Kurzgeschichten
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Wer war das?

Heute möchte ich Euch gleich zwei Begebenheiten erzählen, die sich in unserer Familie ereignet haben. Irgendwie ähneln sich diese, so dass ich mich frage, ob so etwas vererbbar ist. Aber lest Euch einfach meine Geschichte durch und entscheidet dann selbst. Vielleicht liegt es auch nur in der Neugierde des Menschen begründet. Oder es liegt an der Nähe des Menschen zum Affen, denn genau von diesen könnte man das betreffende Verhalten auch ohne weiteres erwarten.

Am Wochenende sitzen wir gemütlich auf unserer Terrasse und genießen die Sonne. Aus Nachbars Garten dringen Stimmen zu uns herüber. Die ganze Familie, bestehend aus zwei kleinen Kindern und den Eltern, hält sich gerade im Freien auf. Plötzlich vernehmen wir ein kleines Streitgespräch zwischen Vater und Sohn. Anscheinend hat der Kleine etwas getan, was dem Vater missfällt.
„Na warte, wenn ich dich kriege“, höre ich den Vater rufen. Er klingt allerdings nicht erbost, sondern mehr spaßig.
„Würde mich ja interessieren, was er angestellt hat“, sage ich zu meinem Mann.
„Keine Ahnung, aber den Knirpsen fällt schon immer etwas ein. Timo war da auch einfallsreich.“
„Wieso?“, frage ich und ergreife sofort Partei für unseren Sohn. „Der hat doch eigentlich nie was angestellt und pflegeleicht war er auch.“
„Ja, stimmt schon. Aber ich denke da an ein ganz bestimmtes Ereignis“, erklärt mir mein Mann grinsend.
„Ich glaube, ich weiß worauf du anspielst“, grinse ich frech zurück. „Kann das sein, dass dieses besagte Ereignis mit unserem damaligen Garderobenschrank zusammenhängt?“
Mein Mann nickt mir zu und wir erinnern uns an einen Tag, an dem unser Sohn noch recht klein war.
„Ich denke, er war zwischen zwei und drei Jahren“, beginnt Peter zu erzählen und ich ergänze:
„Ja und an allem interessiert, was so um ihn herum passierte.“
Damals wohnten wir in einer Dreizimmerwohnung und hatten uns überlegt, in einer Nische der Wohnung einen Einbauschrank zu bauen. Peter wollte das Wochenende dafür nutzen und so war er am Sonntagvormittag bereits in der Vollendungsphase.
„Ich stand auf der Leiter und machte die letzten Anpassungs- und Schraubarbeiten. Timo wuselte immer um mich herum, beobachtete alles ganz genau und gab auch hin und wieder einen Kommentar ab oder stellte eine Frage wie zum Beispiel: ‚Papa brauchst du das oder brauchst du das?‘ Immerzu wollte er mir irgendwelches Werkzeug reichen.“
„Ich muss wohl gerade in der Küche das Mittagessen vorbereitet haben, denn das, was dann folgte, kenne ich nur aus deiner Erzählung. Auf jeden Fall hörte ich auf einmal nur deinen Aufschrei, gefolgt von einigen Schimpfkanonen deinerseits. Etwa so:
‚Au!!! Spinnst du? Na warte ich krieg dich! So ein frecher Kerl!‘
Alles andere habe ich nicht mitbekommen“, berichte ich aus meiner Sicht von dem besagten Sonntag. „Ich weiß nur noch, dass Timo mit kleinen schnellen Schritten quer durch das Wohnzimmer gerannt kam und du hinterher.“
„Das kleine Biest hatte sich eine Kneifzange gegriffen und mich einfach kurzerhand in meinen Allerwertesten gezwickt“, erzählt mir Peter und greift sich selbst nach mehr als zwei Jahrzehnten noch an die besagte Stelle. „Das hat verdammt wehgetan!“, erklärt er mir mit total ernstem Gesicht, während ich  mich kaum noch vor Lachen und Schadenfreude halten kann.
„Ja, ja, ich weiß! Schadenfreude ist die schönste Freude!“
„Naja, Timo wollte doch wahrscheinlich nur mal die Zange ausprobieren!“, verteidige ich schon wieder unseren Sohn.
„Oder er wollte ausprobieren, wie ich reagiere!“, meint Peter.

„Dass das wehtun könnte, daran hat er sicherlich in seiner Experimentierfreude nicht gedacht“, bringe ich sogleich als nächstes Verteidigungsargument hervor.
Für einen kleinen Moment sind wir beide in unseren Gedanken und Erinnerungen versunken, bis auf einmal Peter anfängt laut zu lachen. Ich runzele fragend meine Stirn, woraufhin mein Mann mich fragt:
„Kennst du eigentlich auch die Geschichte von meiner Schwester?“
„Keine Ahnung, um welche Geschichte handelt es sich denn?“, frage ich zurück.
„Um die im Supermarkt!“
Ich zucke die Schultern, denn mir ist im Moment nicht klar, worauf Peter anspielt.
„Mein Vater war mit Dagmar, meiner Schwester, im Supermarkt einkaufen. Ich vermute sie saß noch im Kinderwagen oder sie stand direkt vor ihm. Es war auf alle Fälle noch vor meiner Geburt.“
„Ich glaube, ich fange an mich an eine Begebenheit zu erinnern, von der dein Vater uns mal erzählt hat. War da nicht noch eine Frau mit im Spiel?“
„Ja, eine unbekannte Frau stand vor den Beiden in der Schlange an der Kasse. Mein Vater hat wohl für ein paar Sekunden nicht auf meine Schwester geachtet, sondern suchte nach der Geldbörse in seiner Einkaufstasche. Warum auch immer, aber Dagmar war scheinbar fasziniert von dem, was sie von der fremden Frau sah.“
„Das kann ja eigentlich nicht viel gewesen sein, wenn man bedenkt, dass die Frau wahrscheinlich mit dem Rücken zu deiner Schwester stand. Außerdem ist die Augenhöhe eines kleinen Kindes ja auch nicht so hoch…“
„Genau!“, bestätigt mich mein Peter. „Deshalb hat meine Schwester wohl auch ein gewisses hinteres Körperteil dieser Frau fixiert. Aber sie hat es ja nicht beim Anschauen belassen…“
„Sag nur?!“
„Ja, Dagmar hat ihr kurzerhand in den Allerwertesten gekniffen, nur nicht wie Timo mit der Kneifzange, sondern ganz einfach mit ihren Fingerchen.“
„Dann hat es bestimmt auch nicht so weh getan.“
„Das sicherlich nicht. Aber die fremde Frau drehte sich trotzdem total entsetzt um und schaute genau meinem Vater in die Augen, der seine Geldbörse aus der Einkaufstasche geangelt hatte und wieder seinen Blick gehoben hatte. Er fing einen bitterbösen und strafenden Blick der Frau auf, die natürlich ihn und nicht das kleine unschuldig dreinblickende Mädchen verdächtigte.“
„Das stelle ich mir super peinlich vor.“
„Och, bestimmt hat mein Vater mindestens so unschuldig geschaut wie meine Schwester.“
„Und du bist dir sicher, dass das Kind deine Schwester war und nicht du?“, frage ich jetzt meinen Mann. „Dir hätte ich das eigentlich als Kind eher zugetraut.“

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Kindheitserinnerungen

16 Kommentare

    • Astrid Berg sagt

      Im ersten Moment hat mein Mann nicht gelacht, aber nach der ersten Schrecksekunde schon. Auch mein Schwiegervater hat damals beim Erzählen gelacht, von der betroffenen Frau haben wir allerdings keine Rückmeldung. Ob sie sich heute noch daran erinnern kann? Keine Ahnung.
      LG und einen schönen Rest- Sonntag
      Astrid

  1. Autsch, das mit der Zange war wohl echt heftig.
    Das mit den kleinen Fingern KANN nicht wehgetan haben. Aber sie hat es gespürt…
    Ob sich die Angelegenheit aufgeklärt hat???

    • Astrid Berg sagt

      Das kann ich dir leider nicht beantworten und meinen Schwiegervater kann ich nicht mehr danach fragen. Aber ich denke schon. Wahrscheinlich hat sie das Zeicken eher wie ein Streicheln empfunden und deshalb meinen Schwiegervater verdächtigt 😉
      LG
      Astrid

  2. Christine R. sagt

    Huch – das Leben spielt einem schon manchmal seltsame Streiche! Oder – in diesem Fall – die eigenen Kinder! Man könnte wirklich meinen, sowas ist erblich!
    Ich habe schon am frühen Morgen herzlich gelacht. Der Tag kann eigentlich nur nur noch gut werden …
    Liebe Grüße und ein sonniges Wochenende wünscht Dir und Deiner Familie
    Christine

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Christine,
      ich freue mich, dass ich Dich zum Lachen bringen konnte und hoffe, dass Dein Tag immer wieder mit Lachen erfüllt war.
      LG und einen schönen Samstagabend
      Astrid

  3. Liebe Astrid, hihi das hat bestimmt bei Deinem Mann schwer gezwickt. Gut, dass die Frau dem Vater keine geschallert hat. Der hätte bestimmt doof geguckt. Liebe Gruesse Eva

    • Astrid Berg sagt

      Hallo liebe Eva,
      ich denke mir, mit der Kneifzange gezwickt zu werden, tut schon ordentlich weh, auch wenn die Zange nur von Kinderhänden bedient wird.
      Bei der Begebenheit mit meinem Schwiegervater und meiner Schwägerin hätte ich gerne Mäuschen gespielt, aber da war ich auch noch nicht geboren. Aber allein der Gedanke daran, lässt mich lachen.
      LG und einen schönen Freitagabend
      Astrid

    • Astrid Berg sagt

      Hallo Klaus,
      hab recht herzlichen Dank für Dein Lob.
      Ich wünsche Dir ein schönes und nicht verregnetes Wochenende
      Astrid

  4. Guten Morgen,
    mit einem herzlichen Lachen habe ich den Tag heute begonnen, dank deiner schönen Erinnerungsgeschichte. Vielen Dank dafür
    und liebe Grüße
    Regina

    • Astrid Berg sagt

      Hallo liebe Regina,
      ich freue mich, dass ich Dir dieses Lachen schenken durfte und hoffe, der restliche Tag ging so heiter weiter.
      Herzliche Grüße und einen schönen Freitagabend
      Astrid

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