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Auch das bin ich

Als ich neulich in einer Buchhandlung stöberte, entdeckte ich ein Buch, das mein Interesse weckte. Ich griff  danach, blätterte es durch und erstand es.  Inzwischen hat es einen Platz in meinem Arbeitszimmer. Es handelt sich um „Das Buch der fast vergessenen Wörter“ von Petra Cnyrim*. Sie erklärt und zeigt den Ursprung bestimmter Wörter auf. Manche davon sind ganz verschwunden, andere sind im Begriff vergessen zu werden.
Schon beim Durchblättern kamen Erinnerungen in mir hoch und eine Idee entstand: Ich möchte meinen Namen (Astrid Berg) auf solche Wörter und meine damit ganz persönlichen Erinnerungen durchforsten. Also lasst Euch überraschen, was dabei herausgekommen ist.

A

 

Als Kind trug ich im Winter einen Anorak und raste in einem Affenzahn auf meinem Schlitten den Hügel hinunter. Heute saust man vielleicht in einer mit Fell gefütterten Windjacke, in einer Skijacke oder in einer mit Daunen gepolsterten Kapuzenjacke… den Schneehang hinunter, aber keinesfalls in einem stinknormalen Anorak.
Da ich 1960 geboren bin, war es in meiner Generation üblich, dass man im Laufe seines Weges zum Erwachsenwerden mit der Aussteuer ausgestattet wurde. So bekam ich zum Beispiel von meinen beiden Patentanten zu Weihnachten, Ostern, Geburtstagen, Kommunion, Firmung und zu allen passenden Gelegenheiten Geschenke, die für meine Aussteuer bestimmt waren. Sie schenkten mir silberne Löffel, Gabeln, Messer, Bettwäsche, Handtücher, Geschirrtücher etc. . Damit sollte gewährleistet sein, dass ich bei der Hochzeit schon notwendige Utensilien zum gemeinsamen Hausstand beisteuern konnte.
Die Großtante meines Mannes setzte gewissermaßen diese Tradition fort. Sie schenkte mir vor unserer Hochzeit  ebenfalls Handtücher, Geschirrtücher und Gästehandtücher.
Mal ganz ehrlich, wir besitzen viele davon noch. Besonders von den Geschirrtüchern gibt es noch etliche. Ich musste mir bisher noch keine neuen anschaffen. Die Handtücher entsprechen weder unserem heutigen Geschmack, noch passen sie zu unseren Vorstellungen. Aber sie finden noch vielfältige Verwendung, zum Beispiel in der Garage.

S

 

Jedes Jahr zum 30. Oktober, am Weltspartag, marschierte ich als Kind mit meiner Sparbüchse zur Bank und zahlte mein gespartes Geld ein.
Sonntags zog man mir mein Sonntagskeidchen an und meine Mutter machte den Sonntagsbraten. Da ich ein schlechter Esser war, nannte man mich auch manchmal einen Suppenkasper.
Später in der Schule machte ich einen Schreibmaschinenkurs, den übrigens auch noch unser Sohn als Vorbereitung auf die Computerarbeit in der 10. Klasse belegte. Meine beiden Examensarbeiten (1. und 2. Staatsexamen) schrieb ich damals auf einer Schreibmaschine. Allerdings nutzte ich hierfür eine elektrische Schreibmaschine, was schon ein enormer Fortschritt war und für mich einen gewissen Luxus bedeutete.

T

 

Stellt Euch vor, damals gab es  Telefonzellen und man führte seine Telefongespräche noch räumlich abgegrenzt von den anderen Menschen, die sich auf der Straße befanden. Das hatte den Vorteil, dass nicht alle Umstehenden lautstark mitbekamen, was man der Freundin, dem Freund oder anderen Gesprächsteilnehmern am Ende der Leitung mitteilte. Ich erinnere mich, dass der Anruf bei der Telefonauskunft kostenlos war und wir manchmal unsere Späße mit dem Fräulein am anderen Ende machten.
Zwar betankte ich mein Mofa und später mein Auto immer selbst, aber trotzdem lernte ich in meiner Kindheit und Jugend noch die Existenz eines Tankwartes kennen.
Aber warum sollten wir denn immerzu nur mit dem Auto fahren? Bewegung war angesagt. Dafür erfand man den Trimm-dich-Pfad. Und wenn man abends müde vor dem Fernseher eingeschlafen war, dann wachte man möglicherweise erst beim Testbild wieder auf. Ich habe dieses Testbild noch genau vor meinem geistigen Auge.

R

 

Mein Mann beschwert sich, wenn Studenten statt eines wissenschaftlichen Taschenrechners einfach den im Handy integrierten Taschenrechner benutzen. Wie sich doch die Zeiten ändern. Obwohl wir auch schon zu Schulzeiten mit dem Taschenrechner fleißig rechnen mussten, lernten wir noch den Gebrauch des Rechenschiebers kennen. Ich gebe zu, dass ich ganz schön aufgeschmissen wäre, wenn ich jetzt dieses Gerät bedienen müsste. Im Gegensatz zu der heutigen jungen Generation, die keinerlei Vorkenntnisse bezüglich eines Rechenschiebers hat, könnte ich mich sicherlich wieder einarbeiten und das einst Gelernte aus meinem Gedächtnis hervor kramen.

I

 

Wie viele Kinder hörte und las ich gerne Märchen. Im Studium belegte ich sogar ein Seminar zu diesem Thema und mein Erstes Staatsexamen schrieb ich dann auch über Märchen. Wie jeder weiß, begegnete Rotkäppchen dem bösen Wolf. Damals bezeichnete man ihn auch mit dem Namen „Isegrim“. Heute taucht diese Bezeichnung höchstens noch im Kreuzworträtsel auf, – wenn überhaupt.

D

 

In meiner Kindheit machte man noch Dauerlauf. Heute joggt man, geht walken oder läuft einen Marathon, nur Dauerlauf macht niemand mehr.
Wir bezahlten mit der DM (Deutschen Mark) und sprachen von einem Dutzend, wenn wir zum Beispiel zwölf Brötchen etc. meinten.

 

B

 

Mein Großvater mütterlicherseits war Frisörmeister, den man damals als Barbier bezeichnete. Ganz verschwunden scheint dieses Wort jedoch noch nicht zu sein, denn auch in unserer Stadt gibt es heute wieder einen Barbier.
Auch den Begriff „Butterberg“ lernte ich kennen und wusste, dass es einen Überschuss an Butter gab. Das erfuhr ich in den siebziger Jahren als Kind mal so nebenbei, als ich mit meiner Mutter freitags zum Wocheneinkauf ging.
Wenn sich zwei Bengel tüchtig stritten, so konnte es schon mal passieren, dass der eine vom anderen eine Backpfeife erhielt und dann beleidigt mit seinem Bonanzafahrrad davon fuhr. Mein Mann kaufte sich vor ein paar Jahren eine Art „Retro-Bonanzafahrrad, bei welchem der Reifen des Hinterrades ebenso wie beim amerikanischen Original einen größeren Durchmesser hat. So erinnert das Bonanzafahrrad an eine Harley Davidson.

E

 

Wir drückten damals unsere Überraschung oder Verwunderung ganz einfach mit einem einzigen Wort aus: „Eiderdaus!“ Wir sammelten beispielsweise emsig Autogrammkarten und hielten manche super genauen Menschen für Erbsenzähler. Auch das bargeldlose Bezahlen kannten wir schon, allerdings nutzten wir hierfür den Eurocheque. 

R

 

Ich kann mich noch genau an den roten Reisewecker erinnern, den meine Tante besaß. Er war sehr handlich und man konnte ihn sozusagen zusammenklappen.
Und mit Rollschuhen konnte ich ziemlich gut laufen. Wir trafen uns draußen auf der Straße in unserem Wohngebiet, auf der kaum Autos fuhren und dann liefen wir damit um die Wette. Ich weiß noch, dass eines Tages eine Schulfreundin hinfiel und sich den Arm brach. Und vor noch gar nicht allzu langer Zeit überlegte ich, ob ich es noch einmal versuchen sollte. Die Geschichte hierzu könnte Ihr gerne nachlesen: Wenn es dem Esel zu wohl ist…

G

 

Kennt ihr noch den Kaugummiautomaten, den wir nur mit einem Groschen füttern mussten, damit er uns eine Kaugummikugel herausgab? Überhaupt konnte man für einen Groschen in meiner Kindheit noch einige Dinge kaufen, zum Beispiel einen Lutscher oder Brausestangen zum Lecken.
Auch spielten wir in der Pause Gummitwist mit ausgedienten und aneinander geknoteten Gummis. Das machte riesigen Spaß.

Und ebenso viel Freude hat mir gerade die Erinnerung an fast oder ganz vergessene Dinge und Wörter gemacht, die in meiner Kindheit und Jugend noch total selbstverständlich waren.

Sie gehören zu mir, wie mein Name an der Tür.

 

Vielleicht möchtet Ihr das noch lesen:

Das bin ich … und noch viel mehr

Ich hab‘ da eine kleine Macke

Astrid, Opa und das Eis

 

 

*Petra Cnyrim, Das Buch der fast vergessenen Wörter, riva Verlag München, 2. Auflage 2017

10 Kommentare

  1. Vor einigen Monaten habe ich mir dieses Buch auf meinen Kindl herunter geladen und seitdem quäle ich meine Reizwortschwestern damit.
    Immer wenn ich mit den Reizwörtern dran bin, dann gibt es ein Wort aus diesem Buch. Das erste Wort „Amtschimmel“ war ja noch harmlos, aber das am 15.10 erscheint, das Wort „Brimborium“ ist schon schwieriger (schmunzeln)
    Da C-Wort kommt dann nächstes Jahr!
    Schön hast du das geschrieben.
    Übrigens dein Herbstgedicht war herrlich. Du hast die Stimmung wunderbar eingefangen und die Wortwahl einmalig.
    Jedenfalls ist es für mich immer ein Vergnügen bei einem gemütlichem Frühstück deine Einträge zu lesen. Und wenn ich hier bin, streife ich nochmal durch, um die Bilder zu betrachten.
    Ein süßes fröhliches Kind warst du.
    Nun wünsche ich dir einen schönen Sonnag. Herzliche Grüße Lore
    Und danke für deine Treue auch wenn ich nciht mehr so oft hier vertreten bin.

    • Astrid Berg sagt

      Da bin ich jetzt schon gespannt, was Ihr aus diesem Wort macht und welche Geschichte Ihr darum bastelt. Das Buch ist toll, denn es hat auch in mir viele Erinnerungen geweckt und vor allen Dingen kann man es immer wieder durchblättern und erhält neue Anregungen.
      Auf dem Foto war ich übrigens eineinhalb Jahre alt. Es entstand 1961 und im Bilderrahmen steckt noch ein Glückskleeblatt von damals. Meine Mutter hat dieses Foto noch heute auf ihrer Anrichte im Esszimmer stehen.
      LG und hab eine gute Woche
      Astrid

  2. Liebe Astrid,
    viele dieser Begriffe sind tatsächlich in Vergessenheit geraten, deshalb war es eine Freude, sie wieder zu lesen. Einige sind mit schönen Erinnerungen behaftet, zum Beispiel denke ich spontan an die Telefonzelle, in der ich stundenlang mit meinem ersten Freund telefonierte.

    Hab einen schönen Sonntag.
    Viele Grüße
    Traudi

    • Astrid Berg sagt

      Jetzt freue ich mich richtig, dass ich Dich an die Telefonzelle erinnert habe. Da hätte ich auch gerne mal Mäuschen gespielt, hihi.
      Ich hoffe, der Herbst zeigt sich auch bei Dir zum Wochenanfang von seiner schönen Seite und schicke Dir ganz liebe Grüße
      Astrid

  3. Liebe Astrid,
    was für eine herrlich altmodische Sammlung von Wörtern, die Erinnerungen wecken und einen heute zum Schmunzeln bringen.
    Erstaunlich, wie viel Leben auch heute (oder gerade heute) in diesen alten Begriffen steckt.
    Lieben Gruß
    moni

    • Astrid Berg sagt

      Dieses Leben hauchen wir ihnen mit unseren Erinnerungen ein. Ohne diese Erinnerungen wären sie einfach nur leere Begriffe. So ändern sich die Zeiten und so schnelllebig ist unsere Zeit, dass Wörter ihre Berechtigung und ihre Bedeutung verlieren. Ein Grund mehr ihnen in Geschichten und kleinen Erinnerungen einen Platz einzuräumen.
      Sei herzlich gegrüßt
      Astrid

  4. Hihihi liebe Astrid, das war wirklich schön zu lesen, als 1964geborene kenne ich natürlich alle diese Wörter und Begriffe. Ein richtiges Revival war das, jawoll!!

    Liebe Grüße
    Kerstin

    • Astrid Berg sagt

      Hab herzlichen Dank, liebe Kerstin. Auch für die Weiterleitung der Kommentare Deiner Mama danke ich Dir.
      Ich wundere mich auch immer, dass einfache Wörter, banale Dinge oder sogar nur Gerüche Erinnerungen in uns hervorrufen können, die sich lange versteckt gehalten haben. Und gemeinsam macht das Erinnern gleich doppelt soviel Spaß.
      LG
      Astrid

  5. ein weitergeleiteter Kommentar von meiner Mama:

    Liebe Astrid,

    die Wörter hast Du wunderbar in Szene gesetzt. Danke dafür. Just ein paar Jährchen älter noch als Du, könnte ich es noch manigfach ergänzen. Einige Wörter möchten wir sicherlich auch nicht gerne wiederhören, wozu Depesche, Backfisch, Tropfenfänger oder Bandsalat nicht unbedingt gehören. Einen Schnorrnwastl kennt auch nicht jeder, das heißt heute Bartträger. Stöbern lohnt sich also, im wahrsten Sinne des Wortes, wobei nicht die Wohnung gemeint ist, so eine Buchhandlung ist immer lohnenswert. Ich lese gerne Deine Beiträge und komme gerne wieder vorbei. Ein schönes Wochenende und liebe Grüße von der Helga

    • Astrid Berg sagt

      Liebe Helga,
      ich habe mich wirklich sehr über Deinen netten Kommentar gefreut und auch, dass Du gerne meine Beiträge liest.
      Ich glaube, Du solltest Dir vielleicht ebenfalls dieses Buch besorgen, denn darin gibt es sicherlich einige Wörter, die auch bei Dir Erinnerungen wach rufen.
      Sei herzlich gegrüßt und hab eine gute Woche
      Astrid

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