Alle Artikel in: Kurzgeschichten

Auf dem Weg zur Arbeit

Tina sitzt im Auto und schaltet das Radio ein. Sie hat keine Ahnung, welcher Sender gerade eingestellt ist. Eigentlich will sie nur ein bisschen Musik hören, landet aber mitten in einer Berichterstattung des Moderators. Nein, es geht nicht um irgendwelche aktuellen Ereignisse, die das Weltgeschehen beeinflussen. Es handelt sich um ein ganz persönliches Ereignis des besagten Herrn am Mikrofon:  „Heute Morgen“, berichtet er, „bin ich von meiner Arbeitskollegin gefragt worden, wieso ich mit der Brechstange zur Arbeit erscheine.“ Allein dieser Satz erregt Tinas Aufmerksamkeit als Radiohörerin und obwohl sie inzwischen schon an ihrem Ziel angekommen ist, bleibt sie noch im Auto sitzen und lauscht der Erzählung des Moderators: „Meine Kollegin hat mich sogar augenzwinkernd und grinsend gefragt, ob ich als Einbrecher unterwegs sei“, berichtet er mit sympathisch klingender Stimme. Ehrlich schildert er, was ihm auf dem Weg zur Arbeit passiert ist und Tina spürt, dass dieser Mann über sich selbst und sein Missgeschick lachen kann. „Ich fange am Besten ganz von vorne an“, sagt er:  „Wenn ich mich morgens auf den Weg zur Arbeit mache, …

Arzttermin

Ich sitze im Wartezimmer. „Lange kann es nicht mehr dauern“, denke ich. Außer mir sitzt noch eine Frau im Wartebereich. Sie löst konzentriert Kreuzworträtsel. Plötzlich wird meine Aufmerksamkeit auf ein Telefonat gelenkt, das die Sprechstundenhilfe führt. Ich kann zwar ihren Gesprächspartner nicht hören, aber die Kommunikation trotzdem erahnen. Es geht um eine Terminvereinbarung, allerdings scheint das Datum nicht zu passen.  „Ach“, höre ich die nette  Sprechstundenhilfe sagen „so schlimm ist das doch gar nicht.“  Besonders ihre tröstende Begründung bringt mich zum Schmunzeln: „Mein Mann ist an einem 13ten geboren. Er hat in seinem Leben sehr viel Glück gehabt, – mit mir.“   Vielleicht möchtet Ihr auch das noch lesen: Des einen Freud, des anderen Leid Peinlich, peinlich… Nobody is perfect!?    

Oh Schreck!!!

Wir sitzen mit Freunden zusammen und erzählen von unserem Sommerurlaub. Ich komme regelrecht ins Schwärmen, denn von diesen drei Wochen gibt es viel zu erzählen.  „Es war ein rundum gelungener Urlaub“, sage ich und zeige auf meinem Handy einige Fotos.  „Deine Begeisterung steckt regelrecht an“, meint mein Gegenüber. „Gibt es denn etwas, das du nicht gut fandest oder worüber du dich geärgert hast?“ Ich überlege und will gerade mit dem Kopf schütteln, da schaltet sich mein Mann ein. „Ich wüsste da schon etwas!“ Stirnrunzelnd schaue ich ihn an. Um mir gedanklich auf die Sprünge zu helfen, formt er seine rechte Hand so, als würde er hiermit etwas umklammern. Er hebt die Hand über seinen Kopf und bewegt sie hin und her. Ich verstehe endlich, was er damit andeuten will. „Ach“, sage ich. „Ja, da gibt es schon eine Begebenheit, über die ich mich tüchtig geärgert habe.“ Zu meinem Mann gerichtet füge ich noch hinzu: „Du brauchst gar nicht zu grinsen, denn ich fand die Sache alles andere als lustig. – Na gut, vielleicht im Nachhinein.“ …

Volltreffer

Ich bin mit meiner Mutter zu Fuß in der Stadt unterwegs. Uns kommt eine Frau entgegen, die freundlich lächelt. Mich durchzuckt in diesem Moment ein Wiedererkennungsblitz.  „Ach hallo“,sage ich freudestrahlend. „Wie geht es denn?“  „Gut, danke der Nachfrage“, antwortet die Angesprochene. „Und selbst?“ Nachdem wir uns gegenseitig unser Wohlbefinden bekundet haben, fragt sie mich lächelnd:  „Kennen wir uns?“ Spätestens als meine Mutter den Kopf schüttelt, könnte ich in den Erdboden versinken. Mir wird klar, dass hier eine Verwechslung vorliegt.  „Oh, das ist mir jetzt aber total peinlich“, gebe ich errötend zu. „Da stehe ich wohl gerade voll in einem Fettnäpfchen.“

Schwierige Entscheidung

Wir sitzen vor einem Cafe. An den beiden Nachbartischen nehmen ein Mann, ein kleines Mädchen und eine Frau mit einem kleinen Jungen Platz. Als unsere Kaffeespezialitäten jeweils mit Keks serviert werden, schiebt mein Mann seinen zu mir.  Spontan frage ich die Mutter des Jungen, ob ich ihm einen Keks geben darf. Sie bejaht und bedankt sich. Den Mann bitte ich ebenfalls um Erlaubnis und nach einem freundlichen Nicken, überreiche ich der Kleinen den zweiten Keks. „Wie sagt man?“, fordert der Vater seine Tochter auf. Stille. Angestrengt überlegt sie, wägt Antwortmöglichkeiten ab.  Stille. Dann ist die Entscheidung gefallen: „Bitte!“ antwortet sie.   Vielleicht möchtet Ihr auch das noch lesen: Mister Tremblehand Astrid, Opa und das Eis Kindheitserinnerungen  

Wörtlich genommen

Wir fahren spontan in den Nachbarort. Dort gibt es ein kleines Restaurant mit einem Eiscafé. Da es gerade kurz nach zwölf Uhr mittags ist, entschließen wir uns an diesem sonnigen Tag an einem der Tische unter dem roten Sonnenschirm Platz zu nehmen. Wir sind nicht die Einzigen, die anscheinend auf diese Idee gekommen sind, denn alle Tische sind im Nu besetzt. Während manche das kühle und leckere Eis vorziehen, genießen andere eine warme Mahlzeit. „Eis möchte ich jetzt eigentlich nicht“, erkläre ich meinem Mann. „Eher ein kleines Mittagessen.“ Wir blättern schweigend in der Speisekarte, um das jeweils passende Gericht zu finden. Mein Mann ist ruckzuck fertig und weiß anscheinend schon, was er bestellen möchte, denn er klappt bereits die Speisekarte wieder zu. „Was hast du dir ausgesucht?“, will ich wissen. „Etwas, das mich an unseren Englischunterricht denken lässt“, meint er grinsend. „Ich kann mich nicht erinnern, im Englischunterricht jemals gegessen zu haben und schon gar nicht ein Gericht, das hier in der Karte aufgeführt ist“, sage ich stirnrunzelnd. „Oh doch!“ „Ihr durftet im Unterricht essen?“ …

Gesundes Misstrauen

Wieder einmal sind wir in unserer alten Heimat. Da einige Erledigungen auf meinem Tagesplan stehen, fahre ich mit dem Auto durch die Stadt. Mein Weg führt mich an diesem schönen Sonnentag am Freibad vorbei. Erinnerungen durchzucken meinen Kopf. Ich werfe einen kurzen Blick nach links und kann durch den Zaun das Schwimmbecken und einen Teil der Liegewiese erkennen.  „Genau da“, denke ich,“haben wir uns immer alle getroffen und unsere Badetücher auf der Wiese ausgebreitet.“ Lange kann ich mich dieser Erinnerung nicht hingeben, denn schon bin ich an einem Vorfahrt-Achten-Schild angekommen. Hier muss ich sogar anhalten, denn ein paar Autos auf der Hauptstraße haben Vorfahrt. Ja und das ist genau der Moment, in dem eine ganz andere Erinnerung in mir hervorgerufen wird. Sie war wohl ganz tief in der hintersten Schublade meines Gedächtnisses versteckt und scheint just auf diesen Moment gewartet zu haben. Ich war damals so fünfzehn oder sechszehn Jahre alt und war stolze Besitzerin eines Mofas. Damals stand ich mit meiner orangefarbenen Vespa genau an diesem Kreuzungspunkt, als ich einen leichten Ruck von hinten …

Heißes Pflaster

Es herrschte brütende Hitze, als er schnellen Schrittes über das heiße Pflaster lief. Er hatte ein Date und war spät dran.  Sie bemerkte sofort, dass irgendetwas nicht stimmte, als er auf sie zulief. Doch was hielt er in der winkenden Hand?  Als er näher kam, fiel ihr Blick auf seinen linken Fuß. „Er kommt in Badelatschen“, dachte sie verwundert. „Nein, am anderen Fuß trägt er einen Halbschuh. Seltsam.“ Winkend hielt er zwei Teile eines Schuhs und einen Flipflop in die Höhe.  „Ich musste mir unterwegs  Badelatschen kaufen“, erklärte er. „Das heiße Pflaster hat den Kleber zwischen Schuh und Sohle aufgelöst.“     Vielleicht möchtet Ihr auch das noch lesen: In den Schuhen des Anderen  Bermudadreieck und andere Mysterien Mein Verhältnis zu meinen beiden Lieblingsschränken  

Achtung Vogel!

„Wie Vögel es doch meistens schaffen rechtzeitig wegzufliegen“, sage ich zu  meinem Mann, während unserer Autofahrt. „Ja, allerdings kam ich als Jugendlicher recht schmerzhaft zu dieser Erkenntnis“, erzählt er: „Ich war mit dem Fahrrad ziemlich flott unterwegs, als sich plötzlich ein kleiner Vogel kurz vor mir auf die Straße setzte. Anstatt auszuweichen, machte ich eine Vollbremsung. Das hatte zur Folge, dass ich im Sturzflug zu Boden ging. Im Augenwinkel erkannte ich jedoch, dass der Vogel sich unbeschadet in die Lüfte erhob.“ „Autsch!“ Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Also seid ihr Beide sozusagen geflogen, – du hingeflogen und der Vogel weggeflogen.“     Vielleicht möchtet Ihr auch das noch lesen: Die Sache mit der Vorahnung Mopsi & Filou Der Geist des Weines  

Gedankenlauf

 „Ich bringe den Einkaufswagen zur Abstellstation“, erkläre ich Peter nach unserem Einkauf.  Einige Meter vor mir geht eine fremde Frau. Meine Blicke sind auf sie geheftet, besser gesagt auf ihre Rückansicht, – genau genommen auf ihre gestreifte Sommerhose.  „Chic“, denke ich beim Laufen. „Aber das T-Shirt passt farblich nicht dazu.“  Ich folge ihr weiter: „Besser würde eine leichte grüne Bluse aussehen. Ein zartes Gelb wäre auch passend. Vielleicht ein helles Beige….“  Meine Gedanken und Vorstellungen überschlagen sich während meiner Verfolgung.  „Upps, wo ist die Abstellstation?“ Tja, wenn man seinen Gedanken freien Lauf lässt, vergisst man manchmal alles um sich herum.    Vielleicht möchtet Ihr auch das noch lesen: Tänzchen gefällig? Gedankenverloren Die Dreivasengeschichte    

Nie!

Ich gehe nie ohne sie aus dem Haus. Sie gehören zu mir, seit Teenagerzeiten.  Aber wie heißt es?: Sag niemals „nie“.  Das habe ich heute gemerkt, als ich mit dem Auto unterwegs war. Ich stand an der Ampel. Mein Blick fiel in den Rückspiegel, allerdings nicht um den rückwärtigen Verkehr zu beobachten. Es war ein persönlicher Check. Da sah ich das Malheur. Sie waren nicht bei mir. Ich hatte sie vergessen. Das ist mir noch nie passiert. Das wird mir nie wieder passieren, denn ohne sie fehlt mir etwas. Nie, nie, nie werde ich wieder ohne meine Ohrringe weggehen. Nie!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!?

Au Backe

Es ist Freitag, kurz vor der Mittagszeit. Die Tür zum Büro meines Mannes steht offen und so bekomme ich sein Telefonat mit, zumindest das, was er sagt.  Als er das Telefongespräch beendet, beginnt er herzhaft zu lachen. Ich betrete nun sein Arbeitszimmer und sehe ihn stirnrunzelnd an. „Was war denn das für ein seltsames Gespräch?“, will ich von ihm wissen. „Ach das war unser Installateur. Er will doch am Montag kommen und sollte mir ein paar Maße durchgeben.“ „Aha?! Und das ist so lustig?“, wundere ich mich. „Naja, eigentlich nicht, aber ich hatte das Gefühl mich mit einem Ausländer zu unterhalten, der die deutsche Aussprache ganz schlecht oder besser gesagt, überhaupt nicht beherrscht.“ Anscheinend sieht mein Mann die Fragezeichen in meinen Augen, denn er steckt plötzlich jeweils einen Zeigefinger in den rechten und linken Mundwinkel und zieht damit seinen Mund in die Länge. Gleichzeitig beginnt er zu sprechen. Ich muss an den Witz vom Breitmaulfrosch denken und beginne zu grinsen. „Ich verstehe kein Wort“, lasse ich ihn wissen. Mein Mann wiederholt seine Vorführung, aber wiederum …

Kugel, Berg oder Klumpen

„Schau mal“, sage ich und deute auf den Eisberg in meiner Waffel.  „Diese kleine Rundung dort oben war früher ein Bällchen oder eine Kugel. Heutzutage hat man eher das Gefühl, das Eis wird mit der Baggerschaufel serviert. Dementsprechend unförmig sieht es aus.“ „Ja, früher war eine Kugel noch eine Kugel“, bestätigt mein Mann, „zwar kleiner, aber dafür passten mehrere Eissorten in eine Waffel.“  Ich muss mich beeilen, da meine beiden Eisklumpen aus Schokolade und Zitrone zu schmelzen und zu tropfen beginnen. „Früher war eben alles besser und manchmal ist weniger mehr“, belehrt er mich und reicht mir grinsend eine Serviette.   Vielleicht möchtet Ihr auch das noch lesen: Astrid, Opa und das Eis Die Abenteuer des kleinen Matz Katz und Maus  

Der kleine Moment

Ich bin wahrlich allgegenwärtig, doch übersehen werde ich allzuoft leichtfertig,  aus Unachtsamkeit verschenkt, weil man war unaufmerksam und abgelenkt.   Trotzdem bin ich in aller Munde, drehe ständig hier und da meine kleine Runde, Ich kann groß oder klein, auch nichtig oder überaus kostbar sein.   Du hast mich nicht gesichtet, weil dein Blick war auf die Zukunft gerichtet. Doch ich bin im Jetzt, was oftmals schlichtweg wird unterschätzt.   Ich habe viele Gesichter, manchmal bin ich ein Blick voller Liebe, oder nur ein Windhauch, der gleich verhallt wie Schall und Rauch.   Egal wie ich auch bin, ich mache nur durch deine Beachtung Sinn, beginne dann zu leben, meine Bedeutsamkeit wird sich ergeben.   Ich bin der kleine Moment, immer und überall auf der Welt präsent. Wenn du mich erkennst, bin ich wichtiger als du vielleicht denkst.   Bin ich ein kleines Glück, will begleiten deinen Weg ein Stück, nimm mich an der Hand, erkenne wie kostbar ist dieses Band.   Drum sei wachsam jederzeit, um mich zu erkennen bei jeder Gelegenheit.  Bin ich …