Kurzgeschichten
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Echt jetzt?

Ich bereite gerade das Mittagessen vor, als mein Mann aus seinem Arbeitszimmer kommt. 

„Sag mal“, fragt er mich, während er neugierig in meinen Kochtopf schaut, „ich war doch heute mit Tobias verabredet?!“

Tobias ist ein langjähriger guter Bekannter, der hin und wieder mal bei uns vorbeischaut. Leider ist er momentan arbeitslos und lebt zur Zeit ein bisschen in den Tag hinein. Er nimmt das Leben wie es kommt und ist trotzdem meistens gut gelaunt.

„Oder täusche ich mich?“, reißt mich mein Gatte aus meinen Gedanken.

„Nein, nein, es stimmt schon“, bestätige ich ihm. „Er hat versprochen um zehn Uhr vorbeizukommen, weil du ihm beim Erstellen der Bewerbungsunterlagen behilflich sein willst.“

Mein Blick wandert zur Küchenuhr und ich zucke mit den Schultern, denn sie zeigt mit ihren beiden Zeigern genau auf die Zwölf.

„Das ist typisch für Tobias. Wahrscheinlich hat er es vergessen oder hat keine Lust. Ich denke mal, er wird nicht mehr kommen.“

„Aber wenigstens Bescheid könnte er sagen“, beschwert sich mein Mann und geht wieder zurück in sein Arbeitszimmer.

Es dauert exakt fünf Minuten, sprich: Es ist jetzt fünf nach zwölf. Unsere Klingel verrät mir, dass jemand vor der Tür steht. 

„Vermutlich ist es der Postbote, der einen unserer Nachbarn nicht angetroffen hat und nun die Weihnachtsbestellung bei uns abgeben möchte“, überlege ich, während des Türöffnens.

Erstaunt sehe ich jedoch eine andere Person in der Einfahrt stehen. Ich erkenne diesen Mann sofort, obwohl er mir den Rücken zuwendet und irgendetwas an meinem Autofenster begutachtet. Es ist der sehnlichst erwartete Tobias.

„Na,“ rufe ich ihm grinsend entgegen. „Dich haben wir schon abgeschrieben.“

Und dann kommt mein salopp daher gesagter Nachsatz, den ich ohne Hintergedanken folgen lasse:

„Kannst gleich abziehen!“

Tobias dreht sich ruckartig zu mir um und meint mit erstauntem Gesicht:
„Echt jetzt?“

„Na klar!“, antworte ich.

Noch bevor ich überhaupt kapiert habe, was Tobias meint, was ich wohl mit meinem Nachsatz gemeint haben könnte, steht mein Mann in der Tür.

„Wieso soll Tobias abziehen?“

Jetzt drehe ich mich mit erstauntem Gesicht zu meinem Mann um und brauche ein oder zwei Sekunden, bevor mir das Missverständnis klar wird. 

Dann allerdings breche ich in anhaltendes Gelächter aus und höre erst wieder auf, als mein Mann Tobias hereinbittet:

„Komm in die warme Stube. Das hat sie sicher nicht so gemeint.“

„Doch!“, sage ich. „Ich habe gemeint, dass er dieses Schild an meinem Autofenster abziehen soll, das jemand in die Dichtung gesteckt hat, weil er mein Auto kaufen will und das Tobias sich so genau angeschaut hat.“

„Ach“, lacht nun auch Tobias. „Und ich dachte, ich soll wieder gehen. Ich war nämlich erst neulich auf unseren pubertierenden Teenager extrem sauer. Er hatte sich wieder einmal etwas Unmögliches geleistet und ich habe ihn auf sein Zimmer geschickt, indem ich verärgert gesagt habe: 

„Zieh ab!“

„Echt jetzt?“, frage ich Tobias grinsend.

 

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6 Kommentare

  1. Manche Worte haben eben eine doppelte Bedeutung und können für Witz oder Verwunderung sorgen.
    Gut, dass alles aufgeklärt wurde und niemand böse sein musste.
    Liebe Abendgrüße von Kerstin.

    • Astrid Berg sagt

      Ach, Tobias versteht Spaß. Er konnte mitlachen, allerdings erst, als sich das Missverständnis aufgeklärt hatte. Vorher war er etwas verwundert, weil er solche Worte bei mir nicht kannte und auch nicht erwartet hatte. Aber: Ende gut ,- alles gut 😀.
      Liebe Grüße
      Astrid

  2. Als ich früher noch keinen Tiefgaragenplatz in der Stadt meines Arbeitgebers hatte und an der Straße geparkt habe, hatte ich auch oft solche Kärtchen am Wagen stecken.
    Bei uns im Ländlichen zu Hause werden sie nicht wirklich oft verteilt.

    Ich frage mich immer, ob sich dieser Druck und die Verteilung überhaupt lohnen. Ob da wirklich viele Menschen drauf reagieren ?

    LG Frauke

    • Astrid Berg sagt

      Ja, diese Frage habe ich mir auch schon gestellt. Auf Supermarktparkplätzen kann man sie vielfach an den Autoscheiben oder auf dem Pflaster finden. Ganz allgemein nimmt die Werbung mit Prospekten, Flyern, etc. für meine Begriffe überhand. Meistens wandert sie bei uns direkt vom Briefkasten in den Papiermüll. An das „Keine Werbung“-Schild hält sich sowieso niemand.
      LG
      Astrid

  3. Liebe Astrid,
    diese kleine Kärtchen nerven mich auch. Ich beobachte immer wieder, dass andere Autobesitzer diese dann auf die Straße werfen.

    Liebe Grüße
    Traudi

    • Astrid Berg sagt

      Ja, genauso kenne ich es auch. Unseres ist ordnungsgemäß in unserem Mülleimer gelandet. Wenn man sich mal überlegt, wieviel Werbung einfach ungelesen im Müll verschwindet, kann man über diese Verschwendung nur den Kopf schütteln.
      Ich schicke Dir liebe Grüße und wünsche dir ein schönes Wochenende.
      Astrid

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