 Aber auch ich hoffe, dass all die lieb gewordenen Tiere in kleinen Enkel-Kinder-Händen landen 🙂
    Liebe Grüße von Kerstin.

    • Astrid Berg sagt

      Das kleine Hündchen ist leider schon etwas ramponiert. Das viele Kuscheln hat Spuren hinterlassen. Naja, wahre Schönheit strahlt von innen 😉 .
      Ich kann mich erinnern, dass ich eines Tages von der Schule nach Hause kam und meine Eltern hatten ausgemistet. Ich entdeckte unter den Sachen auch etwas von mir. Es war ein alter Hund, der unter seinen Pfoten Rollen hatte. Ich jammerte so lange, bis der Hund wieder in meinem Zimmer stand. Ob ich noch jemals mit ihm gespielt habe, möchte ich bezweifeln, aber wegwerfen wollte ich ihn auch nicht.
      Auf unserem Dachboden gibt es noch viele, viele Stofftiere und andere Spielsachen unseres Sohnes, die nur auf ihren Einsatz warten. Und so hoffe ich genau wie Du, dass die zukünftigen Enkelkinder sich darüber freuen werden.
      LG
      Astrid

  2. Liebe Astrid, hach was es für Parallelen gibt. Bei mir im Schlafzimmer in Frankfurt hängt ein Sackchen mit meinen alten Stofftieren, total verrupft. Hab leider niemanden, dem ich das mal übergebe. Macht nix, behalte ich bis es mich nicht mehr gibt, wie mein alter Blognamen.Erreichen kannst Du mich nun http://snakkinnorge.blogspot.com
    Liebe Grüße
    Eva

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Eva,
      ich denke,dass jeder noch irgendwo ein Relikt aus der Kindheit hat. Bei dem einen sind es Stofftiere, bei anderen Spielzeugautos, Legobausteine … Entdeckt man diese Dinge nach langer Zeit wieder, so bringen sie Erinnerungen und Freude, – egal, ob sie auf dem Dachboden oder im Keller eingelagert sind, oder wie bei Dir sogar im Schlafzimmer.
      LG
      Astrid

  3. Du schreibst wunderschöne Kindergeschichten, liebe Astrid, da möchte man wieder Kinder zum Vorlesen haben.
    Lieben Gruß
    Anna-Lena

    • Astrid Berg sagt

      Ich danke Dir, liebe Anna-Lena. Ich freue mich sehr über Dein Lob.
      Ich wünsche Dir eine gute Nacht und einen angenehmen Freitag.
      LG
      Astrid

  4. liebe Astrid, eine entzückende Geschichte,(wie eine Gute Nacht Geschichte zum vorlesen gemacht – sicher auch dazu erdacht).
    Einen Teddy, ein Hasi“, eine Knuddelkatze weich und warm, anschmiegsam und nicht nur für die Allerkleinsten gedacht nimmt man doch gerne abends mit unter die bettdecke um ihm/ihr vom Tag zu erzählen, dann wenn man einsam ist oder nur als Freund den man mag.
    An machen Tagen/Abenden ertappe ich mich sogar dabei, dass ich selbst nach meinem Stoffhasen greife um ihm den Bauch vorm einschlafen zu kraulen, muss nur aufpassen wie ein Schiesshund dass merlin der daneben liegt nicht eifersüchtig grummelt! „ER“ meint nämlich das wäre sein alleiniges Revier…
    so entlockst du uns also unsere geheimnisse,,, aha…:))
    :(())Angel

    • Astrid Berg sagt

      OH wie herrlich! Ich konnte Dir Deine Geheimnisse entlocken;-).
      Einen Teddy hatte ich auch und in einer meiner Geschichten („Und jetzt fängt mein neues Leben an“) habe ich ihn sogar schon einmal erwähnt. Er war gelb, dick und rund 🙂 .
      LG
      AStrid

  5. Herrlich, deine Geschichte. So kleine geliebte Tiere gab es bei unserer Tochter auch und eine Puppe aus rotem weichen Frottee. Die wurde am allermeisten geliebt. Ich erinnere mich, dass meine Mutter ihr einmal heimlich ein neues Gesichtchen stickte und unsere Tochter sich sehr darüber freute. Manchmal musste Rosi heimlich gewaschen werden und wanderte in die Waschmaschine. Oh, herrje! Das wurde entdeckt. Sofort musste ich die Maschine stoppen, Rosi dort heraus holen und auf die Wäscheleine hängen. Meine Güte, hatte ich ein schlechtes Gewissen, als ich die Tränchen in den Augen unseres Kindes sah. – Du siehst, du hast eine Flut an Erinnerungen in mir ausgelöst. Danke dafür! LG Martina

    • Astrid Berg sagt

      Herrlich! Deine Erinnerungen gefallen mir und ich freue mich, dass ich sie bei Dir durch meine kleine Geschichte auslösen konnte.
      Als ich die Geschichte schrieb, kam unser Sohn und er freute sich seinen ehemaligen Kuschelhund wiederzusehen. Aber er kuschelte dann doch lieber mit unserer Katze.
      LG
      Astrid

  6. Liebe Astrid,
    solche Kuscheltiere könnten immer viel erzählen, vom Kummer der Herrchen und Frauchen, die vielen Freuden, die sie miterleben durften und sonst noch einiges.
    Meine Tochter hatte eine Ente, die „Watschel“. Ohne diese ging überhaupt nichts. Sie war überall dabei. Der Hals war so dünn, dass der Kopf nur noch rechts und links herunterhing. Ich denke gerne daran zurück.
    Deine Geschichte hast du spannend erzählt. Schön!

    Liebe Grüße und noch eine schöne Rest-Woche.
    Traudi

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Traudi,
      eine Ente, die den Namen „Watschel“ trägt, kann nur süß sein. Ich stelle es mir gerade vor, wie sie mit hängendem Kopf wohl ausgesehen haben mag.
      Danke für Deinen Besuch und Deinen netten Kommentar.
      LG und einen schönen Rest-Donnerstag
      Astrid

  7. Liebe Astrid, ich wünsche einen guten Tag.
    Ich hatte auch einen Hund und zwar einen Scotti.
    Der war schwarz, hatte krumme, kurze Beinchen, krauses, kurzes drahtiges Pelzfell und war so lang wie ein Dackel. Schwarze, glänzende, große Knopfaugen und einen großen, schwarz-glänzenden Nasenspiegel. Er hatte ein halb offenes Maul mit einer roten heraushängenden Zungenspitze. Ein wirklich schöner Hund. Sein Körper war mit Holzwolle gestopft. So ein Stofftier habe ich nie wieder gesehen.
    Mein Vater brachte ihn, als er von der Arbeit kam, mit nach Hause. Er hielt den Spielhund unter dem Arm und als ich ihm die Tür öffnete, glaubte ich, er wäre sogar ein echter Hund. Ich war da 6 Jahre.
    Ich freute mich riesig und hatte ihn bis zu meinem 16. Lebensjahr. Dann wurde er verschenkt. Er sah immer noch gut aus, obwohl ich viel mit ihm spielte. Mein Vater machte einen Ledermaulkorb für ihn und eine Lederleine.
    Das ist auch so eine aufgeschriebene Erinnerungsgeschichte von mir in meinem Blog. Die paßt auch grad gut hierher, denke ich.
    Deine Geschichte ließt sich sehr schön und ist liebevoll geschrieben.
    Tschüssi Brigitte

    • Astrid Berg sagt

      Hallo liebe Brigitte,
      danke für diesen schönen Erinnerungskommentar. Stofftiere haben schon etwas, – sie wirken nicht nur flauschig und es lässt sich gut mit ihnen kuscheln, sondern sie wirken auch irgendwie „echt“. Für Kinder sind sie dies auch. Man kann ihnen alles erzählen, sie hören immer geduldig zu 😉
      Auf Deine Erinnerungsgeschichte in Deinem Blog freue ich mich schon.
      LG
      Astrid

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