Kurzgeschichten
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Auf dem Weg zur Arbeit

Tina sitzt im Auto und schaltet das Radio ein. Sie hat keine Ahnung, welcher Sender gerade eingestellt ist. Eigentlich will sie nur ein bisschen Musik hören, landet aber mitten in einer Berichterstattung des Moderators. Nein, es geht nicht um irgendwelche aktuellen Ereignisse, die das Weltgeschehen beeinflussen. Es handelt sich um ein ganz persönliches Ereignis des besagten Herrn am Mikrofon: 

„Heute Morgen“, berichtet er, „bin ich von meiner Arbeitskollegin gefragt worden, wieso ich mit der Brechstange zur Arbeit erscheine.“

Allein dieser Satz erregt Tinas Aufmerksamkeit als Radiohörerin und obwohl sie inzwischen schon an ihrem Ziel angekommen ist, bleibt sie noch im Auto sitzen und lauscht der Erzählung des Moderators:

„Meine Kollegin hat mich sogar augenzwinkernd und grinsend gefragt, ob ich als Einbrecher unterwegs sei“, berichtet er mit sympathisch klingender Stimme. Ehrlich schildert er, was ihm auf dem Weg zur Arbeit passiert ist und Tina spürt, dass dieser Mann über sich selbst und sein Missgeschick lachen kann.

„Ich fange am Besten ganz von vorne an“, sagt er: 

„Wenn ich mich morgens auf den Weg zur Arbeit mache, dann stecke ich mir erst einmal meine AirPods in die Ohren, also diese drahtlosen Ohrhörer. Dann ist das S-Bahnfahren nicht so langweilig und mit Musik am Morgen beginnt der Tag beschwingt und fröhlich. Naja“, seufzt der Moderator, „leider haben die Dinger manchmal die Angewohnheit aus dem Ohr zu flutschen. Und genau das ist mir passiert.“

Tina kann sich einen leisen Lacher nicht verkneifen, denn irgendwie ahnt sie schon, was diesem netten jungen Mann wohl passiert ist. Interessiert lauscht sie weiter den Ausführungen:

„Das wäre an sich ja nicht so schlimm, aber ausgerechnet ist mir der Ohrhörer zwischen die Schlitze des Gullydeckels gerutscht und in den Tiefen verschwunden. Zum Glück war ich erst eine Straßenecke von meiner Wohnung entfernt und so bin wieder nach Hause gerannt und habe die Brechstange aus dem Keller geholt.“

„Das erklärt die Brechstange“, denkt Tina genau in dem Moment, als der Moderator weiterspricht und erneut ihre Aufmerksamkeit weckt:

„Den Deckel anzuheben und zur Seite zu schieben, war mit diesem Hilfsmittel gar nicht so schwer. Allerdings musste ich nun erst einmal nach dem Ohrhörer suchen. Hierfür legte ich die Brechstange zur Seite und mich selbst auf den Bauch. Mit der rechten Hand griff ich in die Tiefe.“

Tina stellt sich die gesamte Situation bildlich vor und grinst im Auto vor sich hin, als der Moderator seine Pointe positioniert: 

„Ich bekam tatsächlich den Ohrhörer zu fassen und ich wollte gerade wieder aufstehen, als ich plötzlich von hinten eine Frauenstimme vernahm: 

‚Um Himmelswillen‘, rief die Frau, die wohl meine Bauchlage mit der neben mir liegenden Brechstange in Verbindung setzte. 

‚Hat man Sie überfallen?’“

 

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10 Kommentare

  1. Liebe Astrid, herzliche Grüße.
    Es mußte uns als Kinder nicht selber was in den Gully oder in die tiefer gelegten Kellerfensterschächte gefallen sein, wir holten so manches wieder zu Tage mit einem langen Stock und unten dran ein Kaugummi. Da haftete oftmals Geld dran.
    Für uns damals echt ein lustiges Spiel. Auch ein alter, angebundener, gebogener Löffel diente als Rausholer.
    Tschüssi Brigitte

    • Astrid Berg sagt

      Clever, clever, liebe Brigitte,
      womit man sich als Kind doch so die Zeit vertreibt 😉 .
      Ich denke auch, dass ein solches Missgeschick des Öfteren passiert. Gut, wenn man den verlorengegangenen Gegenstand wieder herausfischen kann.
      Liebe Abendgrüße
      Astrid

  2. Schlimmer ist wohl, wenn einem der Schlüssel aus der Hand gleitet und in den Tiefen verschwindet. Ist mir mal auf Arbeit passiert, allerdings nur in den Abstreicher vor dem Haus und er blieb zum Glück im Gitter hängen. Seitdem achte ich drauf beim Türe zuschließen.
    Liebe Grüße von Kerstin.

    • Astrid Berg sagt

      Guten Morgen liebe Kerstin,
      ich kann mich dunkel daran erinnern, dass uns als Kinder hin und wieder ein kleiner Gegenstand hineingefallen ist. Vermutlich war es ein Flummi oder auch ein Federball. So genau weiß ich es nicht mehr. Aber die Erwachsenen haben uns immer geholfen, den Gegenstand wieder zu bekommen.
      Liebe Grüße
      Astrid

      • Karl-Heinz sagt

        Mit Träumerle Kerstin habe ich mich mal vor vielen Jahren geschrieben. Freue nich sie hier wiederzu finden.
        Wir hatten in der Nacht vom 18. zum 19. Oktober den ersten Nachtfrost. So zeitig hatten wir das noch nie, d.h. seitdem wir seit 1994 in Nordwest Arkansas, also im Süden der USA leben.
        Werden wir einen kalten Winter bekommen?

        • Astrid Berg sagt

          Schön, dass ihr euch auf meiner Seite wiedergefunden habt.
          Ich hoffe, dass unser Winter nicht so kalt wird, denn ich bin kein Winterfan.
          Liebe Grüße nach Arkansas.
          Astrid

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Lore,
      ich freue mich, dass ich Dir mit dieser Geschichte ein Lächeln geschenkt habe.
      Wir hatten gestern herrliches Sommerwetter, aber heute ist es leider bewölkt und auch nicht so warm.
      Sei herzlich gegrüßt
      Astrid

  3. Karl-Heinz sagt

    Naja, er konnte die Frau auf jeden Fall beruhigen und ihr zeigen, dass er seinen Ohrhörer gerettet hatte.

    • Astrid Berg sagt

      Ihr dürfte sicherlich ein Stein vom Herzen gefallen sein😉.
      Liebe Grüße und eine gute Woche.
      Astrid

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