Seit die Menschheit den aufrechten Gang entdeckt hat, bewegen wir uns relativ selten noch auf allen Vieren vorwärts. Sind wir erst einmal dem Krabbelalter entwachsen, stehen und gehen wir stolz auf unseren zwei Beinen. Somit kann sich jeder, der die Überschrift liest, denken, dass ich heute nicht nur von uns erzählen will, sondern hauptsächlich von unserem geliebten Vierbeiner, nämlich unserer Katze.
Unser liebes kleines Lottchen schleicht sich auf ihren vier weichen Samtpfoten überall hin. Manchmal muss ich sie im ganzen Haus suchen, kann sie aber nirgendwo finden und trotzdem steht sie dann plötzlich wieder miauend vor mir. Es ist mir jedes Mal ein Rätsel wo sie sich versteckt hält. Katzen beherrschen das Schleichen und Stillsein meisterhaft. Sie setzen eine Menge von Tricks ein, um uns Menschen das zu entlocken, was sie wollen. Sie sind aber auch Verwandlungskünstler, mal Raubtier und mal Schmusekätzchen. Unser Lottchen beherrscht allerdings auch noch das Verhalten von Hunden. Wie es dazu kam, soll sie aber an dieser Stelle kurz selbst erzählen:
„ Als ich noch ganz klein war und bei meiner Katzenmama lebte, da gab es einen Dackel, namens Kati. Wenn wir wegliefen, dann holte er uns wieder zurück zum Haus, aber sonst lief er immer seinem Frauchen oder Herrchen hinterher. Ich habe genau aufgepasst und mir alles gemerkt, damit ich das auch lerne, denn er war neben meiner Mama mein großes Vorbild. Doch irgendwann musste ich Kati und meine Mama verlassen und zog bei einer lieben Familie ein. Jetzt habe ich zwei Herrchen, nämlich Peter und Timo und ein Frauchen, das immer Astrid gerufen wird.
Ich war gerade einmal ein paar Monate alt, da wollte mein Frauchen einen Spaziergang machen. Sie ging einfach weg und wollte mich draußen im Garten alleine lassen. Ich habe es gerade noch rechtzeitig bemerkt und lief eilig hinterher. Mein Frauchen wollte eigentlich nicht, dass ich mitkomme, denn sie wollte mein Revier verlassen und ganz weit weggehen, deshalb sagte sie zu mir:
‚Lottchen, bleib du mal schön zu Hause, sonst verläufst du dich noch und findest nicht mehr heim!‘
Ich dachte mir, dass das doch Quatsch ist und ich eine Katze bin und Katzen immer wieder nach Hause finden.“
Mit diesem Gedanken versuchte ich mich damals ebenfalls zu beruhigen und ließ Lottchen mitlaufen. Mal rannte sie im Abstand von zwei Metern hinter mir her, mal lief sie einen Meter voraus, wobei sie sich immer wieder nach mir umschaute und manchmal trabte sie brav neben mir her. Eben wie ein Hund.
Mein Ziel war die Spree. Ich wollte bei uns am Damm entlang der Spree spazieren gehen und eigentlich war mir dies für unser Kätzchen zu gefährlich. Erstens waren am Damm nicht nur Fußgänger, sondern auch Radfahrer unterwegs und zweitens führten hier die Hundebesitzer ihre Vierbeiner ebenfalls spazieren. Also musste ich entweder meinen Spaziergang abbrechen oder ich musste mir eine andere Möglichkeit einfallen lassen, um Lottchen sozusagen abzuschütteln. Das war gar nicht so einfach, denn selbst wenn etwas ihre Neugierde erregt hatte, ließ sie sofort wieder davon ab, sobald sie merkte, dass ich weiter marschierte. Im Nu war sie wieder an meiner Seite.
Ich lief Umwege und wer mich beobachtete, dachte sicher, dass ich ein seltsames Verhalten an den Tag legte. Ich ging nicht nur zweimal dieselbe Strecke, sondern ich unterhielt mich auch noch mit einer Katze. Zu Hunden und kleinen Kindern kann man ja sprechen, aber wer geht schon spazieren und unterhält sich mit einer winzigen Katze?! Da kann doch was nicht stimmen.
Weder meine Tricks noch gutes Zureden halfen, Lottchen blieb brav und treu an meiner Seite. Doch dann führte uns unser Weg zu einer Wiese durch die sich ein Fließ (ehemaliger Bewässerungsgraben) zog. Hier passierte es dann. Irgendetwas erregte Lottchens Aufmerksamkeit und zack, – war sie in einer anderen Ecke verschwunden. Ich nutzte die Gelegenheit und setzte meinen Weg Richtung Spree fort, allerdings nicht ohne mich durch mehrmaliges Umdrehen zu vergewissern, dass mir unser Kätzchen nicht folgte. Nein, ich war und blieb alleine, während Lottchen sich laut ihren späteren miauartigen Ausführungen und meinen Deutungen der Katzensprache folgendermaßen anderweitig beschäftigte:
„Als ich mit meinem Frauchen zu einer Wiese kam, sah ich plötzlich im Gras etwas huschen. Ich konnte es noch nicht genau erkennen, aber ich musste es unbedingt verfolgen und beobachten. So schlich ich mich vorsichtig an, jagte hinterher und spielte mit diesem Etwas. Als ich keine Lust mehr hatte und mich umsah, war mein Frauchen verschwunden.“
Bei meinem Spaziergang entlang der Spree war es mir schon etwas mulmig zumute, das muss ich mir selbst im Nachhinein noch eingestehen. Unser Lottchen ging mir nicht aus dem Sinn. Hoffentlich war sie mir tatsächlich nicht mehr nachgelaufen und was wäre, so überlegte ich, wenn sie ins Fließ gefallen war? Vielleicht hatte ihr auch ein Hund oder eine andere Katze Angst eingejagt und sie ist geflüchtet. So gut kannte sie sich in unserem Wohngebiet auch noch nicht aus, zumal wir ja auch ihr eigentliches Revier verlassen hatten. Bestimmt war meine Katze schon tot, überfahren oder ertrunken. Ich war mir inzwischen ganz sicher: Ich würde mein kleines süßes Lottchen nicht mehr wiedersehen, zumindest nicht lebendig.
Trotz schönem Wetter machte mir mein Spaziergang keine Freude. Meine Vorstellungen zermürbten mich. Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn unserem Kätzchen etwas zugestoßen sein sollte. Peter und Timo wären mit Sicherheit ebenfalls sehr, sehr traurig und insgeheim konnte ich schon ihre Vorwürfe hören. Ich hätte einfach mit Lottchen wieder nach Hause gehen sollen.
Inzwischen war schon eine Stunde vergangen, nachdem ich unsere kleine Katze alleine gelassen hatte. Wer weiß, was in der Zwischenzeit passiert war?! Vielleicht hatte sie sogar ein anderer mitgenommen, so süß wie sie war.
Ich hielt es nicht mehr aus und machte kehrt. Auf meinem Rückweg schaute ich mich ständig nach allen Seiten um. Ein Beobachter hätte vermutet, dass ich unter Verfolgungswahn leiden würde. Unwillkürlich wurden meine Schritte immer schneller, zum Schluss rannte ich schon fast. Bereits von Weitem ließ ich meinen Blick über die Wiese schweifen. Nichts! Ich konnte kein Lottchen erblicken.
Auf der Wiese angekommen, wusste ich mir nicht mehr anders zu helfen, als laut den Namen unseres Kätzchens zu rufen:„Lottchen! Lottchen, wo bist du?“
Was war das? War das ein leises Miauen oder hatte ich mich getäuscht? Manchmal wünscht man sich etwas ja so stark, dass man glaubt das Gewünschte zu sehen oder zu hören. Abermals suchte ich die gesamte Wiese mit meinen Augen ab. Und dann sah ich sie! Unser geliebtes Lottchen saß auf der gegenüberliegenden Seite des Fließes und rief mich. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Ich war überglücklich und Lottchen anscheinend auch. Sie versuchte zu mir zu gelangen, was aber bedingt durch das Fließ nicht so einfach war. Immer, wenn sie mit ihren Pfötchen das Wasser spürte, ging sie wieder ein paar Schritte zurück und versuchte es an einer anderen Stelle erneut, leider immer wieder vergeblich.
Ich befürchtete schon sie würde ins Wasser fallen, aber da ja Katzen bekanntlich wasserscheu sind, hätte ich mir darüber nicht den Kopf zerbrechen müssen. Ich gestikulierte und versuchte ihr irgendwie verständlich zu machen, dass sie nur ein bisschen weiter nach links oder rechts laufen müsste, um zu mir zu gelangen.
Naja, ganz so perfekt war meine Fähigkeit der Katzenkommunikation anscheinend noch nicht, trotz allem fanden wir wieder zusammen. Selig nahm ich unser Lottchen auf den Arm und trug sie sicher nach Hause.
Auf dem Weg begegnete uns ein älteres Ehepaar. Der Herr meinte lächelnd: „Ist sie weggelaufen?“
Nein, weggelaufen war unser Lottchen nicht. Im Gegenteil, sie hatte treu und brav gewartet und mit Sicherheit war sie jetzt genauso froh und glücklich wie ich.
Übrigens: Wir können seither nicht mehr in unserem Wohngebiet spazieren gehen, ohne dass Lottchen mit uns läuft. Inzwischen dreht sie schon richtig große Runden an unserer Seite, allerdings an die Spree darf sie nach wie vor nicht mit…
Fortsetzung folgt…
Arme Lottchen.
Herzlichst
Andrea
Unser Lottchen ist richtig brav und treu. Sie hat es genau richtig gemacht und dort gewartet, wo wir uns verloren haben. Nur so konnte ich sie finden.
Gute Nacht
Astrid