Kurzgeschichten
Kommentare 6

Der verpatzte Einstieg

Nora, Steffi und Romy treffen sich regelmäßig jeden zweiten Dienstagabend auf ein Gläschen Wein. Dies ist ihr erstes Treffen im neuen Jahr. Es gibt viel zu berichten, denn diese Silvesternacht haben sie ausnahmsweise nicht gemeinsam verbracht. 

Nora war bei ihren Eltern, um das Baby ihrer Schwester zu bewundern. Die kleine Sophie war nämlich kurz vor Weihnachten auf die Welt gekommen. Steffi war mit ihrem Lebensgefährten im Kurzurlaub gewesen und Romy hatte eine Einladung bei ihren zukünftigen Schwiegereltern nicht ausschlagen können.

Nachdem jede der drei Freundinnen ausführlich berichtet hat, ergreift Romy das Wort:

„Ich muss euch noch etwas erzählen“, beginnt sie und weckt damit die Neugierde der anderen Zwei. „Mir ist da nämlich was passiert.“

„Ich hoffe es handelt sich um nichts Schlimmes, sondern eher um was Lustiges“ meint Nora und sieht die Freundin ganz gespannt an.

„Naja, wie man es nimmt“, antwortet Romy und bekommt vor Aufregung ganz rote Wangen. „Schlimm genug für mich, aber wahrscheinlich ziemlich lustig für alle anderen.“

„Jetzt spann uns nicht so auf die Folter! Erzähl einfach!“, fordert Steffi nun den Bericht ein.

„Okay, aber lacht mich nicht aus!“, bittet Romy, holt tief Luft und beginnt zu berichten:

„Ihr wisst doch, dass ich am 2. Januar eine neue Arbeitsstelle angetreten habe. Ich bin neben der Chefsekretärin, die zweite Sekretärin im Vorstandsbüro. Obwohl mir die Arbeit sehr viel Freude macht, mir nicht schwerfällt und auch die Kollegen alle nett sind, habe ich meinen Einstieg nicht gerade mit Bravour gemeistert. Ehrlich gesagt habe ich mich bis auf die Knochen blamiert.“

„Ach komm“, sagt Nora ungläubig. „Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Du bist doch die Perfektion in Person.“ 

„Und trotzdem ist es so!“ Romy zuckt mit den Schultern. „Am ersten Tag wurde ich in meine Aufgaben eingewiesen. Das ist auch alles kein Thema, meinen Job beherrsche ich. Aber am zweiten Tag passierte es dann.“

Die beiden Freundinnen lauschen neugierig den Schilderungen.

„Am Vormittag kam ein Fax herein. Es war für eine andere Abteilung, allerdings stand kein Empfänger darauf. Also wollte ich die Chefsekretärin fragen, die jedoch gerade im Begriff war zu telefonieren. Während sie die Nummer eingab, schob ich ihr das Fax hin. Sie warf einen Blick darauf und meinte nur kurz: 

„SCHREIBEN SIE FRAU DOKTOR DRAUF!“

Gesagt – getan! Ich schrieb Frau Doktor Drauf oben auf das Fax und legte es auf den Schreibtisch, denn man hatte mir am Vortag erklärt, dass der Bote ankommende Faxe zum Empfänger bringen würde.“

„Dann hast du doch alles richtig gemacht, oder?“, fragt Steffi.

„Nicht ganz“, gibt Romy zu. „Was ich allerdings erst später erfahren habe, als der Bote kam. Da war es allerdings schon zu spät und ich hatte alle Lacher auf meiner Seite.“

Nora und Steffi sehen ihre gemeinsame Freundin fragend an, denn ihnen ist schleierhaft, was wohl der vermeintliche Fehler gewesen sein soll. 

Romy blickt verschämt nach unten und erzählt den Rest der Geschichte:

„Als der Bote kam, warf er einen Blick auf das Fax und erkundigte sich:

‚Gibt es in der Abteilung 3 eine neue Mitarbeiterin? Den Namen habe ich nämlich noch nie gehört oder gelesen.‘

Jetzt wurde die Chefsekretärin aufmerksam und warf einen Blick auf den von mir oben handschriftlich eingesetzten Namen. Fast gleichzeitig brach sie in schallendes Gelächter aus. Ahnungslos stand ich daneben und war mir keiner Schuld bewusst, hatte ich doch alles so gemacht, wie sie mir aufgetragen hatte.“

„Na sowas! Sie hat doch selbst gesagt, dass du FRAU DOKTOR DRAUF schreiben sollst!“, pflichtete Nora der Freundin bei.

„Nicht ganz“, gibt Romy beschämt zu. 

Eine Frau Doktor Drauf existiert bei uns im Haus nicht.

Was sie gesagt hat und was sie gemeint hat, macht tatsächlich den Unterschied.

Sie hat gesagt, dass ich FRAU DOKTOR DRAUF schreiben soll,  aber gemeint hat sie , dass ich Frau Doktor auf das Fax drauf schreiben soll.- Die besagte Person heißt nämlich mit Nachnamen Doktor. 

Es dauert eine Sekunde, dann brechen die beiden Freundinnen ebenfalls in Gelächter aus. Inzwischen kann jedoch auch Romy über dieses Missverständnis lachen.

 

Vielleicht möchtet Ihr auch das noch lesen:

Timo und die kleinen Tierchen in meiner Küche

Knöpflein

In die Jahre gekommen

 

6 Kommentare

  1. hihi
    jaa.. so kann es gehen
    manchmal nimmt man etwas all zu wörtlich 😉
    schöne Geschichte

    ich wünsche dir noch ein frohes neues Jahr
    Rosi

    • Astrid Berg sagt

      Das wünsche ich Dir auch, liebe Rosi.
      Naja, wer rechnet schon damit, dass auch Doktor ein ganz normaler Nachname sein kann. 🤔
      Komm gut durch die wohl kälter werdende Woche.
      LG
      Astrid

    • Astrid Berg sagt

      Missverständnisse bleiben immer irgendwie in Erinnerung. Allerdings ist es schön, wenn man zumindest später über sie lachen kann.
      Ich wünsche Dir ein gesundes Jahr 2023 und einen guten Start in die neue Woche.
      LG
      Astrid

  2. *lach* das ist ja mal wieder eine lustige Geschichte, die ich hier zu Beginn des Jahres lesen darf.

    In diesem Sinne wünsche ich dir noch ein frohes neues Jahr.

    LG Frauke

Schreibe einen Kommentar zu Astrid Berg Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert