Kurzgeschichten
Kommentare 4

Töpfe, die es in sich haben

Wir haben uns Besuch eingeladen, der bei uns für eine Woche bleiben möchte. Also muss ein Plan gemacht werden, was man so an den verschiedenen Tagen an Gerichten auf den Tisch bringt. Außerdem müssen im Vorfeld die entsprechenden Zutaten besorgt werden und gegebenenfalls Vorbereitungen getroffen werden, damit man möglichst viel Zeit mit den Besuchern verbringen kann und nicht nur mit Kochen und Haushalt beschäftigt ist. 

Ich überlege also hin und her und habe mir schon ein paar Ideen aufgeschrieben. Unser Besuch reist am Abend an.
„Von der langen Anreise werden sie sicherlich hungrig sein“, sage ich zu Peter. „Ich möchte aber nicht nur mit einem einfachen Abendbrot aufwarten, aber zu üppig sollte es auch nicht sein.“
„Mach doch eine leckere Suppe! Vielleicht eine Gulaschsuppe“, schlägt mir Peter vor.
„Ach, die kann man an jeder Autobahnraststätte essen“, schmettere ich seinen Vorschlag nieder. „Ich habe eine andere Idee, wie wäre es mit einer Gyrossuppe?!“
„Genau, die machst du. Die schmeckt super lecker!“, willigt er in meinen Vorschlag ein. „Wenn dann unsere Gäste ankommen, kannst du ihnen die jeweiligen Zimmer zuweisen und ich mache in der Zwischenzeit die Suppe warm.“
„Unterstehe dich!“, entfährt es mir.
Plötzlich fangen wir beide an zu lachen, denn jeder von uns weiß, warum ich seine Hilfe diesbezüglich nicht annehmen möchte.
„Ich pass auch auf!“, verspricht er mir.
„So wie damals? Ich weiß schon wie das ausgeht!“
Damals, das war in unserer Studienzeit, genauer gesagt in irgendwelchen Semesterferien. Peter war zu Hause bei seinen Eltern und bereitete sich auf seine Klausur vor. Ich war bei meinen Eltern und verfasste meine Semesterarbeiten.
„Ich muss jetzt weg“, erklärte ihm damals seine Mutter nach dem Frühstück. „Wenn Papa am Mittag heim kommt, dann machst du vorher die Suppe warm, die ich gekocht habe und dann könnt ihr gemeinsam essen.“
„Klar, mach ich. Ist ja kein Problem“, erklärte sich Peter gleich bereit.
Als die Haustür zuklappte und seine Mutter ins Auto stieg, vertiefte er sich in seine Bücher und Mitschriften. Mit voller Konzentration löste er Prüfungsaufgaben aus vergangenen Semestern, die zur Prüfungsvorbereitung freigegeben waren. Irgendwann blickte er auf die Uhr und stellte fest, dass die Zeit schon gewaltig vorangeschritten war. Jetzt musste er sich aber sputen, denn sein Vater würde gleich in der Tür stehen und dann sollte die Suppe warm und dampfend auf dem Tisch stehen, denn die Mittagspause seines Vaters war ja begrenzt.
Jetzt war also der Sternekoch Peter gefragt. Eilig rannte er mit einem Buch unter dem Arm und tausend komplizierten Gedanken im Kopf, die sich weniger auf die Suppe bezogen, sondern mehr auf ein bisher von ihm ungelöstes Problem hinsichtlich der Prüfungsaufgaben, nach oben in die Küche. Gedankenverloren stellte er den Kochtopf mit dem besagten Inhalt auf den Herd und drehte am Schalter, wohlgemerkt alles mit einer Hand, da sich in der anderen ja sein Buch befand. Weil die Suppe nicht mehr kochen sollte, wählte er mehr intuitiv als überlegend nicht gerade die höchste Stufe, aber trotzdem hoch genug, wie sich noch zeigen sollte.
„Dies gewährt mir noch ein wenig Zeit, die ich sinnvoller nutzen kann, als tatenlos neben dem Herd zu stehen“, dachte Peter sich so. Außerdem meldete sich bei ihm gerade ein sehr dringendes Bedürfnis. Grübelnd über sein eigentliches Problem, dessen Lösung ihm immer noch unklar war, marschierte er ins Badezimmer. Die Minuten verstrichen. Langsam aber sicher näherte er sich der Lösung, doch die aufkommenden Glücksgefühle wurden jäh durch einen wütenden Schrei aus der Küche von einer Sekunde auf die andere niedergeschmettert:
„Was ist das denn hier, zum Donnerwetter noch einmal!“
Er erkannte die Stimme seines Vaters und diagnostizierte zielsicher, dass ein gewisser Unmut in dieser Stimme mitklang.
Peter schlug sein Buch zu und eilte zum Ort des Geschehens.
„Komm mal her, junger Mann!“, ereiferte sich sein Vater. „Soll das hier mein Mittagessen sein?“
Betroffen, aber dennoch vorsichtig schaute er in den Topf. Verwundert musste er feststellen, dass von der Suppe nichts mehr zu sehen war und auf dem Grund nur noch verkohlte Nudeln erahnen ließen, was sich möglicherweise in diesem Behältnis befunden hatte.
„Ich frage mich, wie man eine Nudelsuppe derart anbrennen lassen kann?“, donnerte sein Vater weiter. „Wahrscheinlich bist die sogar fähig einfaches Wasser anbrennen zu lassen!“
„Ich war nur kurz auf der Toilette“, entschuldigte sich Peter.
„Was, zum Teufel, ist bei dir kurz?“
Peter blickte auf seine Uhr und musste feststellen, dass allerdings mehr Zeit vergangen war, als nur ein paar Minuten.
Dieses Missgeschick brachte Peter zunächst einmal die Verärgerung seines Vaters ein, dann viele Lacher und später den Vorteil, dass ihm niemand mehr diesbezüglich irgendeine ähnliche Aufgabe übertrug und ich würde dies jetzt auch nicht tun.
„Als hättest du noch nichts anbrennen lassen“, verteidigte er jetzt seine Ehre.
„Das passiert wohl jedem einmal!“
„Sag ich doch!“ Und nach einer vielsagenden Pause, fügt er noch hinzu: „Denk an Darmstadt!“
Der Schreck fährt mir bei dieser Erinnerung direkt in die Glieder. Das hätte damals auch schief gehen können.
Ich kann mich nicht mehr an das Gericht erinnern, das ich zu diesem Zeitpunkt zu kreieren gedachte. Auf alle Fälle musste ich zunächst Zwiebeln anschwitzen. Unter Tränen hatte ich eine große Menge von diesen geschnitten, etwas Fett in einen Topf gegeben und anschließend die Zwiebeln hinzugefügt.
Wie jeder weiß, muss man als Hausfrau ein sogenanntes Multitasking-Talent besitzen. Dies bedeutet schlichtweg, dass man verschiedene Tätigkeiten gleichzeitig ausführt, um möglichst zeitoptimiert und effizient die Hausarbeit zu verrichten. Schließlich gibt es ja noch andere Dinge im Leben. Also habe ich mir damals die leeren Flaschen, die in meiner Küche herum standen, geschnappt und bin auf den Balkon marschiert, um sie dort in der dafür vorgesehenen Kiste abzustellen. Ein Blick über das Balkongeländer ließ mich erkennen, dass unser damaliger Nachbar gerade im Begriff war die zu uns gerichtete Garagenwand zu streichen.
„Einen schönen guten Tag!“, rief ich zu ihm rüber.
„Ach hallo Frau Berg! …“
Und schon waren wir mitten in einem angeregten Gespräch über dies und das. Es war ein wunderschöner sonniger Tag und so war es äußerst angenehm vom Balkon aus ein kleines Schwätzchen zu halten. Wir lachten und die Welt um uns herum schien in Ordnung bis er auf einmal meinte:
„Seltsam, irgendwie riecht es hier so komisch, als wäre irgendwo ein Feuer!“
„Ach du lieber Gott!“, entfuhr es mir und ich rannte schnurstracks in meine Küche zurück, denn mir schwante nichts Gutes.
Als ich zur Tür hereinstürmte, sah ich auch schon die Bescherung: Aus meinem Topf züngelten die Flammen in die Höhe. Nach einem Hilfeschrei aus voller Kehle, schnappte ich mir geistesgegenwärtig einen Deckel, erstickte die Flammen und riss den Topf von der Herdplatte. Meine flambierten Zwiebel musste ich allerdings entsorgen und damit hatte mein Multitasking nicht zur Zeitersparnis beigetragen, sondern eigentlich nur zu einem zeitlichen und arbeitstechnischen Mehraufwand geführt.
„Manchmal scheint die serielle Bearbeitung der Dinge doch einen gewissen Vorteil zu haben“, dachte ich verärgert.
Obwohl genau genommen unser Nachbar und das Gespräch mit ihm zu einer sogenannte Reizüberflutung aus meiner Umwelt geführt hatten und beide Faktoren damit die Schuld am Scheitern meines Multitasking-Talents darstellten, bedankte ich mich herzlich bei ihm für dessen gute Nase.
„Da ich bei einer Firma arbeite, die Arzneimittel und Chemikalien produziert, habe ich diesbezüglich eine geschulte Nase“, nahm dieser meinen Dank strahlend entgegen.
Bekanntlich wird man ja aus Schaden klug und deshalb sind uns Beiden diese Missgeschicke auch nur einmal passiert. Bei Peter mag dies daran liegen, dass er ganz bereitwillig seiner Ehefrau, sprich meiner Wenigkeit, die Tätigkeiten, welche das Kochen und den Haushalt betreffen, überlässt. Somit erhöht sich allerdings für mich die Wahrscheinlichkeit, dass es zu solchen oder ähnlichen Situationen kommt erheblich. Obwohl sie bei mir nicht an der Tagesordnung sind, passiert auch mir hin und wieder ein Missgeschick, über das ich mich dann selbst am meisten ärgere. Unter anderem liegt es auch darin begründet, dass ich keine selbstreinigende Küche besitze. An ein Ereignis erinnere ich mich noch sehr lebhaft:
Timo war vielleicht so zehn Jahre alt und spielte mit den Nachbarjungs draußen vor unserem Haus, während mein Mann ein kleines Schwätzchen mit dem Nachbarn unterhielt. Ich wollte Gulasch kochen und hantierte in der Küche herum. Gerade stellte ich den Schnellkochtopf auf den Herd, verschloss ihn sorgsam mit dem Deckel und wartete bis das Ventil hoch ging. In der Zwischenzeit bereitete ich die anderen Zutaten für das Mittagessen vor und vergaß vollkommen auf das Ventil zu achten. Plötzlich schoss das Ventil in die Höhe, mein Topf zischte furchterregend, gleichzeitig trat eine gewaltige Menge Dampf aus. Damit aber nicht genug, denn die Soße spritzte ebenfalls aus dem Ventil heraus. Ich schrie aus Leibeskräften, denn ganz geheuer ist mir dieser Dampfkochtopf noch nie gewesen:
„Hilfe! Hilfe, mein Dampfkochtopf.“
Ich riss geistesgegenwärtig den Topf von der Herdplatte und schob ihn an eine andere Stelle auf dem Herd. Das hatte zur Folge, dass Dampf und Soße sich letztendlich in alle Richtungen verteilten. Die Wandfliesen hinter dem Herd, meine Arbeitsplatte, der Fußboden vor dem Herd und selbst das eine Fenster und die Gardinen waren jetzt braun gesprenkelt. Ich fluchte lautstark und ärgerte mich über mich selbst, denn jetzt konnte ich die gesamte Küche und die Fenster putzen und schließlich auch noch die Gardinen waschen. Trotz meinen Schimpfkanonen, die ich in der Küche abfeuerte, bekam mein Mann draußen vor dem Haus nicht das Geringste mit. Allerdings schien der Nachbarjunge Bruchstücke von meinem Küchenunglück und meinen begleitenden Worten aufgeschnappt zu haben, denn er stellte sich vor Peter und meinte:
„Herr Berg, ich glaube ihrer Frau ist gerade der Dampfkochtopf explodiert!“

Tja, wir Köche, egal ob weiblich oder männlich leben nicht ganz ungefährlich.

4 Kommentare

    • Astrid Berg sagt

      Du glaubst nicht, wie oft ich an diese Geschichte denke, wenn ich meinen Dampfkochtopf benutze! 🙂
      LG und einen schönen Tag
      Astrid

  1. Corinna Steinweg sagt

    Ich würde ja eigentlich sagen, mit Brille wäre das nicht passiert, aber nur brauchst du ja noch keine derartige Hilfe auf der Nase. Eine schöne Geschichte. Danke und Weiter so!!

Schreibe einen Kommentar zu Astrid Berg Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert