Alle Artikel in: Erdachtes & Erzähltes

Der Schalk

Heinz und Ute sind mit dem Auto unterwegs. Sie haben den Wocheneinkauf erledigt. Alle Einkäufe sind bereits im Kofferraum verstaut und Heinz startet den Motor, als ihm noch etwas einfällt. „Ach!“, meint er und schlägt sich dabei gegen die Stirn. „Jetzt habe ich doch vergessen die Batterien für den Öffner unseres Garagentors zu besorgen. Oder hast du daran gedacht?“ „Nein, das stand nicht auf meinem Einkaufszettel“, erwidert Ute. „Ich habe auch keine Lust noch einmal reinzugehen. Ehrlich gesagt bin ich froh endlich ohne die Maske wieder frei atmen zu können.“ „Nachher ärgern wir uns, weil sich das Garagentor nicht mit dem Drücker automatisch öffnen lässt“, überlegt Heinz. „Ich geh noch mal schnell rein. In fünf Minuten bin ich zurück, warte einfach im Auto so lange.“ „Halt!“, ruft Ute ihm nach. „Du musst deinen Mund-Nasen-Schutz anziehen.“ Heinz dreht sich um und nimmt die Maske, die Ute ihm durch das Autofenster reicht. Im Supermarkt geht er zielstrebig zu dem Regal, in dem die unterschiedlichsten Batterien angeboten werden. Schnell wird er fündig und marschiert in Richtung Kasse. Da …

Oma Hildis nächster Streich (2)

Am Morgen versammelt sich die Familie gemeinsam rund um den Frühstückstisch. Oma Hildi sitzt ihrem Enkel gegenüber, der heute erst zur dritten Stunde Unterricht hat. „Hast du gut geschlafen, Oma?“, erkundigt sich dieser. „Danke der Nachfrage“, erwidert sie ohne wirklich eine Antwort zu geben. „Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“, will jetzt auch ihre Tochter wissen und der Schwiegersohn blickt von der Morgenlektüre der Tageszeitung auf. „Ach“, erwidert Oma Hildi. „Anscheinend hat mich die gestrige Gutenachtgeschichte für meinen Enkel innerlich doch etwas aufgewühlt. Ich war heute Nacht weit in der Vergangenheit.“ Es herrscht Schweigen in der Runde, denn alle vermuten, dass sie sich wahrscheinlich in ihrer Kindheit befunden hat, die aber ab ihrem zehnten Lebensjahr leider vom Krieg begleitet war.  „Aber eigentlich war es ein schöner Traum. Ich war nämlich bei meiner Schwester.“ Leicht irritiert schaut die Familie sie an. Oma Hildis Schwester verstarb bereits im Alter von zehn Jahren an Diphtherie, eine Krankheit gegen die heutzutage jeder geimpft wird. Und der Bruder wurde leider ein Opfer des Krieges. Deshalb können sie sich alle nicht vorstellen, …

Was hat Oma Hildi angestellt? (1)

Enkelkinder sind neugierig. So auch Oma Hildis Enkel. Er ist bereits ein Schulkind und möchte keine erfundene Gutenachtgeschichte hören, sondern eine aus dem wahren Leben. Deshalb versucht er mit einem kleinen Trick Oma Hildi Geschichten aus ihrer Kindheit zu entlocken.  „Mama und Papa sagen, ich sei früher ein kleiner Schlingel gewesen, weil ich Papa mit der Zange in den Popo gezwickt habe, als er auf der Leiter stand. Warst du auch so ein Schlingel oder warst du immer brav?“ „Eigentlich war ich immer brav, soweit ich mich erinnern kann…,“, meint die Großmutter schmunzelnd. „Bis auf ein- oder zweimal vielleicht.“ Dieser letzte Satz lässt den Enkel aufhorchen. Er will das jetzt ganz genau wissen. „Nun sag schon. Was hast du angestellt?“ „Ach, du weißt ja sicher, dass ich noch einen Bruder und eine Schwester hatte. Ich war die Jüngste von uns Dreien und somit das Nesthäkchen, wie man so schön sagt.“ „Dann bist du wohl genauso verwöhnt worden, wie ich als Einzelkind“, sagt der Enkel hoffnungsvoll. „Naja, manchmal haben sie mich ein bisschen verwöhnt, aber es …

Wie gewonnen, so zerronnen

Tanja kommt von der Arbeit nach Hause. Es ist Freitagabend und wie gewohnt will sie sich nachher noch mit ihrer besten Freundin Gitti treffen. Sie kennen sich seit der Schulzeit, haben gemeinsam studiert und leben noch heute in der selben Stadt. Sie unternehmen viel gemeinsam, telefonieren häufig und freitags treffen sie sich immer zu einem gemütlichen Fernsehabend. Abwechselnd findet dieser mal bei der Einen und dann wieder bei der Anderen statt. „Ich sollte noch schnell ein bisschen aufräumen“, überlegt Tanja laut. „Wenn überall etwas herumliegt, dann sieht es so ungemütlich aus. Ich muss mich aber beeilen!“  Schon eine knappe halbe Stunde später klingelt es an der Haustür. „Gittti!!!“, ruft Tanja aus, rauft sich erschreckt die Haare und rennt schnell zur Wohnungstür, die sie völlig aufgelöst und mit einem Ruck öffnet. Ohne ein Wort dreht sie sich wieder um und läuft händeringend zurück ins Wohnzimmer. „Ich wünsche Dir einen schönen guten Abend“, ruft Gitta ihrer Freundin verwundert hinterher und hängt ihren Mantel an der Garderobe im Flur an den Haken. Danach geht auch sie ins Wohnzimmer, …

Tante Friedas Geheimnis

Alle lieben Tante Frieda. Warum das so ist? Na, weil Tante Frieda die netteste und lustigste Frau ist, die ich kenne. Mutti meint oft: „Susi, du bist ihr sehr ähnlich!“ Das macht mich richtig stolz, obwohl ich der Meinung bin, dass Mama ebenfalls sehr viel Ähnlichkeit mit ihr hat und das kommt daher, weil Tante Frieda die kleine Schwester meiner Mutter ist.  Klein ist richtig, denn sie ist nicht sehr groß, gerade einmal einen Meter und sechsundfünfzig Zentimeter. Das steht nicht nur in ihrem Pass, sondern ist eindeutig bewiesen. Ich habe es nämlich erst letzte Woche höchstpersönlich nachgemessen. Ich bin inzwischen schon einhundertzweiundfünfzig Zentimeter, also muss ich noch zu ihr aufschauen. „Die vier Zentimeter schaffst du doch locker noch!“, hat Tante Frieda gesagt und mir dabei zugezwinkert. Sie ist immer quietschvergnügt, ihr Lachen schallt durch das ganze Haus und ist ansteckend. Wenn wir ein Fest feiern, dann singt und tanzt sie und reißt mit ihrer Fröhlichkeit alle mit. Ganz ehrlich, ich habe sie noch nie mit schlechter Laune erlebt und ich kenne sie nun schon mein …

Gut beschirmt

Da liegt er nun. Mitten in der Stadt hat man ihn ausgesetzt. Niemand achtet wirklich auf ihn. Nur ein Junge, der vorbeikommt, gibt ihm noch einen Fußtritt, damit er den Bürgersteig frei macht. Verschreckt bleibt er an einer Mauer liegen. Ein verwelktes Blatt hat sich zu ihm gesellt. „Wieso liegst du hier so rum?“, fragt das Blatt. „Ich bin traurig, denn mich mag keiner mehr! Man hat mich einfach weggeworfen.“ „Wieso? Stimmt mit dir irgendetwas nicht?“ „Ach“, sagt er, „das ist eine lange Geschichte. „Dann erzähle sie mir doch! Ich kann gut zuhören und außerdem habe ich viel Zeit.“ „Na gut: Am Anfang stand ich in einem Geschäft mit anderen Kollegen zusammen. Viele Menschen gingen täglich in dem Laden ein und aus. Keiner würdigte uns eines Blickes, denn draußen war Sommer und die Sonne brannte vom Himmel. Uns brauchte niemand, wir waren überflüssig.“ „So ein Quatsch, wie kann jemand wie du überflüssig sein. Du bist total nützlich!“ „Das dachte ich auch immer, aber schau her, wie ich enden muss!“, schnieft der Schirm total traurig. „Erzähl …

In die Jahre gekommen

„Jung bin ich nicht mehr, aber immer noch nett anzusehen. Leider ist mein Geburtsdatum irgendwie in Vergessenheit geraten, genauso wie mein Geburtsort. Wenn ich es mal so gedanklich überschlage, dann müsste ich so langsam aber sicher auf die neunzig zugehen. Meine Haube hat schon ein paar Macken und meine kleine Ablagefläche auch, aber eingestaubt bin ich dank der guten Pflege noch nicht. Mit ein bisschen Politur für das Holz, Farbe für mein Gestell, einem neuen Lederriemen, eine neue Nadel und ein paar Tropfen Öl für die Maschine komme ich doch glatt wieder in Schwung.  Naja, mit den jungen Dingern kann ich nicht mehr so recht mithalten. Die sind einfach schneller als ich. Aber in meinem Alter ist man eben ein bisschen langsamer. Auch der ganze neumodische Kram ist mir fremd und programmieren lasse ich mich schon gar nicht. Im Leben kommt es nicht immer auf Schnelligkeit an, aber ich muss sagen, Zickzack und Geradeaus klappt immer noch ganz prima bei mir. Wenn man so wie ich in die Tage gekommen ist, dann denkt man schon …

Erste große Liebe

Ein langjähriger Freund der Familie, nennen wir ihn einfach mal ‚Markus‘, ist zufällig vorbei gekommen. Wir sitzen in gemütlicher Runde beim Nachmittagskaffee und plaudern ein bisschen. Man kommt vom Hundertsten ins Tausendste und so fragt er mich: „Du bist doch Grundschullehrerin. Hat sich da nicht einmal ein kleiner Schulanfänger in dich verliebt?“ Ich merke ziemlich schnell, dass unser Bekannter gar keine Antwort erwartet, denn er erzählt einfach munter weiter. „Ich war in der ersten Klasse und unsterblich in meine Lehrerin verschossen.“ In Gedanken schmunzelt er vor sich hin und erweckt damit bei mir und meinem Mann die Neugier. „Da steckt doch noch mehr dahinter!“, wittere ich eine interessante und vielleicht sogar lustige Geschichte. „Und ob da noch mehr dahintersteckt. Ich kann mich noch gut daran erinnern“, grinst Markus und reibt sich die linke Wange, was meiner Beobachtungsgabe nicht entgeht. Ich frage mich insgeheim, ob dies nebensächlich ist oder doch im Zusammenhang mit seinem kleinen Geständnis steht. „Möchtest du noch ein Stückchen Kuchen während du uns die ganze Geschichte erzählst?“, versuche ich ihn zu ködern. „Na …

Knut Knopf

Knut Knopf ist, wie der Name schon sagt, ein Knopf. Er ist aber kein gewöhnlicher Hosenknopf, sondern ein ganz besonderer Knopf. Besonders deshalb, weil ihn sein Aussehen von allen anderen gewöhnlichen Knöpfen abhebt, was ihn aber keineswegs arrogant, überheblich oder gar unsympathisch macht. Nein, im Gegenteil. Er ist ein lustiger kleiner Kerl, der in seinem Leben schon einige Abenteuer erlebt hat. Wie er aussieht, wollt ihr wissen? Knut ist ein kleines schneeweißes Schäfchen, sein Kopf und seine dünnen Beinchen sind schwarz. Und wie es sich für einen Knopf gehört, hat er zwei winzige Löchlein und zwar genau inmitten seines wolligen Fells. Knut blickt ein bisschen verschmitzt in die Welt. Im Sturm erobert er die Herzen aller Kinder, ebenso wie seine beiden Brüder Karl und Klaus. Die drei K’s, wie sie sich selbst nennen, sind Drillinge und gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Wo sie wohnen interessiert euch? Sie stehen auf einer grünen und saftigen Wiese und diese ist auf den Kragen eines hübschen Sommerkleidchens gedruckt. Brav steht ein Schäfchen neben dem anderen und Knut …

Knöpflein

Flori ist sechs Jahre und besucht die erst Klasse. Seit ein paar Tagen darf er den Schulweg ganz alleine gehen. Zuerst hat ihn die Mutter immer bis zur Schule begleitet, dann bis zur großen Kreuzung und gewartet, bis er ordnungsgemäß den mit einer Ampel versehenen Fußgängerüberweg überquert hat. Dann aber hat sie gesagt: „Flori, ich möchte jetzt wieder halbtags arbeiten. Und weil ich schon vor dir aus dem Haus gehen werde, musst du von nun an alleine zur Schule marschieren. Du kennst den Weg und weißt, wo man besonders gut aufpassen sollte und auch wann du dort sein musst.“ „Endlich hat sie kapiert, dass ich inzwischen ein großes Schulkind bin“, hat Flora sich gedacht und ihr versprochen nicht zu trödeln und immer pünktlich zu sein. Fünf mal wöchentlich geht er nun den selben Weg, der ihn an einer Baustelle vorbeiführt. Das Haus jeen Tag ein bisschen mehr und er winkt den Bauarbeitern immer freundlich zu. Aber er bleibt nie stehen, denn er hat es ja eilig. Eines Tages jedoch ist die Baustelle verlassen, das Haus …

Trubel im Keller

Ich sitze hier so gemütlich in meinem Sessel und will die Augen ein wenig zudrücken. Draußen ist es kalt und trüb und ich habe keine Lust mich dorthin zu begeben. Hier drinnen ist es warm und gemütlich. Das dachte ich zumindest, als ich mich auf meiner Decke ausgestreckt habe. Okay, warm ist es schon, aber mit der Gemütlichkeit scheint irgendetwas nicht zu stimmen. Kaum sind mir die Augen zugefallen und ich will mich ins Land der Träume begeben, da fängt es an. Zuerst denke ich, ich wäre schon eingeschlafen und würde träumen. Aber eigentlich bin ich doch noch wach. Oder träume ich, dass ich träume oder dass ich wach bin? Seltsam.  Ich höre auch etwas. Doch was ist das? Und vor allen Dingen, wo kommt es her? Ich glaube es kommt aus dem Keller. Ob ich mal nachsehen gehe? Okay, die Neugierde hat gesiegt. Ich strecke mich noch einmal und stelle mich auf meine Beine. Dann mache ich mich auf den Weg. Dieses Rumoren kommt tatsächlich aus dem Keller. Ich kann mich nicht erinnern, dass …

Ein seltsames Phänomen

Tanja hat den Urlaub auf dem Bauernhof von Familie Sonnenschein in Bayern genossen. Sie ist erholt und mit roten Wangen wieder zurück in Berlin. Da sich alle so gut miteinander verstanden haben, ist jetzt schon klar, dass sie die Winterferien wieder auf dem Hof verbringen werden. Im Gegenzug wollen sich Oma Hilde und Opa Josef, wie Tanja die Eltern von Bauer Sonnenschein nennt, eine Woche lang Berlin ansehen. Am nächsten Montag soll die Reise losgehen. Während Oma Maria schon total aufgeregt ist und die Koffer bereits gepackt im Hausflur stehen, nimmt es Opa Josef eher gelassen hin.  „Musst du eigentlich wie ein aufgeschrecktes Huhn andauernd kreuz und quer durch die Wohnung laufen?“, fragt er seine Frau. „Wir fahren erst  in 5 Tagen. Du hast gepackt und alles ist fertig. Also sei friedlich, setz dich hin und kümmere dich um dein Steckenpferd, das Kreuzworträtsellösen.“ „Ja, ja!“, entgegnet Oma Maria und reißt nun bereits schon die dritte Schublade des Wohnzimmerschrankes auf. „Ich muss erst noch was suchen.“ „Hast du wieder einmal deine Brille verlegt?“ fragt ihr Mann …

Hallo lieber Herbst!

Hallo lieber Herbst! Meine Mutter hat heute die Schublade unserer Wohnzimmervitrine ausgemistet. Dabei hat sie das Briefpapier gefunden und mir geschenkt. Sie meinte, sie wisse nicht wem sie einen Brief schreiben solle, denn alle würden nur noch mit dem Handy telefonieren oder E-mails schreiben. Ich könne das Papier zum Malen nehmen. Aber ich habe da eine andere Idee: Ich möchte Dir schreiben, denn ich finde Dich ziemlich nett und das sollte man Dir auch mal sagen. Also:  Lieber Herbst, ich mag Dich! Ich finde Dich richtig cool! Ich weiß ja, viele Leute sind da anderer Meinung. Meine Oma zum Beispiel. Sie schimpft immer über Dich. Sie sagt, Du bist böse, weil Du ihr Haar zerzaust. Entweder machst Du ihr eine Sturmfrisur oder Du schickst so viel Feuchtigkeit durch die Luft, dass sich ihre Locken noch mehr kringeln.  Du musst wissen, dass meine Oma überhaupt keine echten Locken hat. Sie geht nämlich zum Friseur und dort zaubern sie ihr eine Dauerwelle auf den Kopf. Wenn Du dann Nieselregen schickst, hat meine Oma eine Krusselfrisur. Naja, ehrlich …

Wetterprognosen

Tanja hat Herbstferien. Es sind ihre ersten richtigen Schulferien, denn sie ist erst im Sommer eingeschult worden. Mit ihren Eltern macht sie Urlaub auf dem Bauernhof von Familie Sonnenschein in Bayern.  Für ein kleines Mädchen aus Berlin gibt es hier viel zu bestaunen. Auch ausprobieren und hier und da ein bisschen mithelfen darf sie, zum Beispiel beim Hühnerfüttern, beim Einsammeln der Eier oder beim Einsetzen der Tulpenzwiebeln. Bis jetzt wurde sie immer vom Bauer und der Bäuerin gelobt, denn sie hat alle ihr aufgetragenen Arbeiten sorgfältig und gewissenhaft erledigt. Obwohl der Korb mit den eingesammelten Eiern heute recht voll und auch schwer war, hat sie alle heil in der Küche bei der Bäuerin Hilde abgeliefert. „Das machst du toll, Tanja. Wie soll ich das alles nur bald wieder ohne dich schaffen?“ „Wenn du es nicht schaffst, komme ich einfach wieder hier her. Weihnachten sind doch Ferien und dann sind da auch noch die Winter,- Oster- und die großen Sommerferien“, meint Tanja. „Naja, das können  wir ja alles noch besprechen, aber jetzt setz dich schön mal …