Alle Artikel in: Kurzgeschichten

So eine Aufregung

Eigentlich haben wir Fangen gespielt. Das macht richtig Spaß, aber irgendetwas ist wohl falsch gelaufen. Plötzlich waren die anderen nämlich weg. Erst haben sie mich hierher gelockt und jetzt sind sie alle verschwunden und haben mich hier allein gelassen. Ich frage mich nur, wo sie sind. Wahrscheinlich sind sie längst schon wieder draußen und spielen im Garten weiter Fangen.  „Hey, was machst du hier drinnen?“, höre ich eine Frau empört rufen. Meint sie etwa mich? Ich würde ja gerne raus, aber ich weiß nicht wo.  „Sieh zu, dass du nach draußen verschwindest!“, schimpft sie mit mir und dann beginnt sie mir ihr Leid zu klagen: „Ich dachte, dass ich heute mal Glück hätte. Ich habe extra erst den Wetterbericht gehört und sie haben für heute und morgen Wolken und Sonne gemeldet, aber keinen Regen. Also habe ich die Gelegenheit ergriffen. Meistens habe ich nämlich Pech und es regnet noch am selben Tag, spätestens aber am nächsten Tag.“ Bis jetzt weiß ich überhaupt nicht wovon diese Frau redet und was das alles mit mir zu tun …

Vorsicht!!!

Wir sind gerade dabei unsere Samstagseinkäufe zu tätigen, da kommt mein Göttergatte auf eine hervorragende Idee. „Wollen wir uns nicht hier beim Bäcker einen Kaffee gönnen? Dort drüben ist gerade ein Tisch frei geworden.“ „Ja, auf einen Latte Macchiatto hätte ich auch Lust“, antworte ich und marschiere schon auf den Tisch zu, um dort meine Jacke hinzulegen und damit gleichzeitig den Platz zu reservieren. Peter stellt sich unterdessen an der Theke an, um zu bestellen. Ich brauche sicher nicht zu erwähnen, dass sich zu den Kaffeespezialitäten auch noch jeweils ein Stück Kuchen gesellt. Die mahnende innere Stimme, die uns „Vorsicht Kalorien!“ entgegenruft, weisen wir mit dem Gedanken „Das Abendbrot fällt dann halt kleiner aus!“ erfolgreich zurück. Als die Teller leer, aber die Trinkgefäße noch zur Hälfte gefüllt sind, genießen wir den Kaffee jeder auf seine eigene Art. Während Peter in einer Zeitung liest, lehne ich mich entspannt zurück und betrachte das Geschehen um mich herum. Dabei fallen mir zwei Frauen auf, die auf die gleiche Idee gekommen sind wie wir und sich an diesem Nachmittag …

Das fliegende Ei

Wir sitzen im Flieger von Teneriffa zurück nach Berlin. Schade, denn wir lassen das schöne sonnige Wetter zurück und tauschen es gegen Temperaturen von ungefähr 6 Grad ein, allerdings mit der Hoffnung auf Sonnenschein an Ostern. Ich überlege, welche Geschichte aus unserem Leben zum Osterfest passen könnte, aber da hilft mir Peter auf die Sprünge. Es gibt eine lustige Begebenheit aus der Familie meines Vaters, die ich allerdings auch nur aus Erzählungen kenne. Es ist also sozusagen eine alte familiäre Überlieferung.“ „Und das ist eine Ostergeschichte?“, frage ich zurück. „Das kann ich dir jetzt nicht sagen, aber es geht um ein fliegendes Ei.“ Logisch, dass ich jetzt neugierig werde, denn fliegende Eier kenne ich nicht. Seinem schelmischen Grinsen merke ich jedoch an, dass ich vielleicht den Ausspruch nicht ganz so wörtlich nehmen sollte. „Das ist jetzt aber kein nachträglicher Aprilscherz, oder?“ „Nein, nein. Pass mal auf!“, beginnt Peter mir diese Geschichte zu erzählen. Er beschreibt eine Szene, die ich mir nun auch bildlich genau vorstellen kann. Sein Vater Heinz, der damals wohl selbst noch ein …

Annelie, Piepsie, Braunschopf und die dicke Emma

Oma Luise holt ihre kleine Enkelin Annelie vom Kindergarten ab. Bereitwillig gibt das Mädchen seiner Großmutter die Hand und tritt mit ihr gemeinsam den Heimweg an. „Na, wie war es heute im Kindergarten? Bestimmt habt ihr schöne Sachen gemacht“, wendet sich Oma Luise an ihre Enkelin. „War heute doof?“, antwortet diese kurz und knapp. Erst jetzt bemerkt Luise, dass Annelie ein ziemlich beleidigtes Gesicht macht. Irgendetwas muss wohl vorgefallen sein. „Vielleicht hat sie ja etwas angestellt oder sich mit einem anderen Kind gestritten“, überlegt die Großmutter insgeheim.  „Erzähl doch mal, was dich gestört hat!“, fordert sie deshalb das Mädchen auf. „Hilda ist doof!“, lautet die kurze Antwort.  Doch dann sprudelt es aus der Kleinen nur so heraus: „Es gab Gummibärchen. Für jeden so viele…“ Annelie hält ihre rechte Hand in die Höhe und spreizt alle fünf Finger auseinander. „Und jetzt ist die Packung leer!“, sagt sie empört. „Wie ist das denn passiert?“, forscht Oma Luise nach. „Hilda hat alle heimlich gefuttert. Das ist voll ungerecht!“ „Das stimmt! Das ist ja fast so wie bei Piepsie, …

Eins, zwei, drei, …viele

  Es ist Mitternacht. Ich kann nicht schlafen. Schafe zählen soll helfen. Ich stelle mir eine Schafherde vor, beginne zu zählen… Oh, da ist ein süßes Lämmchen! Ich streichele es.  Jetzt muss ich allerdings nochmal beginnen… Nun treibt der Schäferhund die Herde zusammen, ich komme durcheinander und beginne abermals von vorne… Der Hirte spielt auf der Mundharmonika. Mir fällt das Lied „Der Junge mit der Mundharmonika ein. Jetzt habe ich einen Ohrwurm, der lässt mich weiterhin nicht einschlafen. Irgendwann hat der Sandmann Erbarmen, mein Wecker allerdings nicht. Er klingelt und reißt mich aus meinen Träumen von der Schafherde und der Mundharmonika.   Vielleicht möchtet Ihr auch das lesen: Goldglöckchen Das Sofa in der Küche Wenn Zwei träumen  

Töpfe, die es in sich haben…

Wir haben uns Besuch eingeladen, der bei uns für eine Woche bleiben möchte. Also muss ein Plan gemacht werden, was man so an den verschiedenen Tagen an Gerichten auf den Tisch bringt. Außerdem müssen im Vorfeld die entsprechenden Zutaten besorgt werden und gegebenenfalls Vorbereitungen getroffen werden, damit man möglichst viel Zeit mit den Besuchern verbringen kann und nicht nur mit Kochen und Haushalt beschäftigt ist.  Ich überlege also hin und her und habe mir schon ein paar Ideen aufgeschrieben. Unser Besuch reist am Abend an. „Von der langen Anreise werden sie sicherlich hungrig sein“, sage ich zu Peter. „Ich möchte aber nicht nur mit einem einfachen Abendbrot aufwarten, aber zu üppig sollte es auch nicht sein.“ „Mach doch eine leckere Suppe! Vielleicht eine Gulaschsuppe“, schlägt mir Peter vor. „Ach, die kann man an jeder Autobahnraststätte essen“, schmettere ich seinen Vorschlag nieder. „Ich habe eine andere Idee, wie wäre es mit einer Gyrossuppe?!“ „Genau, die machst du. Die schmeckt super lecker!“, willigt er in meinen Vorschlag ein. „Wenn dann unsere Gäste ankommen, kannst du ihnen die …

Upps!!!

Wir sind mit dem Auto in einem anderen Stadtteil unterwegs. Bisher haben mein Mann und ich angeregt geplaudert, doch plötzlich kehrt Stille ein. Während ich meinen Gedanken nachhänge, konzentriert sich mein Göttergatte auf den Verkehr. „Was ist das denn für ein Verkehrsschild? Mit einem Dreieck darauf?“, fragt er in die Stille hinein. „Keine Ahnung, ich habe es nicht gesehen?“, antworte ich gedankenverloren und  tauche wieder tief in meinen Tagtraum ab. „Vielleicht ist es ja Blindenschrift“, mutmaßt er. „Mmhh!“, bestätige ich.  Upps! Jetzt bin ich plötzlich hellwach: „So ein Quatsch!“ Er lacht: „Ich wollte nur mal testen, ob du noch träumst!“   Vielleicht möchtet Ihr auch das noch lesen: In den Schuhen des Anderen Eiskalt Meine ganz normale, chaotische Familie    

Der verpatzte Einstieg

Nora, Steffi und Romy treffen sich regelmäßig jeden zweiten Dienstagabend auf ein Gläschen Wein. Dies ist ihr erstes Treffen im neuen Jahr. Es gibt viel zu berichten, denn diese Silvesternacht haben sie ausnahmsweise nicht gemeinsam verbracht.  Nora war bei ihren Eltern, um das Baby ihrer Schwester zu bewundern. Die kleine Sophie war nämlich kurz vor Weihnachten auf die Welt gekommen. Steffi war mit ihrem Lebensgefährten im Kurzurlaub gewesen und Romy hatte eine Einladung bei ihren zukünftigen Schwiegereltern nicht ausschlagen können. Nachdem jede der drei Freundinnen ausführlich berichtet hat, ergreift Romy das Wort: „Ich muss euch noch etwas erzählen“, beginnt sie und weckt damit die Neugierde der anderen Zwei. „Mir ist da nämlich was passiert.“ „Ich hoffe es handelt sich um nichts Schlimmes, sondern eher um was Lustiges“ meint Nora und sieht die Freundin ganz gespannt an. „Naja, wie man es nimmt“, antwortet Romy und bekommt vor Aufregung ganz rote Wangen. „Schlimm genug für mich, aber wahrscheinlich ziemlich lustig für alle anderen.“ „Jetzt spann uns nicht so auf die Folter! Erzähl einfach!“, fordert Steffi nun den …

Personalmangel  (2)

„Mmh, mmh!“, überlegt Willi hin und her und streicht sich über seinen langen weißen Bart. „Da muss ich doch gleich mal schauen, wo ich meine Stiefel und meinen Wintermantel hingehängt habe.“ Das Engelchen lächelt erleichtert, denn anscheinend ist der Weihnachtsmann damit einverstanden bei den himmlischen Vorbereitungen für das Fest auszuhelfen.  „Dankeschön!“, ruft das Engelchen freudig aus. „Ich wusste doch, dass du uns helfen wirst. Auf dich ist immer Verlass.“ So kommt es, dass Willi in der Himmelswerkstatt am großen Verpackungstisch einen Platz zugewiesen bekommt. In der Mitte liegen alle notwendigen Materialien, die zum Verpacken benötigt werden. Auf einem Fließband befinden sich die Geschenke, so dass man nur zugreifen muss. Das verpackte Geschenk kommt dann auf ein weiteres Band, das unter dem ersten verläuft. So hat alles seine Ordnung. Willi zögert nicht, sondern legt sofort los. Selbstverständlich will er seine Arbeit besonders gut machen. „Beim Verpacken ist Kreativität gefragt“, denkt er sich und überlegt kurz.  Der erste Versuch überzeugt ihn jedoch nicht so richtig, deshalb reißt er das Geschenkpapier wieder ab, zerknüllt es und wirft es …

Personalmangel

Weihnachtsmann Willi ist nun ja schon einige Jahre im wohlverdienten Ruhestand. Auf seinen Nachfolger Weihnachtsmann Rudi ist er sehr stolz. Nicht nur, weil er ihn selbst ausgebildet hat, sondern auch, weil dieser die Arbeit hervorragend erledigt. Weihnachtsmänner bleiben immer Weihnachtsmänner, das heißt, sie verlieren nie diesen Titel. Selbst dann nicht, wenn sie schon lange nicht mehr aktiv sind. Einmal Weihnachtsmann –  immer Weihnachtsmann. Gerade hat sich Willi mit einem Pfeiffchen auf seinen Ohrensessel gesetzt und die Füße auf die Ofenbank gelegt. Er liebt es ins Kaminfeuer zu schauen und sich die Füße zu wärmen. Während das Feuer so schön prasselt und die Flammen zucken, kann er seinen Gedanken freien Lauf lassen. Die vielen Jahrzehnte, die er als Weihnachtsmann unterwegs war, ziehen gedanklich an ihm vorüber.  „Es war eine schöne Zeit“, denkt er mit ein bisschen Wehmut. „Aber anstrengend war sie auch und jetzt bin ich schon so alt und auch schon recht müde. Obwohl, manchmal würde ich schon gerne wieder ein bisschen …“ Just in diesem Moment klopft es an der Tür. Erst zaghaft, dann …

Echt jetzt?

Ich bereite gerade das Mittagessen vor, als mein Mann aus seinem Arbeitszimmer kommt.  „Sag mal“, fragt er mich, während er neugierig in meinen Kochtopf schaut, „ich war doch heute mit Tobias verabredet?!“ Tobias ist ein langjähriger guter Bekannter, der hin und wieder mal bei uns vorbeischaut. Leider ist er momentan arbeitslos und lebt zur Zeit ein bisschen in den Tag hinein. Er nimmt das Leben wie es kommt und ist trotzdem meistens gut gelaunt. „Oder täusche ich mich?“, reißt mich mein Gatte aus meinen Gedanken. „Nein, nein, es stimmt schon“, bestätige ich ihm. „Er hat versprochen um zehn Uhr vorbeizukommen, weil du ihm beim Erstellen der Bewerbungsunterlagen behilflich sein willst.“ Mein Blick wandert zur Küchenuhr und ich zucke mit den Schultern, denn sie zeigt mit ihren beiden Zeigern genau auf die Zwölf. „Das ist typisch für Tobias. Wahrscheinlich hat er es vergessen oder hat keine Lust. Ich denke mal, er wird nicht mehr kommen.“ „Aber wenigstens Bescheid könnte er sagen“, beschwert sich mein Mann und geht wieder zurück in sein Arbeitszimmer. Es dauert exakt fünf …

Vom Winde verweht

Ich bin Laubinchen, ein Blatt. Vielleicht bist du mir schon einmal begegnet. Auf jeden Fall kennst du meine Schwestern und Brüder. Wir sind nämlich eine sehr große Familie. Wenn wir alle versammelt sind, nennt man uns Laub. Wir wohnen auf den Laubbäumen und sind im ganzen Land verteilt. Wenn der Baum groß und kräftig ist, also sozusagen schon ausgewachsen, dann hängen bestimmt 100 000 meiner Schwestern und Brüder an ihm. Obwohl es von uns so viele gibt, die sich auch noch alle ähneln, ist trotzdem jeder von uns einzigartig.  Im Frühjahr, wenn es langsam wärmer wird und die Sonne ihre wärmenden Strahlen zur Erde schickt, dann brechen wir aus den Blatthöckern heraus und lassen den einst kahlen Baum ergrünen. Die Menschen freuen sich dann und sagen, dass die Natur wieder erwacht. Im Herbst, wenn wir dann unser Grün gegen Gelb, Braun und Rot austauschen, erfreuen wir die Menschen wieder mit unserer Farbenpracht. Wenn wir unseren Farbstoff Chlorophyll abgebaut haben, dann dauert es nicht mehr lange und und wir fallen zu Boden. Der Baum ist dann …

Durcheinandergewürfelt

Ich fahre von der Fußpflege nach Hause und grinse vor mich hin.  „Da hatte ich wohl gerade einen Wortverdreher“, denke ich.  Ich hatte nämlich nachgefragt, ob meine Mutter kurzfristig ebenfalls einen Termin bekommen könnte. Die Fußpflegerin meinte, dass alle Termine schon vergeben seien, aber bei einer Absage würde sie anrufen.  „Schön, aber bitte nicht so knapp vorher, denn mit 93 Jahren ist man nicht ganz so flitt!“ Scheinbar hatte es niemand bemerkt oder man ging einfach dezent über diesen Versprecher hinweg. Ich hatte eigentlich ‚flott‘ sagen wollen, aber an ‚fit’ gedacht und so kam ‚flitt‘ über meine Lippen. „Ich hatte doch schon einmal so einen tollen Wortverdreher“, überlege ich jetzt. „Ach ja genau, vor einigen Jahren im Urlaub …“  Meine Gedanken reisen in diese Zeit zurück: „Damals waren wir auf der Sonneninsel Mallorca, genauer gesagt: Wir saßen nachts auf der Terrasse unseres Hotels in Alcudia und plauderten vergnüglich mit einem Pärchen, das wir in diesem Urlaub kennengelernt hatten. Während die Männer sich Bier bestellten, wählten wir zwei Frauen ein anderes Getränk: Lumumba. Ich trinke sehr …

Auf dem Weg zur Arbeit

Tina sitzt im Auto und schaltet das Radio ein. Sie hat keine Ahnung, welcher Sender gerade eingestellt ist. Eigentlich will sie nur ein bisschen Musik hören, landet aber mitten in einer Berichterstattung des Moderators. Nein, es geht nicht um irgendwelche aktuellen Ereignisse, die das Weltgeschehen beeinflussen. Es handelt sich um ein ganz persönliches Ereignis des besagten Herrn am Mikrofon:  „Heute Morgen“, berichtet er, „bin ich von meiner Arbeitskollegin gefragt worden, wieso ich mit der Brechstange zur Arbeit erscheine.“ Allein dieser Satz erregt Tinas Aufmerksamkeit als Radiohörerin und obwohl sie inzwischen schon an ihrem Ziel angekommen ist, bleibt sie noch im Auto sitzen und lauscht der Erzählung des Moderators: „Meine Kollegin hat mich sogar augenzwinkernd und grinsend gefragt, ob ich als Einbrecher unterwegs sei“, berichtet er mit sympathisch klingender Stimme. Ehrlich schildert er, was ihm auf dem Weg zur Arbeit passiert ist und Tina spürt, dass dieser Mann über sich selbst und sein Missgeschick lachen kann. „Ich fange am Besten ganz von vorne an“, sagt er:  „Wenn ich mich morgens auf den Weg zur Arbeit mache, …