Weihnachten & Ostern
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Unsere persönliche Ostergeschichte

Meine Mutter erzählt besonders zu Ostern gerne eine Begebenheit aus ihrem Leben, in der beinahe ein Fall eingetreten wäre, den eigentlich keiner für sehr wahrscheinlich hält. Den dazu passenden Spruch, zitiert man jedoch sehr häufig. Spätestens am Ende dieser Geschichte werdet ihr wissen, welche Redewendung ich meine. (Aber nicht schummeln, sonst verderbt Ihr Euch die Freude!!! )

Man mag es nicht für möglich halten, doch in unserer Familie wäre beinahe ein Ereignis eingetreten, das die kalendarische Abfolge des Jahreskreises auf den Kopf gestellt beziehungsweise durcheinander gebracht hätte. Doch meine Mutter wusste dies in letzter Minute noch zu verhindern.
„Du warst damals noch ziemlich klein“, beginnt sie zu berichten und schaut mich dabei an. „…vielleicht so eindreiviertel Jahre alt. Wir waren die ganze Woche über alleine, weil Papa in Frankfurt gearbeitet hat und nur an den Wochenenden zu uns nach Hause kam. Unser gemeinsames Zuhause war eine Zweizimmerwohnung mit einer großen Wohnküche.“
Ich nicke, denn ich kann mich noch sehr genau an diese Wohnung und das gesamte Wohnumfeld erinnern, in dem ich die ersten sechs Jahre meines Lebens verbracht habe. In der besagten Küche stand auch ein Sofa, auf dem ich immer gesessen habe (Das Sofa in der Küche). Überhaupt erinnere ich mich an viele Dinge aus dieser Zeit meiner Kindheit, die ich manchmal „Mein persönliches Bullerbü“ nenne.
„Damals hatten wir noch keine Zentralheizung, sondern in der Küche stand ein Herd, der mit Holz und Kohle befeuert wurde und auf dem man auch kochen konnte. Im Wohnzimmer befand sich ein kleiner Ölofen. Meistens haben wir uns in der Küche aufgehalten, weil es in der Küche immer warm war. Das Wohnzimmer wurde nur an den Wochenenden beheizt, wenn Papa da war oder wenn einmal Besuch kam. Es war eben die gute Stube, die nicht für den täglichen Gebrauch bestimmt war, so wie das heutzutage ist. Der Fernseher stand zwar im Wohnzimmer, aber man hat damals noch nicht so viel ferngesehen wie heute. Später als du schon etwas größer warst und das Sandmännchen sehen durftest, habe ich nur die Wohnzimmertür geöffnet, den Fernseher angeschalten und als die Sandmännchensendung nach ein paar Minuten zu Ende war, wurde der Apparat wieder ausgeschalten.“
„Ja und dann musste ich ins Bett gehen“, erinnere ich mich. „Ich habe noch genau das blaue Stühlchen vor Augen, auf dem ich damals immer gesessen habe.“
Bis hierhin hat mein Mann andächtig mit zugehört, doch jetzt scheint er etwas nicht zu verstehen, denn er richtet an uns stirnrunzelnd eine Frage:
„Und warum fällt dir das jetzt ausgerechnet kurz vor Ostern ein?“
„Alles, was Mutti gerade erzählt hat, sind die Voraussetzungen dafür, dass man die ganze Geschichte versteht“, erkläre ich meinem Mann.
Ich habe nämlich im Gegensatz zu ihm einen gewissen Vorteil. Ich kenne die Geschichte bereits. Nicht, dass ich mich tatsächlich daran erinnern könnte, aber meine Mutter hat sie mir schon öfter erzählt.
„Also noch einmal kurz zum Verständnis: Die Küche war beheizt und das Wohnzimmer blieb kalt“, fasst meine Mutter zusammen.
„Weihnachten hatten wir selbstverständlich einen Weihnachtsbaum im Wohnzimmer stehen. Astrid hat ganz große Augen gemacht, als sie den Baum mit den brennenden Kerzen, den bunten Kugeln und dem Lametta gesehen hat. Normalerweise wird der Weihnachtsbaum nach dem sechsten Januar abgeräumt und entsorgt, das macht ihr doch auch immer so. In dem besagten Jahr gab es allerdings zwei Gründe, warum wir dies nach dem Dreikönigstag noch nicht gemacht hatten. Zum einen, weil er Astrid so gut gefallen hat und zum anderen, weil der Baum immer noch wunderschön grün war. Er hat einfach nicht genadelt, weil die Zimmertemperatur dies begünstigt hat. So vergingen die Tage und der Januar ging zu Ende. Im Februar stand er noch ebenso schön da, als wäre er gerade erst dekoriert worden. Irgendwie haben Papa und ich ihn gar nicht mehr richtig wahrgenommen oder seine Existenz im Wohnzimmer war schon gewissermaßen selbstverständlich. Hinzu kam wie gesagt, die Tatsache, dass wir uns nicht viel im Wohnzimmer aufhielten. Die Tage und Wochen vergingen, plötzlich war es März, dann April und Ostern stand vor der Tür.“
Ich sitze inzwischen grinsend da. Auch meine Mutter und mein Mann haben jeder ein Lächeln auf den Lippen. Allerdings hat es bei allen einen anderen Grund: Meine Mutter lächelt, weil sie die Bilder der weiteren Geschichte vor ihrem geistigen Auge sieht. Ich jedoch grinse, weil ich die nun folgende Erzählung der Ereignisse schon kenne und meinem Mann steht die Vorfreude auf den Ausgang der Geschichte ins Gesicht geschrieben.
„Mittlerweile habe ich mich gar nicht mehr getraut, den Weihnachtsbaum aus der Wohnung nach unten in den Hof zu tragen. Wir haben damals noch auf Miete gewohnt und die Vermieter lebten mit im Haus, in der Wohnung unter uns. Ich habe mich richtig geschämt, dass wir immer noch einen Weihnachtsbaum hatten. Jetzt war guter Rat teuer. Ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen, als zu einer etwas ungewöhnlichen Methode zu greifen.“
„Die erstaunten Gesichter hätte ich gerne gesehen, wenn du an Ostern mit einem Weihnachtsbaum im Hof erschienen wärest“, sagt mein Mann. „Aber erzähl weiter! Was hast du gemacht?“
„Ich habe den Weihnachtsbaum endlich abdekoriert und in die Küche geschleift. So langsam aber sicher hat er auf dem Weg dorthin ziemlich alle Nadeln verloren. Das Gerippe habe ich dann in der Küche zersägt und alles im Ofen verbrannt.“
„Ihr hättet ihn doch stehen lassen und einfach die Ostereier unter dem Baum verstecken können. Das wäre sicherlich ein schönes Foto geworden, das ich mir jetzt im Familienalbum hätte ansehen können“, mische ich mich nun ein. „Schade!“
„Dann gäbe es auch endlich ein Datum für den Tag, an dem Weihnachten und Ostern zusammenfallen und Du hättest Geschichte geschrieben“, sagt Peter.
„Das habe ich auch so“, freut sich meine Mutter, „Familiengeschichte! Astrid bringt sie noch zu Papier, damit sie nicht in Vergessenheit gerät und mein Enkel seinen zukünftigen Kindern erzählen kann, was seine Oma so alles angestellt hat.“
„Was soll ich erzählen? Und was hat Oma angestellt?“, fragt unser Sohn, der gerade die Küche betritt.
„Das kannst du gleich nachlesen“, sage ich, greife zu meinem Laptop und beginne zu schreiben:

„Unsere persönliche Ostergeschichte“

und in Gedanken füge ich hinzu:

„Als Weihnachten und Ostern auf einen Tag fielen.“

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Sorbische Ostereier

Das fliegende Ei

15 Kommentare

  1. Hallo liebe Astrid,
    einfach herrlich Deine Geschichte, ich muss immer noch schmunzeln.
    Ja so ist das manches mal, man kann es gar nicht glauben das die Bäume so lange durch halten.

    Ich kann mich auch noch gut an meine Kindheit erinnern. Wir hatten keine Zentralheizung, in jedem Raum stand ein Ofen. Unsere Küche war sehr groß, dort stand noch ein alter Küchenherd den man beheizen musste, er hatte solche Ringe die man je nach Topfgröße rausnehmen konnte. Später bekam meine Mutter einen E-Herd dazu.
    Aber unser Weihnachtsbaum hatte nie bis Ostern gehalten 🙂

    Eine schöne neue Woche wünsche ich Dir…
    Liebe Grüße
    Biggi

    • Astrid Berg sagt

      Hallo liebe Biggi,
      so genau kann ich mich an den Herd nicht mehr erinnern. Bestimmt war er ähnlich, wie Euer Herd.
      Wenn Du die Kommentare zu dieser Geschichte liest, wirst Du einen Kommentar entdecken, indem auch eine Geschichte von einem lang lebenden Weihnachtsbaum erzählt wird. Also Ostern scheint für manche Weihnachtsbäume nicht auszureichen, denn sie überleben anscheinend noch länger… ;-).
      Sei herzlich gegrüßt und hab einen guten Wochenstart
      Astrid

  2. So etwas ähnliches habe ich auch schon mal gehört. Und auch selbst erlebt im Kleinen. Ich habe im Moment noch Zweige von einer Tanne liegen, die ich zum Binden eines Adventskranzes vor dem 1. ADvent letzten Jahres gekauft habe. Den einen Bund Nordmanntanne habe ich nicht gebraucht, aber die Nadeln sind noch dunkelgrün, sie haften noch am Zweig (ich habe die Probe gemacht). Wohin jetzt damit? Rosen bedecken brauche ich ja nun nicht mehr. Einfach wegwerfen wo sie sich doch schon so lange tapfer gehalten haben? Sie bleiben noch ein wenig liegen. Jetzt bin ich neugierig, wie lange die Nadeln durchhalten. 😉 LG und einen schönen Sonntag wünscht Dir Tanja

    • Astrid Berg sagt

      Ich freue mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat, liebe Anja.
      LG
      -auch an Donna-
      Astrid

  3. Liebe Astrid,
    grins, das muss aber wirkich ein Baum gewesen sei, der seeeehr an seinen Nadeln hing 😉 Eine wirklich witzige und sehr persönliche Ostergeschichte. Wir haben in der Familie ebenfalls eine persönliche Ostergeschichte, die meine Mutter sogar an eine Zeitung schickte, wo sie seinerzeit veröffenticht wurde. Leider haben wir kein Exemplar mehr davon … (So vieles hat sie aufgehoben, aber diese Zeitung nicht …)
    Seit meine Tochter groß ist bzw. seit wir hier im Haus wohnen, wo ein Weihnachtsbaum extrem unpraktisch wäre, verwenden wir übrigens Jahr und Tag denselben Baum (eine bizarr geformte Weide, die im Garten vertrocknete) für Weihnachtsschmuck, Osterschmuck und sonstige Deko ;-))
    Alles Liebe und herzliche Rostrosengrüße,
    Traude
    http://rostrose.blogspot.co.at/2017/03/namibia-teil-13-endspurt-mit-geparden.html

    • Astrid Berg sagt

      Oh, das ist aber echt schade, dass Ihr den Zeitungsartikel nicht mehr habt, aber Du solltest unbedingt die Geschichte schriftlich festhalten. Solche persönlichen Geschichten sollte man den Nachkommen überliefern, denn sie sind wertvoll. Zumindest für die eigene Familie, denn man gibt mit ihnen ein Stückchen von sich selbst weiter.
      Liebe Freitagsabendgrüße
      Astrid

  4. Meine Nachbarin hatte tatsächlich jedes Jahr ihren Weihnachtsbaum bis Ostern im Wohnzimmer stehen. Ich weiß auch nicht, wie die das geschafft hat, dass der Baum noch relativ gut aussah.
    Deine Geschichte ist lustig erzählt. Eure Wohnverhältnisse waren ähnlich wie meine. Ein Herd zum Kochen in der Wohnküche und ein kleiner Ofen im Wohnzimmer, beide waren mit Holz + Kohle zu füttern. Ich sehe heute noch vor Augen, wie meine Mutter manchmal die Glut von einem Ofen zum anderen auf einer Schaufel durch die Wohnung trug, wenn sie im Wohnzimmer Feuer machen wollte.

    Viele liebe Grüße
    Traudi

    • Astrid Berg sagt

      Da kannst du Dich an mehr erinnern als ich, liebe Traudi. Aber ich war damals ja noch recht klein, bin 1960 geboren und als ich 1966 in die Schule kam, zogen wir aus der Wohnung aus und zu meinem Opa ins Haus, weil meine Eltern ein eigenes Haus bauten. Ich kann mich aber noch daran erinnern, wie es in der Wohnung aussah und vor allen Dingen kann ich mich an die Kinder erinnern, mit denen ich immer spielte. Doch wie meine Mutter Feuer machte, daran habe ich null Erinnerung.
      Ich wünsche Dir einen gemütlichen Freitagabend
      Astrid

  5. Annette sagt

    Meine Kinder und ich haben fast das Gleiche erlebt. Die beiden waren damals 12 und 10 Jahre alt. Wir waren gerade in eine neue Wohnung mit Wintergarten gezogen, wo der Weihnachtsbaum, den wir frisch vom Förster geholt hatten, auch aufgestellt wurde, denn unser Wohnzimmer ist ziemlich klein. Der Baum war sehr schön, und wir beschlossen, zu erforschen, wann ein Weihnachtsbaum seine letzte Nadel verliert. Eigentlich erwarteten wir nicht, dass er bis Ostern halten würde, aber bis dahin hatte er – ganz ohne gewässert zu werden – noch kaum eine Nadel verloren. Also entschieden wir uns, ihn an Ostern mit bunten Eiern zu behängen. Dann wurde es April, und noch immer fielen die Nadeln einfach nicht ab. Im Mai bekamen wir langsam Angst, dass der Weihnachtsbaum auch noch beim nächsten Weihnachtsfest da stehen würde, aber dann vielleicht mit sehr wenigen Nadeln. Und so fiel dann im Juni die Entscheidung: Der Baum wird zersägt und für ein Lagerfeuer verwendet. So ist es dann auch geschehen. In diesem Jahr überlegten wir uns einen neuen Brauch in Bezug auf Weihnachtsbäume. In den nächsten Jahren suchten wir daher immer gemeinsam einen Baum aus, der irgendeinen auffälligen Makel hatte (völlig schief gewachsen, ohne Spitze, auf einer Seite wenig Nadeln o.a.). Wir stellten uns vor, dass diese Bäume nach Weihnachten bestimmt im Schredder landen würden, weil sie keiner gewollt hatte. Bei uns bekamen sie stattdessen einen Ehrenplatz, wurden wunderschön geschmückt und liebevoll betrachtet. Diese Weihnachtstradition war lange Zeit für meine Kinder wichtiger Bestandteil von einem richtigen Weihnachtsfest. Und auch an den Weihnachtsbaum, der nicht nadeln wollte, erinnern wir uns jedes Jahr.

    • Astrid Berg sagt

      Hallo liebe Annette,
      ich freue mich riesig über Deinen Besuch und auch über Deinen netten und lustigen Kommentar. Ich dachte immer, dass es das kein zweites Mal gibt, aber Du hast mich eines Besseren belehrt. Danke für diesen wundervollen Kommentar. Ich werde ihn gleich nachher meiner Mutter erzählen, wenn ich nachher mit ihr telefoniere. Bestimmt freut sie sich ebenso wie ich über Deine tolle Geschichte. Die dürft ihr niemals vergessen. Bestimmt werden einst Deine Enkelkinder mit offenen Augen, Mund und Ohren dieser ganz persönlichen Geschichte lauschen.
      Ganz herzliche Grüße von mir und Peter an Dich!
      Astrid

  6. Ich hatte da so einen Verdacht bezüglich des Sprichwortes – hat gepasst! – Meine Vermutung war auch, dass sie bunte Eier an den Tannenbaum gehängt hat :-)! – An alles andere, was du aus der Zeit deiner Kindheit erzählst, kann ich mich auch noch gut erinnern: An die gute Stube, die selten geheizt wurde usw. usw. – Aber einen Tannenbaum zu Ostern gab es bei uns noch nieeee!!! 🙂 Schöne Geschichte – wie gut, dass du sie im Sinne deiner Mutter aufgeschrieben und somit der Nachwelt hinterlassen hast! LG Martina

    • Astrid Berg sagt

      Da wird es aber langsam Zeit, liebe Martina ;-). Wäre es nicht eine Idee für das nächste Osterfest ;-).
      Ich bewahre die Geschichte gut auf, denn sie gehört zu unserer Familie, wie so viele andere Geschichten auch. Und ich hoffe, dass sich irgendwann unsere zukünftigen Enkelkinder daran erfreuen werden.
      Ich schicke Dir ganz herzliche Grüße und wünsche Dir einen schönen gemütlichen Abend
      Astrid

  7. Aber hallo, liebe Astrid,
    eine solche Geschichte vermögen auch nicht viele zu erzählen. Ich habe gelacht
    und gelacht. Das Gerippe hätte doch gut zum Eier aufhängen gepasst.
    Schön, dass du uns an dieser Geschichte teilhaben lässt. Eine solche
    schreibt nur das wirkliche Leben.
    Einen angenehmen Wochenteiler wünscht dir
    Irmi

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Irmi,
      ja, solche Geschichten schreibt nur das Leben. Und Du wirst lachen, aber anscheinend bin ich nicht allein mit einer solchen Geschichte. Gerade habe ich von einer lieben Freundin einen Kommentar bekommen, in dem sie eine ähnliche Geschichte erzählt. Ist das nicht lustig? Vielleicht möchtest Du den Kommentar ja auch lesen. Es lohnt sich.
      LG
      Astrid

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